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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Kampfmittel Erinnerungskultur
Von Evelyn Hecht-Galinski

Der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus und Internationaler Gedenktag an die Opfer des Holocaust (Holocaust Rembrance Day) am 27. Januar ist erneut zu einem schändlichen "Nicht-Gedenktag" geworden. Immer wieder wird versucht, den Holocaust als den Zivilisationsbruch, der er auch war, als EINZIGEN Gedenktag zu etablieren. Warum gibt es keinen Nakba-Gedenktag, der doch so untrennbar verbunden ist mit dem Holocaust? Und was ist mit der 872 Tage (von 1941 bis 1944) dauernden Belagerung Leningrads durch deutsche Truppen, die auch an jenem 27. Januar endete? Während dieser Belagerung mit dem Ziel der Nazis, die Leningrader Bevölkerung systematisch verhungern zu lassen, starben nach Schätzungen zwischen 630.000 und 1,5 Millionen Menschen. Dies ist die erschütternde Bilanz eines der eklatantesten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht bei ihrem Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion während des II. Weltkriegs.

Unfassbar ist es bis heute, welche Grausamkeiten die Deutschen diesen eingeschlossenen Menschen antaten. Es war das Inferno schlechthin und vergleichbar mit einem Vernichtungslager. Mehr als 700.000 tote Armee-Kämpfer verloren ihr Leben beim Kampf um Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Die deutsche Wehrmacht wusste, was sie anrichtete und berichtete genau über die Zustände.

Infame Journaille an Perversität nicht zu überbieten

Wenn heute, 75 Jahre nach diesem Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Süddeutschen Zeitung nichts Besseres einfällt, als die Befreiung von Leningrad und das russische Gedenken und damit auch die Opfer in den Schmutz zu ziehen, dann sollte uns das betroffen machen. Nein, nicht Moskau "missbraucht" das Gedenken an die Opfer, wie Silke Bigalke in ihrem Schmutzkommentar "Blockierte Erinnerung“ in der SZ vom 25. Januar zum Besten gibt. Russland hat jedes Recht, an diesen Tag zu erinnern. Wie das zu geschehen hat, ist ganz sicher nicht von deutschen Journalisten zu entscheiden. Schämen sollten wir uns Alle für dieses abscheuliche Verhalten einer infamen Journaille. (1)

Auch dass 75 Jahre nach dem Ende der Belagerung Leningrads eine deutsche Regierung durch nichts zu rechtfertigende Sanktionen gegen Russland unterstützt und damit bildlich wieder russische Bürger verhungern lässt, ist an Perversität nicht zu überbieten. Abgesehen davon schaden Sie unserer Wirtschaft und damit uns, den Bürgern und Souverän! Wir deutschen Bürger wissen genau um die immer wieder ausgestreckte Hand Russlands und seinen Großmut gegenüber Deutschland, die die kriegslüsternen Transatlantiker in der Regierung scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Auch die „großzügige Geste als Symbol dafür, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind“ von Außenminister Maas, mit 12 Millionen Euro noch lebende Opfer in Russland zu unterstützen, ist nicht genug! Es müssten 12 Milliarden sein und die sofortige Aufhebung der Blockade gegen Russland.

Was geschieht stattdessen? Russland wird zum Bad Boy des INF-Abkommens, und es droht eine massive konventionelle Aufrüstung. Während die Nato sich mit immer höheren Rüstungsausgaben brüstet – auf Kosten des Steuerzahlers, der in Frieden leben will – rüsten die USA und auch Israel immer stärker auf, ohne Kontrollen und Androhungen von Maßnahmen.

Wie also kann ein Vertrag gerettet werden, der von den USA aufgekündigt werden möchte, mit allen schmutzigen Tricks? Wie kann man erreichen, dass die USA oder Israel den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen unterzeichnen, bevor sie andere Länder zur Vertragseinhaltung zwingen? Was für eine verlogene Politik der Doppelmoral, die unsere Außenpolitik inzwischen leitet. Gerade Deutschland sollte sich immer wieder seiner Verantwortung gegenüber Russland bewusst bleiben.

Stehen wir erneut im Kalten Krieg und der atomaren Abschreckung als Waffe? Es scheint, als ob man nichts dazu gelernt hat und sich wieder auf längst vergessene Strategien einlässt. In diesem Zusammenhang denke ich an die "Operation Unthinkable", einen vom damaligen britischen Premierministers Churchill im Auftrag gegeben Kriegsplan, der am 22. Mai 1945, kurz nach der deutschen Kapitulation der Wehrmacht, die militärische Zurückwerfung der damaligen Sowjetunion und die Wiederherstellung Polens durch Großbritannien und die USA zum Ziel hatte, der aber vom britischen Chief of Staff Committee als militärisch undurchführbar eingestuft wurde. So wurde aus Churchills Phantastereien zum "Dritten Weltkrieg" gegen die Sowjetunion glücklicher Weise nichts, außer seinem verräterischen Spruch „wir haben das falsche Schwein geschlachtet. (2)(3)(4)

Unter dem scheinheiligen Begriff "westliche Werte"

Auch heute erleben wir ähnliche Planspiele und Nato-Phantastereien unter dem Deckmäntelchen "Frieden erhaltende Maßnahmen"! Das reicht von der brutalen Nato-Ost-Erschleichung über die groteske „Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ und sonstigen kriegerischen Aggressionen bis zu „Regime-Changes“ und dreister Einmischung in Angelegenheiten souveräner Länder. Alles unter dem scheinheiligen Begriff "westliche Werte".

Schon seit Jahrzehnten betreibt die USA Regime Changes, beispielsweise in Irak, Libyen, Ukraine, Syrien, Ägypten, und aktuell versuchen sie es in Venezuela. Da unterstützt man die US-Marionette, den selbsternannten Übergangspräsidenten und Parlamentspräsidenten Guaido in seinem Putschversuch gegen den gewählten Präsidenten Maduro. Ich finde es äußerst verwerflich, dass sich die EU und an vorderster Front Deutschland hinter diesen Putschisten stellt und in Gutsherrenmanier Maduro ein Ultimatum stellt bis zum 3. Februar Neuwahlen anzusetzen, sonst drohen sie mit der Anerkennung des Putschisten. Die USA, Kanada, Australien, einige Lateinamerikanische Staaten und Israel (!) haben dies schon getan. Ist dies wirklich mit "westlichen Werten" zu vereinbaren? Ich meine nein, denn wenn das die Werte sind, können wir eigentlich nicht mehr tiefer sinken. Eine von Washington im UN-Sicherheitsrat vorgelegte Erklärung zur Unterstützung von Guaido scheiterte an der Unterstützung Chinas und Russlands. Auch die Türkei stellte sich dankenswerter Weise hinter Maduro. Wieder einmal wird mit dem alten Trick von eingeschleusten Agenten, der Verknappung der Lebensmittel und Zahlungen an der Schraube gedreht, um ein Volk zum Putsch zu bewegen.

So ist die Solidarität der mehr als 70 Intellektuellen, darunter Noam Chomsky, John Pilger und andere bekannte Persönlichkeiten, so wichtig, die in einem offenen Brief „im Interesse des venezolanischen Volkes, der Region und des Prinzips der nationalen Souveränität“ ein Ende der US-Intervention in Venezuela forderten. Kritische deutsche Stimmen sucht man vergebens! (5)

Die Politik der deutschen Regierung unter Merkel führt uns in die kritiklose Transatlantisierung und Rüstungsfalle, die unweigerlich in den Abgrund führt. Wenn also 75 Jahre nach Kriegsende und der Befreiung von Auschwitz deutsche Soldaten im "Jüdischen Staat" stationiert und an bewaffnungsfähigen Kampfdrohnen ausgebildet werden, dann haben die dafür verantwortlichen deutschen Politiker nichts aus unserer Geschichte gelernt. Deutsche Soldaten werden ausgebildet von brutalen und mörderischen jüdischen "Verteidigungssoldaten", einer Armee, die vor brutalen außergerichtlichen Hinrichtungen, brutalen Besatzungsverbrechen und Völkermord in Gaza nicht zurückschreckt. (6)

Kanzlerin Merkel an bösartiger Scheinheiligkeit nicht zu überbieten

Die Äußerung von Kanzlerin Merkel, die sich nie in "interne Angelegenheiten" im "Jüdischen Staat" einmischt, hat in einem Radio-Interview mit einem israelischen Sender anlässlich des Holocaustgedenktags die Politik Irans als „bedrohlich für Israel“ bezeichnet, was an bösartiger Scheinheiligkeit nicht zu überbieten ist.

Denn nicht der Iran – der noch nie ein anderes Land militärisch angegriffen hat – ist eine Bedrohung für den "Jüdischen Staat", sondern das militärisch hochgerüstete Israel bedroht und bekämpft seit Jahren schon den Iran mit allen Mitteln. Merkels Kotau geht so weit, auch noch Verständnis zu zeigen für die "Sorgen Israels vor dem Iran" und dass sie es für "wichtig und richtig" hält, dass Israel seine „Sicherheitsinteressen“ vertrete, und angesprochen auf die israelischen – völkerrechtswidrigen – Luftangriffe gegen Syrien verurteilt sie diese nicht, sondern sagt doch tatsächlich: "Israel muss seine Existenz sichern, und die Situation in Syrien ist natürlich eine sehr bedrohliche auch für Israel". Außerdem, so Merkel weiter, „setzen wir uns ja auch dafür ein, dass zum Beispiel keine iranischen Streitkräfte so nahe an die Golanhöhen kommen". Aber Merkel kann reden wie sie will: der besetzte Golan ist und bleibt syrisch und wird auch eines Tages befreit sein! (7)

Wie sich zeigt, ist Merkel mit diesen Äußerungen nicht im Einklang mit unseren demokratischen Grundregeln. Ihre Äußerungen zu den illegal besetzten Golanhöhen, die der "Jüdische Staat" für immer für sich beansprucht, ist wohl kaum mit dem Völkerrecht zu vereinbaren. Wenn das unsere offizielle Politik darstellt, dann haben wir uns von allen Normen entfernt. Während Russland wegen der Sezession der Krim nach einem vorherigen Referendum grundlos – denn es geht nach Meinung vieler Völkerrechtler keineswegs um eine „Annexion“ – prompt sanktioniert wurde, gestattet man dem "Jüdischen Staat" seinen täglichen Landraub. Noch nie sanktioniert wurden die israelischen Verbrechen gegen das Völkerrecht, die Menschenrechte, die illegale Besatzung und die Politik der Apartheid gegen das palästinensische Volk. Nach Merkel sind das schließlich "interne Angelegenheiten" der "jüdischen Freunde", die sich nach wie vor ihrer Unterstützung und beschämenden Leugnung der palästinensischen Rechte erfreuen können. Das ist die philosemitische "christlich-zionistische" Merkel-Politik 75 Jahre nach Kriegsende und mit dem inhaltsleeren Mantra „Nie wieder“.

Russen und Palästinenser in das Gedenken gleichberechtigt einzubeziehen!

Der "Jüdische Staat" missbraucht das Gedenken an die Opfer des Holocaust – und das mit tatkräftiger deutscher Hilfe. Ohne Frieden gibt es kein Gedenken, und Israel war und ist niemals bereit, Frieden zu machen mit den Palästinensern. Wenn am 31. Januar im Bundestag an die Opfer des Nazi-Regimes gedacht wird, wäre es an der Zeit, die Russen und die Palästinenser in dieses Gedenken endlich gleichberechtigt einzubeziehen, sonst bleibt dieses Ritual so unnötig und scheinheilig verlogen wie jedes Jahr, und verkommt zum Kampfmittel Erinnerungskultur.


Fußnoten:

(1) https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-wehrmacht-leningrad-weltkrieg-1.4300914
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Unthinkable
(3) http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Kriegsgeschichte1/churchill.html
(4) http://www.rotfuchs.net/rotfuchs-lesen/wir-haben-das-falsche-schwein-geschlachtet-2183.html
(5) http://uncut-news.ch/2019/01/27/chomsky-pilger-und-70-weitere-fordern-in-offenem-brief-ein-ende-der-us-intervention-in-venezuela/
(6) https://www.heise.de/tp/features/Die-Kampfdrohnen-kommen-4288554.html
(7) https://www.n-tv.de/politik/Merkel-sieht-Irans-Politik-als-Bedrohung-Israels-article20830571.html


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

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