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Krieg und Frieden
Der Opfer des Flammeninfernos in Dresden im Februar 1945 zu gedenken, ist ein Gebot der Menschlichkeit
Tränen für Dresden
Von Rudolf Hänsel

Die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 ist ein Thema, das nach wie vor die Gemüter erhitzt. Es ist ein Thema, das von der extremen Rechten in Beschlag genommen ist. Insbesondere die Zahl der Todesopfer wird in diesen Kreisen in Frage gestellt. Z.B. soll Adenauer 1955 nach deren Angaben von 250.000 Toten gesprochen haben. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Kreise sich des Themas bemächtigen, um es – wie in vergleichbaren Fällen – als "rechts" zu stigmatisieren und damit einer sachlichen Diskussion zu entziehen. Wenn die NRhZ sich – wie im Artikel "Tränen für Dresden" von Rudolf Hänsel – mit der Bombardierung Dresdens befasst, dient das nicht der Relativierung anderer Kriegsverbrechen. Ein weiterer Artikel - verfasst im Februar 2010 von Jacques R. Pauwels, veröffentlich bei Global Research und übersetzt von LUFTPOST - beleuchtet die Frage, welche Funktion die Zerstörung von Hiroshima, Nagasaki und Dresden hatte.


Dresden, Blick vom Rathausturm, Ende 1945 (Foto: Richard Peter sen., Quelle: Deutsche Fotothek, CC BY-SA 3.0 DE)

Die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 ist eines der zahlreichen Traumata in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Erinnerung an dieses tragische Ereignis kann helfen, die Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten. Am 13. und 14. Februar 1945 wurde die sächsische Residenzstadt Dresden, das „Elbflorenz“, innerhalb von 15 Stunden umfassend zerstört. Und das geschah wenige Wochen nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, zwei Tage nach der Konferenz von Jalta und drei Monate vor der Kapitulation Hitler-Deutschlands durch drei Bombenangriffe britischer und amerikanischer Luftstreitkräfte. Es ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis, der Opfer eines gnadenlosen Bombenkrieges zu gedenken, der keine Schonung für Zivilisten und kulturhistorisch einmalige Gebäude kannte — ob in Guernica, Warschau, Coventry, Belgrad, Hamburg oder Dresden.

Zehntausende oder gar hunderttausende Menschen wurden erschlagen, erstickten in Kellern, verglühten in den Flammen. Wer kennt die Zahl? Bereits wenige Tage nach dem verheerenden Angriff begann die politische Instrumentalisierung der Katastrophe. Die Debatte um die Zerstörung Dresdens hält bis heute an. Der große schlesische Dramatiker und Literatur-Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann (1862-1946) hat das „Höllenfeuer“ persönlich erlebt. Seine „Abschiedsworte zum Untergang Dresdens“ beginnen mit den Sätzen: „Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergangs Dresdens. Dieser heitere Morgenstern der Jugend hat bisher der Welt geleuchtet“ (1).

Trauma einer Katastrophe

Dresden zählte zu den schönsten Städten Europas. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs bildete die Stadt mit ihren 650.000 Einwohnern eine Oase in einer zerbombten Landschaft. Von Luftangriffen wurde sie bewusst verschont, um die Menschen im Glauben zu lassen, dass die Kunst- und Lazarettstadt nicht angegriffen werden würde. Deshalb nahm Dresden die riesigen Flüchtlingsströme aus Schlesien und Westpreußen auf. Im Februar 1945 hatte die Zahl der Flüchtlinge die 600.000er-Grenze überschritten. Hier fanden die gehetzten Menschen Ruhe, ärztliche Hilfe, geregelte Verpflegung und vor allem Schutz vor der Kälte des Winters. Die Dresdener Bevölkerung rückte eng zusammen: Schulen, Hotels, Geschäftshäuser, Lokale, Dachkammern und Wohnungen wurden zu Massenquartieren.

Dresden hatte keine Kriegsindustrie, keine Schutzbunker und keinen Flak- und Jägerschutz. Beim ersten Angriff, am Faschingsdienstag, dem 13. Februar 1945 um 21.30 Uhr regnete es 30 Minuten lang Feuer und Stahl vom Himmel: 460.000 Stabbrandbomben und Phosphorkanister, 3.000 Luftminen und Sprengbomben. Die Sirenen gaben keinen Voralarm, sondern gleich Vollalarm. Eine furchtbare Panik erfasste die Bevölkerung. Brandbomben und Phosphorkanister zerplatzten zwischen den Menschen. Als lebendige Fackeln rannten Männer, Frauen und Kinder dahin und wälzten sich am Boden. Luftminen drückten Häuserwände ein. Gas- und Wasserrohre platzten. Der Phosphor lief an den Mauerwänden herab und fraß den Sauerstoff, so dass die Menschen in den Kellern erstickten.

Gleich nach dem Luftangriff startete die Rettungs- und Versorgungsaktion. Das wussten auch die alliierten Stäbe. Darum wurden drei Stunden später der zweite und elf Stunden später der dritte Angriff befohlen. Der zweite Angriff am 14. Februar, 00.30 Uhr, war noch furchtbarer als der erste. Das Warnsystem im Stadtgebiet war zerstört. Während die Rettungsaktion anlief, donnerten die Wellen der viermotorigen Bomber wieder über Dresden hinweg. Beim dritten Angriff am 14. Februar, 11.15 Uhr, belegten 180 amerikanische Bomber Elbufer, Straßen und umliegende Ortschaften mit Bordwaffenbeschuss und Raketenbomben. Ihre Geschosse fanden reiche Beute. Tausende erlitten einen qualvollen Tod, viele wurden wahnsinnig.

Auf einem Gedenkstein für die Luftkriegsopfer auf dem Heidefriedhof in Dresden stehen die Worte: „Wieviele starben: Wer kennt die Zahl? An Deinen Wunden sieht man die Qual der Namenlosen, die hier verbrannt im Höllenfeuer aus Menschenhand“ (2).

„Militärische Logik oder blanker Terror?“

Den Luftangriff auf Dresden beleuchtete der Schriftsteller und Historiker Frederick Taylor aus britischer Sicht erstmals kritisch. In seinem Buch „Dresden, Dienstag, 13. Februar 1945. Militärische Logik oder blanker Terror?“ analysiert er die Strategie des gezielten Terrors gegen die Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit dem Kriegsverlauf, mit den Luftangriffen der Deutschen und mit der Aufweichung moralischer Grundsätze. Im Klappentext des Buches heißt es:

Der Angriff britischer und amerikanischer Luftverbände auf Dresden am 13. Februar 1945 gehört zu den Traumata der an Gräueln reichen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Das Bombeninferno von Dresden, dem etwa 35.000 Zivilisten zum Opfer fielen, ist — wie Guernica oder Coventry – zum Synonym geworden für den totalen Krieg, der Opfer unter der Zivilbevölkerung nicht nur in Kauf nimmt, sondern strategisch einsetzt. Bis heute gehört die Zerstörung dieser Stadt zu den brisanten Themen im Verhältnis von Deutschen und Briten.

In der Flut von – beiderseits emotional aufgeladenen – Veröffentlichungen zur Frage der Schuld und Kriegsverbrechen kommt dem Buch von Frederick Taylor besondere Bedeutung zu. Erstmals werden von britischer Seite Zweifel und kritische Stimmen laut, wo lange Zeit Kriegshelden wie ‚Bomber‘ Harris geradezu glorifiziert wurden. Der Historiker stellt Dresden in den Rahmen europäischer Kultur- und Kriegsgeschichte und legt dar, wie mit gezielten Vernichtungsattacken auf Städte wie Dresden moralische Grenzen der Kriegsführung ausgelotet und überschritten wurden (3).

Gedenkfeiern mit Botschaft für Frieden und Versöhnung

Unter dem Motto „Geteilte Geschichte – gemeinsame Zukunft“ verfasste die Landeshauptstadt Dresden einen „Gemeinsamen Aufruf zum 13. Februar 2019“. Darin lud der Oberbürgermeister zum gemeinsamen kraftvollen Handeln am 13. Februar 2019 ein. Wörtlich schrieb er: Aus Anlass der Luftangriffe auf Dresden vom 13. bis 15. Februar 1945 erinnern wir an die Opfer der Zerstörung unserer Stadt ebenso wie an die Verbrechen von Nationalsozialismus und Krieg. Nur wer sich die Vergangenheit kritisch aneignet und sich mit diesem Wissen den Herausforderungen der Gegenwart stellt, kann die Zukunft verantwortungsvoll meistern. (…) Wir unterstützen alle Initiativen und Organisationen unserer Stadt, die sich auch über diesen Tag hinaus engagieren: im Erinnern an das Geschehene, im Engagement für Frieden, Demokratie und Menschenrechte, im friedlichen Widerstand gegen jede Form von Gewalt (4).

Von den Gedenkfeiern in Dresden geht immer eine Botschaft für Frieden und Versöhnung aus. Trotz der Schrecken haben viele Dresdner die Vorgeschichte des Angriffs nicht vergessen: Hitler-Deutschland hatte bereits britische Städte wie London, Birmingham und Coventry aus der Luft angegriffen.

„Abschiedsworte zum Untergang Dresdens 1945“

Die Abschiedsworte Gerhart Hauptmanns „Wer das Weinen verlernt hat“, der den Untergang Dresdens „unter den Sodom- und Gomorra-Höllen der feindlichen Flugzeuge“ persönlich erlebte, wurden am 29. März 1945 im Rundfunk das erste Mal verlesen und damit veröffentlicht. Sie sind ein ergreifendes Zeitdokument:

Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens. (5)


Fußnoten:

(1) http://schutz-brett.org/3/de/allcategories-de-de/12-deutsche-beitraege/aktuell/689-abschiedsworte-zum-untergang-dresdens.html
(2) https://www.wallstreet-online.de/diskussion/500-beitraege/820975-1-500/am-13-und-14-februar-1945-wurde-dresden-zum-flammeninferno
(3) https://www.buecher.de/shop/buecher/dresden-dienstag-13-februar-1945/taylor-frederick/products_products/detail/prod_id/13186447/
(4) https://13februar.dresden.de/de/aufruf.php
(5) http://schutz-brett.org/3/de/allcategories-de-de/12-deutsche-beitraege/aktuell/689-abschiedsworte-zum-untergang-dresdens.html


Dr. Rudolf Hänsel ist Erziehungswissenschaftler und Diplom-Psychologe.





Siehe auch:

Der Mythos vom guten Krieg: Die USA im Zweiten Weltkrieg
Warum wurde am 13. und 14. Februar 1945 Dresden zerstört?
Von Jacques R. Pauwels / LUFTPOST
NRhZ 696 vom 13.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25720

Online-Flyer Nr. 696  vom 13.03.2019

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