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Wirtschaft und Umwelt
Wer ist HUAWEI eigentlich?
Die größte Kooperative der Welt
Von Georges Hallermayer
Nein, ökonomische Daten sollen hier nicht breitgetreten werden. Die lassen sich bei Wiki oder woanders einfach finden. Aber dass Huawei eine Genossenschaft ist, ist hierzulande kaum bekannt. So wenig, wie zum Beispiel die französische Kooperative ScopTi, die mit der Teemarke „1336“ ums Überleben kämpft, nachdem die Belegschaft in 1336 Tagen Betriebsbesetzung die „Lipton Tea“-Fabrik in Südfrankreich dem Chemie- und Lebensmittel-Giganten Unilever für einen Euro abgetrotzt hatte.
Die website „Faire vivre le pcf“ hat sich am 1. September die Mühe gemacht und das Organigramm des Unternehmens aus dem chinesischen übersetzt, der Verständlichkeit halber ins Deutsche - übersetzt in der Terminologie des Aktienrechts. Huawei ist die größte Kooperative der Welt in der Form einer Aktiengesellschaft - allerdings eine, mit der niemand spekulieren kann, denn die Mitarbeiter-Aktien werden nicht an der Börse gehandelt. Huawei gehört zu 100 Prozent seinen Mitarbeitern. Über die Huawei Investment & Holding Co. Ltd. wird das Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm realisiert: 96.768 Beschäftigte von insgesamt 170.000 sind die Aktionäre, keine außerbetriebliche Organisation oder staatliche Institution besitzt Aktien von Huawei.
Dass die Beschäftigten von Huawei hochmotiviert sind, muss nicht eigens betont werden. Genossenschaftsanteile bekommen Mitarbeiter erst nach einigen Jahren bei entsprechender Leistung, Ausländer sind nicht ausgeschlossen, wie die österreichische Kronenzeitung am 24. Februar berichtete. Dass sie auch relativ hochbezahlt sind, darf unterstellt werden. Den Immobilienboom der letzten Jahre haben auch die jungen Leute mitverursacht, die sich schon mit 35 Jahren eine Eigentumswohnung kaufen wollen - und die dafür schaffen wie die Berserker: „996-System“ wird die beim IT-Riesen Alibaba und e-Commerz-Plattform JD eingeführte „Arbeitskultur“ genannt, von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends an 6 Tagen der Woche arbeiten. Jack Ma erntete im April einen Shitstorm im Internet, als er das System als vorbildhaft darstellte, abgesehen davon, dass es chinesischem Arbeitsrecht widerspricht.
Die von der westlichen Presse behauptete Abhängigkeit vom Staat stützt sich darauf, dass einer der Gründer von Huawei Offizier war. Die im Rahmen der Terrorismus-Bekämpfung gesetzlich bestimmte Kooperation wird als Spionage verunglimpft, wogegen sich auch der Österreich-Chef von Huawei Pan Yao in der Kronenzeitung am 24. Februar wehrte: „Wir würden eher zusperren…“ Oft genug wiederholt, wirkt auch die dümmlichste Aussage wahr – wie schon Goebbels wusste. Fehlt noch der Vorwurf der kommunistischen Unterwanderung - nach Jean-Francois Dufour in seinem Buch „China Corp. 2025: Dans les coulisses du capitalisme à la chinoise » (Editions maxima, Paris 2019) ist in zwei Drittel der privaten Unternehmen – auch bei Huawei eine Betriebsgruppe der Chinesischen Kommunistischen Partei aktiv.
Huawei hat sich ein solides und für seine Größe effizientes Management-System gegeben. Es muss frustrierend für den Stab im Weißen Haus gewesen sein, dass die Verhaftung der Finanz-Chefin nur propagandistisch ausgeschlachtet werden konnte, aber keine negativen Auswirkungen aufs operative Geschäft von Huawei hatte – dank auch eines effektiven Rotationssystems der Entscheider, was in kapitalistischen Unternehmen kaum vorstellbar ist.
Denn die Organisationsstruktur unterscheidet sich in mehreren Punkten von kapitalistischen Gesellschaften: Die Mitarbeiter-Aktionäre wählen 115 Vertreter in eine Delegiertenversammlung, eine ständige Kommission, keine repräsentative Wahl-Show. Diese Kommission ist das oberste Entscheidungsgremium. Sie entscheidet über wichtige Unternehmensangelegenheiten wie Gewinnbeteiligung, Kapitalerhöhungen (d.h. weitere Mitarbeiterbeteiligungen) und die Wahl von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats. Den Vorsitz der Delegierten-Kommission hat der Vorsitzende des Aufsichtsrats, nicht der Vorstandsvorsitzende.
Der Aufsichtsrat ist ein Organ, das nicht wie in kapitalistischen Aktiengesellschaften von Finanzinstitutionen wie Banken und Hedgefonds beherrscht wird und mit prächtigen Sitzungsgeldern ausgestattet ist. Die Delegierten-Kommission wählt den Vorsitzenden des Aufsichtsrates und 16 weitere Mitglieder. Dieses Gremium wählt wiederum vier Vizepräsidenten und drei Geschäftsführer. Die Vizepräsidenten üben ihre Tätigkeit abwechselnd der Reihe nach aus. Der rotierende Vorstandsvorsitzende leitet während seiner Amtszeit den Aufsichtsrat und den Vorstand.
Der Aufsichtsrat übt die Entscheidungsgewalt über die Unternehmensstrategie und die operative Führung aus. Er ist das oberste Organ, das für die Unternehmensstrategie, das Betriebsmanagement und die Kundenzufriedenheit verantwortlich ist.
Natürlich ist das Unternehmen darauf ausgerichtet, technologisch führend zu sein und profitabel zu wirtschaften. Bloß im Unterschied zu kapitalistischen Gesellschaften ist die Kooperative im Rahmen der gesamtgesellschaftlich geplanten Wirtschaft tätig. So gibt es zwar eine Gratifikation, aber der Gewinn wird, um nur einen wesentlichen Unterschied zu nennen, nicht zu zwei Drittel an Oligarchen ausgeschüttet (wie 2018 mit über 62,4 Prozent die französischen CAC-40 Unternehmen), sondern zum Großteil reinvestiert und davon ein beträchtlicher Teil zur Entwicklung ländlicher Regionen in China verwandt, um die dortige Armut zu bekämpfen. Nach dem Plan der chinesischen Regierung sollte diese bis Ende nächsten Jahres eliminiert sein.
Verfasst am 4. September 2019
Online-Flyer Nr. 718 vom 11.09.2019
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Wirtschaft und Umwelt
Wer ist HUAWEI eigentlich?
Die größte Kooperative der Welt
Von Georges Hallermayer
Nein, ökonomische Daten sollen hier nicht breitgetreten werden. Die lassen sich bei Wiki oder woanders einfach finden. Aber dass Huawei eine Genossenschaft ist, ist hierzulande kaum bekannt. So wenig, wie zum Beispiel die französische Kooperative ScopTi, die mit der Teemarke „1336“ ums Überleben kämpft, nachdem die Belegschaft in 1336 Tagen Betriebsbesetzung die „Lipton Tea“-Fabrik in Südfrankreich dem Chemie- und Lebensmittel-Giganten Unilever für einen Euro abgetrotzt hatte.
Die website „Faire vivre le pcf“ hat sich am 1. September die Mühe gemacht und das Organigramm des Unternehmens aus dem chinesischen übersetzt, der Verständlichkeit halber ins Deutsche - übersetzt in der Terminologie des Aktienrechts. Huawei ist die größte Kooperative der Welt in der Form einer Aktiengesellschaft - allerdings eine, mit der niemand spekulieren kann, denn die Mitarbeiter-Aktien werden nicht an der Börse gehandelt. Huawei gehört zu 100 Prozent seinen Mitarbeitern. Über die Huawei Investment & Holding Co. Ltd. wird das Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm realisiert: 96.768 Beschäftigte von insgesamt 170.000 sind die Aktionäre, keine außerbetriebliche Organisation oder staatliche Institution besitzt Aktien von Huawei.
Dass die Beschäftigten von Huawei hochmotiviert sind, muss nicht eigens betont werden. Genossenschaftsanteile bekommen Mitarbeiter erst nach einigen Jahren bei entsprechender Leistung, Ausländer sind nicht ausgeschlossen, wie die österreichische Kronenzeitung am 24. Februar berichtete. Dass sie auch relativ hochbezahlt sind, darf unterstellt werden. Den Immobilienboom der letzten Jahre haben auch die jungen Leute mitverursacht, die sich schon mit 35 Jahren eine Eigentumswohnung kaufen wollen - und die dafür schaffen wie die Berserker: „996-System“ wird die beim IT-Riesen Alibaba und e-Commerz-Plattform JD eingeführte „Arbeitskultur“ genannt, von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends an 6 Tagen der Woche arbeiten. Jack Ma erntete im April einen Shitstorm im Internet, als er das System als vorbildhaft darstellte, abgesehen davon, dass es chinesischem Arbeitsrecht widerspricht.
Die von der westlichen Presse behauptete Abhängigkeit vom Staat stützt sich darauf, dass einer der Gründer von Huawei Offizier war. Die im Rahmen der Terrorismus-Bekämpfung gesetzlich bestimmte Kooperation wird als Spionage verunglimpft, wogegen sich auch der Österreich-Chef von Huawei Pan Yao in der Kronenzeitung am 24. Februar wehrte: „Wir würden eher zusperren…“ Oft genug wiederholt, wirkt auch die dümmlichste Aussage wahr – wie schon Goebbels wusste. Fehlt noch der Vorwurf der kommunistischen Unterwanderung - nach Jean-Francois Dufour in seinem Buch „China Corp. 2025: Dans les coulisses du capitalisme à la chinoise » (Editions maxima, Paris 2019) ist in zwei Drittel der privaten Unternehmen – auch bei Huawei eine Betriebsgruppe der Chinesischen Kommunistischen Partei aktiv.
Huawei hat sich ein solides und für seine Größe effizientes Management-System gegeben. Es muss frustrierend für den Stab im Weißen Haus gewesen sein, dass die Verhaftung der Finanz-Chefin nur propagandistisch ausgeschlachtet werden konnte, aber keine negativen Auswirkungen aufs operative Geschäft von Huawei hatte – dank auch eines effektiven Rotationssystems der Entscheider, was in kapitalistischen Unternehmen kaum vorstellbar ist.
Denn die Organisationsstruktur unterscheidet sich in mehreren Punkten von kapitalistischen Gesellschaften: Die Mitarbeiter-Aktionäre wählen 115 Vertreter in eine Delegiertenversammlung, eine ständige Kommission, keine repräsentative Wahl-Show. Diese Kommission ist das oberste Entscheidungsgremium. Sie entscheidet über wichtige Unternehmensangelegenheiten wie Gewinnbeteiligung, Kapitalerhöhungen (d.h. weitere Mitarbeiterbeteiligungen) und die Wahl von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats. Den Vorsitz der Delegierten-Kommission hat der Vorsitzende des Aufsichtsrats, nicht der Vorstandsvorsitzende.
Der Aufsichtsrat ist ein Organ, das nicht wie in kapitalistischen Aktiengesellschaften von Finanzinstitutionen wie Banken und Hedgefonds beherrscht wird und mit prächtigen Sitzungsgeldern ausgestattet ist. Die Delegierten-Kommission wählt den Vorsitzenden des Aufsichtsrates und 16 weitere Mitglieder. Dieses Gremium wählt wiederum vier Vizepräsidenten und drei Geschäftsführer. Die Vizepräsidenten üben ihre Tätigkeit abwechselnd der Reihe nach aus. Der rotierende Vorstandsvorsitzende leitet während seiner Amtszeit den Aufsichtsrat und den Vorstand.
Der Aufsichtsrat übt die Entscheidungsgewalt über die Unternehmensstrategie und die operative Führung aus. Er ist das oberste Organ, das für die Unternehmensstrategie, das Betriebsmanagement und die Kundenzufriedenheit verantwortlich ist.
Natürlich ist das Unternehmen darauf ausgerichtet, technologisch führend zu sein und profitabel zu wirtschaften. Bloß im Unterschied zu kapitalistischen Gesellschaften ist die Kooperative im Rahmen der gesamtgesellschaftlich geplanten Wirtschaft tätig. So gibt es zwar eine Gratifikation, aber der Gewinn wird, um nur einen wesentlichen Unterschied zu nennen, nicht zu zwei Drittel an Oligarchen ausgeschüttet (wie 2018 mit über 62,4 Prozent die französischen CAC-40 Unternehmen), sondern zum Großteil reinvestiert und davon ein beträchtlicher Teil zur Entwicklung ländlicher Regionen in China verwandt, um die dortige Armut zu bekämpfen. Nach dem Plan der chinesischen Regierung sollte diese bis Ende nächsten Jahres eliminiert sein.
Verfasst am 4. September 2019
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