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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Netanjahus Rezept: Aufwiegelung, Angstmacherei und Ablenkungsmanöver
Von Evelyn Hecht-Galinski
Tausende Menschen haben im "jüdischen Staat" gegen die Korruption unter dem Netanjahu-Regime demonstriert, gegen seinen Umgang mit der Corona Pandemie und die polizeiliche Willkür. Diese Willkür hat den Demonstranten – jüdischen Israelis – einen kleinen Hauch der Gewalt vermittelt, denen Palästinenser täglich in weitaus schlimmerer Form ausgesetzt sind. Bezeichnend ist, dass diese in ihrer Wut vereinten Demonstranten nicht gegen die illegale Besatzung Palästinas oder die Völkerrechtsverbrechen ihres Regimes protestiert haben. Das interessiert sie nicht. Das Leid der palästinensischen Menschen ist für sie weiterhin kein Thema. Und das ist das Schlimmste daran.
Das Netanjahu-Regime von „Feinden umzingelt“
Solange die Besatzungspolitik nicht zum zentralen Thema der jüdisch-israelischen Gesellschaft wird, solange sind diese Demonstrationen ohne nachhaltigen Wert. Vereint gegen Netanjahu zu sein, ist ein guter Grund, aber nicht ausreichend. Täglich versucht das Regime, obsessiv Angriffe gegen Syrien und andere "Feinde" durchzuführen. Und von Feinden fühlt es sich ja „umzingelt“, es gleicht einer Paranoia, wie es das Netanjahu-Regime versteht.
Nach der Ermordung eines Hisbollah-Kämpfers, mehreren mutmaßlichen israelischen Luftangriffen in Syrien in der vergangenen Woche, kochten die Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah über, nachdem Kämpfe an der israelisch-libanesischen Grenze ausgebrochen waren.
Man kann annehmen, dass solche Spannungen angesichts der politischen und ideologischen Differenzen zwischen Israel und der Hisbollah typisch sind; allerdings hätte der Zeitpunkt solcher Spannungen für Netanjahu nicht besser gewählt werden können – und das ist kein Zufall.
Ein entsetzliches Coronavirus-Versagen der Regierung
Nun hat Netanjahus Popularität im vergangenen Monat deutlich abgenommen. Ein entsetzliches Coronavirus-Versagen der Regierung, die zu katastrophalen wirtschaftlichen Folgen für den israelischen Alltag geführt hat, hat die israelische Öffentlichkeit in Wut versetzt. Israel befindet sich nun inmitten einer fast sicheren zweiten Corona-Welle, wobei die Zahl der täglich neu auftretenden Fälle ständig steigt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und die mangelnde Reaktion der Regierung haben dazu geführt, dass sich die Arbeitslosenquote innerhalb eines Monats fast verdoppelt hat.
Infolgedessen haben in den letzten Wochen landesweit Tausende von Israelis in den Städten und vor Netanjahus Wohnsitz protestiert und ihn zum Rücktritt aufgefordert hat. Die Korruptionsvorwürfe und der bevorstehende Prozess gegen ihn haben die Protestierenden ebenfalls angeheizt.
Anstiftung zu kriegerischen Nadelspitzen
Daher hat Netanjahu den ältesten Trick aus seiner Trickkiste geholt – die Anstiftung zu kriegerischen Nadelspitzen, Luftangriffen und Provokationen, Razzien, Landraub und Siedlungsbau. Er versucht alles, um an der Macht zu bleiben. Die Anstiftung gegen einen Feind – typischerweise die Hamas oder Iran – und der Einsatz von Angst und Rassismus, um zu verdeutlichen, dass er an der Macht bleiben muss.
Netanjahus der Aufwieglung und Angstmache
Netanjahus übliche Ziele der Aufwiegelung und Angstmache – Hamas, Palästinenser in den besetzten Gebieten und im Gazastreifen, sowie in letzter Zeit palästinensische Bürger Israels – haben den Köder jedoch nicht geschluckt. Im vergangenen Jahr hat Netanjahu die israelische Aggression im Gazastreifen und im Westjordanland energisch eskaliert und gegen Palästinenser aufgehetzt, um einen entscheidenden Wahlsieg zu erringen; das hat jedoch nicht so effektiv funktioniert wie in früheren Wahljahren. Als Reaktion darauf schaltete Netanjahu einen Gang höher und intensivierte die israelische Aggression in Syrien, in der Hoffnung, das israelische Volk mittels der "iranischen Bedrohung" zusammenzuhalten, in der Angst vor der „Bedrohung“. Auch das hat nicht gereicht und funktioniert. Wer weiß, was jetzt noch zu erwarten ist?
So wandte sich Netanjahu einem Feind zu, mit dem er schon lange nicht mehr gespielt hat – der Hisbollah. Der Grund, warum Israel so zögerlich war, die Hisbollah anzugreifen oder gar zu provozieren, liegt in den Lehren, die es aus seinen Invasionen und Überfällen in den Libanon in den 1980er Jahren und 2006 gezogen hat, wo das israelische Militär schwere Verluste hinnehmen musste und sein Engagement gegen die Hisbollah ins Stocken geriet.
Die Wut umlenken
Daher war Netanjahu darauf bedacht, die Hisbollah auf eine Weise zu provozieren, die nicht zu einem ausgewachsenen Konflikt führen würde. Der mutmaßliche israelische Luftangriff, der zum Tod eines Hisbollah-Kämpfers führte, spielt Netanjahu in die Hände, der den Vorfall höchstwahrscheinlich nutzen wird, um die Wut der israelischen Öffentlichkeit auf die Hisbollah umzulenken. (1)
Hoffentlich naht Netanjahus Ende!
Durch das Anzetteln eines Konflikts kann Netanjahu zwei wichtige Dinge erreichen. Erstens wird es ihm ermöglichen, den Ausnahmezustand auszurufen, was ihm weitreichende Befugnisse und Immunität vor Strafverfolgung verleiht. Netanjahu hat bereits mehrfach den Ausnahmezustand ausgerufen, um abzulenken von Korruptionsvorwürfen und Unfähigkeit. So steuert der "jüdische Staat" auf die vierten Neuwahlen innerhalb von eineinhalb Jahren. Hoffentlich naht Netanjahus Ende!
Das gleiche Netanjahu Regime, dass jetzt dem Libanon so "großherzig" Hilfe anbot, hatte noch kurz vor der Katastrophe in Beirut gegen Libanon gedroht. Sollte das libanesische Volk und seine Regierung von dem Staat, der immer damit droht, seine Infrastruktur zu zerstören, Hilfe annehmen? (2) (Von einem Staat, der die Dahiya-Doktrin, eine militärische Strategie, erfunden hat, die auf Zerstörung der zivilen Infrastruktur beruht, und die israelischen "Verteidigungssoldaten" gestattet, mit krimineller Energie Macht einzusetzen, um die Knotenpunkte wie Flughafen, Hafen, Kraftwerke Verkehrsknotenpunkte zu zerstören, und die Stützpunkte der libanesischen Armee zu legitimen Kriegszielen zu machen, wenn ein Krieg geführt wird. Erinnert sei daran, dass diese mörderische Strategie nach dem Dahiya-Viertel von Beirut benannt wurde, das 2006 von Israel dem Erdboden gleichgemacht wurde!
Alleinherrscher und Besitzer Palästinas zu sein
Der "jüdische Staat", hat schon seit Gründung bewiesen, dass er kein Staat ist, der humanitäre Hilfe leistet, sondern humanitäre Tragödien anrichtet und verbrannte Erde hinterlässt. Nein, "Gottes auserwählte Volk" bewies schon in Palästina, dass nur sie auf das Recht pochen, Alleinherrscher und Besitzer dieses Landes zu sein. Wie sie die gnadenlose Besatzungs- und Vertreibungspolitik durchsetzen, mit der Apartheidmauer, dem besetztem Gazastreifen, den vielen Gefangenen, zerstörten Häusern, ist beispiellos. Wer also nimmt ihnen in dieser Region noch geheuchelte Anteilnahme und Hilfe ab, außer den ebenfalls heuchlerischen deutschen Politikern und Medien?
Wurde dem „jüdischen Staat“ denn jemals ein Krieg „aufgezwungen“?
Noch vorigen Montag sagte der israelische Vizepremierminister und Verteidigungsminister Gantz, Israel sei bereit für einen Krieg mit dem Libanon, wenn Israel ein Krieg aufgezwungen wird. Was für eine böse Ironie – wurde dem "jüdischen Staat" denn jemals ein Krieg "aufgezwungen"? Nie war ein Krieg diesem hochgerüsteten waffenstrotzenden Atomstaat Israel aufgezwungen, sondern es waren immer Angriffskriege nach vorangegangenen wohlinszenierten Aggressionen. Hinzu kommt, dass der "jüdische Staat" schon immer ein Meister im Propagandakrieg (Hasbara) war und ist, der sogar den Gaza-Völkermord als Selbstverteidigung des „kleinen Israel“ gegen seine feindlichen Nachbarn darstellte. Dieser perfide Trick gelingt immer wieder auch dank politischer und medialer Unterstützung, und darin ist wiederum "Deutschland ein Meister". Mit "deutscher Staatsräson" oder mit Publikationen versucht man, die offensichtlichen Lügen zu untermauern und dem deutschen Michel aufzuzwingen. Außerhalb der westlichen „Werteheuchler“ jedoch weiß man es besser, wer der wahre Aggressor ist!
Für den Tempelberg Feiglin ein „Tag der Freude“
Dann kam das "Geschenk Gottes" für Moshe Feiglin, der rechtsextreme Gründer der Zehut-Partei und berüchtigter "Araber-Hasser. Er freute sich über die schreckliche Explosion im Libanon als "Tag der Freude", rechtzeitig zum Tu B`Av-Fest, dem Fest der Liebe. Er sprach das aus, was andere rechtsextreme Bürger des "jüdischen Staats" nur hofften und niemals öffentlich bekunden würden, dass Israel für die Explosion verantwortlich sei, um damit ein "Gleichgewicht des Schreckens" zu schaffen. Feiglin ging sogar so weit zu sagen, dass Israel, indem es sich weigert, dafür gerade zustehen, sich auf die "dunkle Seite der Moral stelle". Feiglin, der "Tempelberg-Extremist", darf damit isoliert dastehen, aber allein mit seiner Meinung ist er bestimmt nicht. (3)
Wer zieht Nutzen aus diesem schrecklichen Massaker?
Fragen wir uns doch einmal: Wer zieht Nutzen aus diesem schrecklichen Massaker mit derzeit 220 Toten, 110 Menschen werden noch vermisst und über 7000 Verletzten, von denen sich mehr als 120 in einem kritischen Zustand befinden? Kommt es nicht dem "jüdischen Staat" gerade zur rechten Zeit? Gab es nicht andauernd Drohungen von israelischen Politikern gegen Libanon, Iran und der ihm nahestehenden Hisbollah?
Libanon leidet bis heute an den Folgen der israelischen Streubomben
Zu diesem Unglück, das den Libanon so entsetzlich traf, kommt hinzu, dass seit dem letzten israelischen Angriff der Libanon bis heute an den Folgen der Zerstörungen, der Streubomben-Munition, leidet mit dem Elend der palästinensischen und syrischen Flüchtlinge. Ständige "Davidstern"-Drohnenflüge verletzen permanent den Luftraum und die Souveränität des Landes. Und haben nicht Sanktionen noch zusätzlich zur Finanzkrise beigetragen? Natürlich hat die libanesische Elite – die Clans – ihr übriges, dazu beigetragen. Gerade deren undurchsichtige Rolle im Verhältnis zu Saudi-Arabien oder dem israelischen Geheimdienst ist nicht zu unterschätzen.
Wenn die internationale Gemeinschaft angeführt vom französischen Präsidenten Macron eine Reform fordert, dann sollte er sich doch zuerst einmal fragen, ob nicht gerade Frankreich mit seiner neokonservativen Heuchelei, von der Mandatszeit, bis heute, viel zum Libanon-Debakel beigetragen hat. (4)(5)
Der „Auschwitzminister“ macht seinem Ruf alle Ehre
Außenminister Maas, der die Einflussnahme der Hisbollah, einer libanesischen Partei und verankert in der Bevölkerung, als "destabilisierend" bezeichnete, macht damit seinem Ruf als "Auschwitzminister" alle Ehre, der nur israelische Interessen vertritt. Deutschland hat sich bereits mit dem Hisbollah-Verbot in Deutschland, als zionistischer Vasall – und Stimme seines Herrn in Israel – bewiesen. Erinnert sei an den kläglichen Maas-Versuch, in Kumpanei mit den US-amerikanischen Umsturzplanern Venezuelas gewählten Präsidenten Maduro zu stürzen und eine US-Marionette, Guaido, einzusetzen, scheiterte kläglich. Es bleibt zu hoffen, dass es diesen externen Mächten im Libanon nicht gelingen wird.
Bis heute ist das zionistische Regime nicht zur Rechenschaft gezogen worden
Warum versucht Maas nicht stattdessen, seine zionistischen Freunde davon abzubringen, Aggressionen gegen Libanon oder Syrien anzuzetteln? Millionen von palästinensischen Flüchtlingen, die seit Jahrzehnten, dank israelischer Vertreibung und der Verweigerung ihrer Rückkehr in die Heimat im Libanon ihr trauriges Leben in schrecklichen Lagern fristen. Bis heute wurde und wird das zionistische Regime für seine Kriegsverbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern weiter tatkräftig von der so genannten „westlichen Wertegemeinschaft“ in ihren Verbrechen unterstützt. Zusätzlich kamen jetzt noch die Kriegsflüchtlinge aus Syrien in den Libanon. Wem also nützt die endgültige Schwächung des Libanon? Den westlichen Mächten und an vorderster Front dem "jüdischen Staat", der sich seinem Wunschstaat vom Nil bis an den Euphrat immer näher kommt – dank der Zerstörung der arabischen Länder. Während die "westliche Heuchler-Allianz" nur ein – für Israel – wirkliches Ziel hat, durch die "Machtübernahme"-Einflussnahme im Libanon, die Hisbollah zu entmachten, Flüchtlinge fernzuhalten und China nicht zum Zug kommen zu lassen, sowie Israels Einfluss zu stärken, indem man Mitleid heuchelt und vergiftete Hilfe anbietet.
War der Unfall ein misslungener israelischer oder US-Angriff?
War der Unfall ein misslungener israelischer oder US-Angriff? Hat sich das "Twitter-Großmaul" Trump diesmal mit der Wahrheit verplappert? Sicher wird man es nie oder nur durch Zufall herausfinden. Wenn die Untersuchungen beginnen werden, nach Streitigkeiten, ob intern oder international, werden diverse Geheimdienstmitarbeiter, von denen es im Libanon genügend gibt, sicher schon ihr Verschleierungswerk beendet haben.
Während der libanesische Präsident Aoun forderte, dass eine Untersuchung libanesisch und nicht international sein sollte, hat Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah sehr richtig das Militär aufgefordert, eine transparente Untersuchung darüber durchzuführen, wie das hochexplosive Material im Hafen zurückgelassen und gezündet wurde. Nasrallah bekräftigte glaubhaft, dass die Hisbollah weder ein Waffenlager, noch ein Raketenlager, Raketen, Bomben Gewehre, Kugeln oder Ammoniumnitrat am Hafen gelagert hatte.
Unterdessen wurde bekannt, dass die libanesische Regierung ihren Rücktritt eingereicht hat. Was sich daraus und danach ergeben wird, wird man sehen.
Felix Klein sollte sofort seinen (unnötigen!) Posten räumen!
Während also Libanon in Elend, Zerstörung und bitterer Not versinkt, operiert die Israel-Lobby in Deutschland mit dem "Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung", Felix Klein, einem Mann, der schnöde sein Amt missbraucht und sofort seinen (unnötigen!) Posten räumen sollte! Er, der mit Ablenkungsmanövern "linksliberale“ Kritiker Israels als "Antisemiten" zu verunglimpfen versucht. Dabei suggeriert er, dass man den Antisemitismus des "linksliberalen Milieus" nicht unterschätzen darf, "auch wenn Rechte ein höheres Gewaltpotential" haben. Zu Recht fordern jüdische Kritikerinnen, Intellektuelle und Wissenschaftler seinen Rücktritt. Dieser ist überfällig, fungiert er doch im Zusammenspiel mit dem Zentralrat der Juden sowie der Israel-Lobby als williger Helfer des "jüdischen Staats", ganz im Sinn des israelischen "Stichwortgebers", mit Aufwieglung, Angstmacherei und Ablenkungsmanöver nach Netanjahus Rezept in Deutschland. Hier soll ein Klima der Angst, Karrierezerstörung und Ende der Meinungsfreiheit erzeugt werden. Dem müssen wir entgegentreten!
Fußnoten:
(1) https://www.middleeastmonitor.com/20200810-the-politics-of-war-what-is-israels-endgame-in-lebanon-and-syria/
(2) https://www.middleeastmonitor.com/20200807-israel-whitewashes-its-barbarism-through-offering-help-to-lebanon/
(3) https://www.middleeastmonitor.com/20200805-ex-israel-mk-declares-lebanon-blast-as-gift-from-god/
(4) https://www.middleeastmonitor.com/20200810-france-helping-lebanon-investigate-beirut-port-blasts/
(5) https://www.middleeasteye.net/opinion/lebanon-macron-saviour-search-lost-mandate
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Online-Flyer Nr. 751 vom 12.08.2020
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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Netanjahus Rezept: Aufwiegelung, Angstmacherei und Ablenkungsmanöver
Von Evelyn Hecht-Galinski
Tausende Menschen haben im "jüdischen Staat" gegen die Korruption unter dem Netanjahu-Regime demonstriert, gegen seinen Umgang mit der Corona Pandemie und die polizeiliche Willkür. Diese Willkür hat den Demonstranten – jüdischen Israelis – einen kleinen Hauch der Gewalt vermittelt, denen Palästinenser täglich in weitaus schlimmerer Form ausgesetzt sind. Bezeichnend ist, dass diese in ihrer Wut vereinten Demonstranten nicht gegen die illegale Besatzung Palästinas oder die Völkerrechtsverbrechen ihres Regimes protestiert haben. Das interessiert sie nicht. Das Leid der palästinensischen Menschen ist für sie weiterhin kein Thema. Und das ist das Schlimmste daran.
Das Netanjahu-Regime von „Feinden umzingelt“
Solange die Besatzungspolitik nicht zum zentralen Thema der jüdisch-israelischen Gesellschaft wird, solange sind diese Demonstrationen ohne nachhaltigen Wert. Vereint gegen Netanjahu zu sein, ist ein guter Grund, aber nicht ausreichend. Täglich versucht das Regime, obsessiv Angriffe gegen Syrien und andere "Feinde" durchzuführen. Und von Feinden fühlt es sich ja „umzingelt“, es gleicht einer Paranoia, wie es das Netanjahu-Regime versteht.
Nach der Ermordung eines Hisbollah-Kämpfers, mehreren mutmaßlichen israelischen Luftangriffen in Syrien in der vergangenen Woche, kochten die Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah über, nachdem Kämpfe an der israelisch-libanesischen Grenze ausgebrochen waren.
Man kann annehmen, dass solche Spannungen angesichts der politischen und ideologischen Differenzen zwischen Israel und der Hisbollah typisch sind; allerdings hätte der Zeitpunkt solcher Spannungen für Netanjahu nicht besser gewählt werden können – und das ist kein Zufall.
Ein entsetzliches Coronavirus-Versagen der Regierung
Nun hat Netanjahus Popularität im vergangenen Monat deutlich abgenommen. Ein entsetzliches Coronavirus-Versagen der Regierung, die zu katastrophalen wirtschaftlichen Folgen für den israelischen Alltag geführt hat, hat die israelische Öffentlichkeit in Wut versetzt. Israel befindet sich nun inmitten einer fast sicheren zweiten Corona-Welle, wobei die Zahl der täglich neu auftretenden Fälle ständig steigt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und die mangelnde Reaktion der Regierung haben dazu geführt, dass sich die Arbeitslosenquote innerhalb eines Monats fast verdoppelt hat.
Infolgedessen haben in den letzten Wochen landesweit Tausende von Israelis in den Städten und vor Netanjahus Wohnsitz protestiert und ihn zum Rücktritt aufgefordert hat. Die Korruptionsvorwürfe und der bevorstehende Prozess gegen ihn haben die Protestierenden ebenfalls angeheizt.
Anstiftung zu kriegerischen Nadelspitzen
Daher hat Netanjahu den ältesten Trick aus seiner Trickkiste geholt – die Anstiftung zu kriegerischen Nadelspitzen, Luftangriffen und Provokationen, Razzien, Landraub und Siedlungsbau. Er versucht alles, um an der Macht zu bleiben. Die Anstiftung gegen einen Feind – typischerweise die Hamas oder Iran – und der Einsatz von Angst und Rassismus, um zu verdeutlichen, dass er an der Macht bleiben muss.
Netanjahus der Aufwieglung und Angstmache
Netanjahus übliche Ziele der Aufwiegelung und Angstmache – Hamas, Palästinenser in den besetzten Gebieten und im Gazastreifen, sowie in letzter Zeit palästinensische Bürger Israels – haben den Köder jedoch nicht geschluckt. Im vergangenen Jahr hat Netanjahu die israelische Aggression im Gazastreifen und im Westjordanland energisch eskaliert und gegen Palästinenser aufgehetzt, um einen entscheidenden Wahlsieg zu erringen; das hat jedoch nicht so effektiv funktioniert wie in früheren Wahljahren. Als Reaktion darauf schaltete Netanjahu einen Gang höher und intensivierte die israelische Aggression in Syrien, in der Hoffnung, das israelische Volk mittels der "iranischen Bedrohung" zusammenzuhalten, in der Angst vor der „Bedrohung“. Auch das hat nicht gereicht und funktioniert. Wer weiß, was jetzt noch zu erwarten ist?
So wandte sich Netanjahu einem Feind zu, mit dem er schon lange nicht mehr gespielt hat – der Hisbollah. Der Grund, warum Israel so zögerlich war, die Hisbollah anzugreifen oder gar zu provozieren, liegt in den Lehren, die es aus seinen Invasionen und Überfällen in den Libanon in den 1980er Jahren und 2006 gezogen hat, wo das israelische Militär schwere Verluste hinnehmen musste und sein Engagement gegen die Hisbollah ins Stocken geriet.
Die Wut umlenken
Daher war Netanjahu darauf bedacht, die Hisbollah auf eine Weise zu provozieren, die nicht zu einem ausgewachsenen Konflikt führen würde. Der mutmaßliche israelische Luftangriff, der zum Tod eines Hisbollah-Kämpfers führte, spielt Netanjahu in die Hände, der den Vorfall höchstwahrscheinlich nutzen wird, um die Wut der israelischen Öffentlichkeit auf die Hisbollah umzulenken. (1)
Hoffentlich naht Netanjahus Ende!
Durch das Anzetteln eines Konflikts kann Netanjahu zwei wichtige Dinge erreichen. Erstens wird es ihm ermöglichen, den Ausnahmezustand auszurufen, was ihm weitreichende Befugnisse und Immunität vor Strafverfolgung verleiht. Netanjahu hat bereits mehrfach den Ausnahmezustand ausgerufen, um abzulenken von Korruptionsvorwürfen und Unfähigkeit. So steuert der "jüdische Staat" auf die vierten Neuwahlen innerhalb von eineinhalb Jahren. Hoffentlich naht Netanjahus Ende!
Das gleiche Netanjahu Regime, dass jetzt dem Libanon so "großherzig" Hilfe anbot, hatte noch kurz vor der Katastrophe in Beirut gegen Libanon gedroht. Sollte das libanesische Volk und seine Regierung von dem Staat, der immer damit droht, seine Infrastruktur zu zerstören, Hilfe annehmen? (2) (Von einem Staat, der die Dahiya-Doktrin, eine militärische Strategie, erfunden hat, die auf Zerstörung der zivilen Infrastruktur beruht, und die israelischen "Verteidigungssoldaten" gestattet, mit krimineller Energie Macht einzusetzen, um die Knotenpunkte wie Flughafen, Hafen, Kraftwerke Verkehrsknotenpunkte zu zerstören, und die Stützpunkte der libanesischen Armee zu legitimen Kriegszielen zu machen, wenn ein Krieg geführt wird. Erinnert sei daran, dass diese mörderische Strategie nach dem Dahiya-Viertel von Beirut benannt wurde, das 2006 von Israel dem Erdboden gleichgemacht wurde!
Alleinherrscher und Besitzer Palästinas zu sein
Der "jüdische Staat", hat schon seit Gründung bewiesen, dass er kein Staat ist, der humanitäre Hilfe leistet, sondern humanitäre Tragödien anrichtet und verbrannte Erde hinterlässt. Nein, "Gottes auserwählte Volk" bewies schon in Palästina, dass nur sie auf das Recht pochen, Alleinherrscher und Besitzer dieses Landes zu sein. Wie sie die gnadenlose Besatzungs- und Vertreibungspolitik durchsetzen, mit der Apartheidmauer, dem besetztem Gazastreifen, den vielen Gefangenen, zerstörten Häusern, ist beispiellos. Wer also nimmt ihnen in dieser Region noch geheuchelte Anteilnahme und Hilfe ab, außer den ebenfalls heuchlerischen deutschen Politikern und Medien?
Wurde dem „jüdischen Staat“ denn jemals ein Krieg „aufgezwungen“?
Noch vorigen Montag sagte der israelische Vizepremierminister und Verteidigungsminister Gantz, Israel sei bereit für einen Krieg mit dem Libanon, wenn Israel ein Krieg aufgezwungen wird. Was für eine böse Ironie – wurde dem "jüdischen Staat" denn jemals ein Krieg "aufgezwungen"? Nie war ein Krieg diesem hochgerüsteten waffenstrotzenden Atomstaat Israel aufgezwungen, sondern es waren immer Angriffskriege nach vorangegangenen wohlinszenierten Aggressionen. Hinzu kommt, dass der "jüdische Staat" schon immer ein Meister im Propagandakrieg (Hasbara) war und ist, der sogar den Gaza-Völkermord als Selbstverteidigung des „kleinen Israel“ gegen seine feindlichen Nachbarn darstellte. Dieser perfide Trick gelingt immer wieder auch dank politischer und medialer Unterstützung, und darin ist wiederum "Deutschland ein Meister". Mit "deutscher Staatsräson" oder mit Publikationen versucht man, die offensichtlichen Lügen zu untermauern und dem deutschen Michel aufzuzwingen. Außerhalb der westlichen „Werteheuchler“ jedoch weiß man es besser, wer der wahre Aggressor ist!
Für den Tempelberg Feiglin ein „Tag der Freude“
Dann kam das "Geschenk Gottes" für Moshe Feiglin, der rechtsextreme Gründer der Zehut-Partei und berüchtigter "Araber-Hasser. Er freute sich über die schreckliche Explosion im Libanon als "Tag der Freude", rechtzeitig zum Tu B`Av-Fest, dem Fest der Liebe. Er sprach das aus, was andere rechtsextreme Bürger des "jüdischen Staats" nur hofften und niemals öffentlich bekunden würden, dass Israel für die Explosion verantwortlich sei, um damit ein "Gleichgewicht des Schreckens" zu schaffen. Feiglin ging sogar so weit zu sagen, dass Israel, indem es sich weigert, dafür gerade zustehen, sich auf die "dunkle Seite der Moral stelle". Feiglin, der "Tempelberg-Extremist", darf damit isoliert dastehen, aber allein mit seiner Meinung ist er bestimmt nicht. (3)
Wer zieht Nutzen aus diesem schrecklichen Massaker?
Fragen wir uns doch einmal: Wer zieht Nutzen aus diesem schrecklichen Massaker mit derzeit 220 Toten, 110 Menschen werden noch vermisst und über 7000 Verletzten, von denen sich mehr als 120 in einem kritischen Zustand befinden? Kommt es nicht dem "jüdischen Staat" gerade zur rechten Zeit? Gab es nicht andauernd Drohungen von israelischen Politikern gegen Libanon, Iran und der ihm nahestehenden Hisbollah?
Libanon leidet bis heute an den Folgen der israelischen Streubomben
Zu diesem Unglück, das den Libanon so entsetzlich traf, kommt hinzu, dass seit dem letzten israelischen Angriff der Libanon bis heute an den Folgen der Zerstörungen, der Streubomben-Munition, leidet mit dem Elend der palästinensischen und syrischen Flüchtlinge. Ständige "Davidstern"-Drohnenflüge verletzen permanent den Luftraum und die Souveränität des Landes. Und haben nicht Sanktionen noch zusätzlich zur Finanzkrise beigetragen? Natürlich hat die libanesische Elite – die Clans – ihr übriges, dazu beigetragen. Gerade deren undurchsichtige Rolle im Verhältnis zu Saudi-Arabien oder dem israelischen Geheimdienst ist nicht zu unterschätzen.
Wenn die internationale Gemeinschaft angeführt vom französischen Präsidenten Macron eine Reform fordert, dann sollte er sich doch zuerst einmal fragen, ob nicht gerade Frankreich mit seiner neokonservativen Heuchelei, von der Mandatszeit, bis heute, viel zum Libanon-Debakel beigetragen hat. (4)(5)
Der „Auschwitzminister“ macht seinem Ruf alle Ehre
Außenminister Maas, der die Einflussnahme der Hisbollah, einer libanesischen Partei und verankert in der Bevölkerung, als "destabilisierend" bezeichnete, macht damit seinem Ruf als "Auschwitzminister" alle Ehre, der nur israelische Interessen vertritt. Deutschland hat sich bereits mit dem Hisbollah-Verbot in Deutschland, als zionistischer Vasall – und Stimme seines Herrn in Israel – bewiesen. Erinnert sei an den kläglichen Maas-Versuch, in Kumpanei mit den US-amerikanischen Umsturzplanern Venezuelas gewählten Präsidenten Maduro zu stürzen und eine US-Marionette, Guaido, einzusetzen, scheiterte kläglich. Es bleibt zu hoffen, dass es diesen externen Mächten im Libanon nicht gelingen wird.
Bis heute ist das zionistische Regime nicht zur Rechenschaft gezogen worden
Warum versucht Maas nicht stattdessen, seine zionistischen Freunde davon abzubringen, Aggressionen gegen Libanon oder Syrien anzuzetteln? Millionen von palästinensischen Flüchtlingen, die seit Jahrzehnten, dank israelischer Vertreibung und der Verweigerung ihrer Rückkehr in die Heimat im Libanon ihr trauriges Leben in schrecklichen Lagern fristen. Bis heute wurde und wird das zionistische Regime für seine Kriegsverbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern weiter tatkräftig von der so genannten „westlichen Wertegemeinschaft“ in ihren Verbrechen unterstützt. Zusätzlich kamen jetzt noch die Kriegsflüchtlinge aus Syrien in den Libanon. Wem also nützt die endgültige Schwächung des Libanon? Den westlichen Mächten und an vorderster Front dem "jüdischen Staat", der sich seinem Wunschstaat vom Nil bis an den Euphrat immer näher kommt – dank der Zerstörung der arabischen Länder. Während die "westliche Heuchler-Allianz" nur ein – für Israel – wirkliches Ziel hat, durch die "Machtübernahme"-Einflussnahme im Libanon, die Hisbollah zu entmachten, Flüchtlinge fernzuhalten und China nicht zum Zug kommen zu lassen, sowie Israels Einfluss zu stärken, indem man Mitleid heuchelt und vergiftete Hilfe anbietet.
War der Unfall ein misslungener israelischer oder US-Angriff?
War der Unfall ein misslungener israelischer oder US-Angriff? Hat sich das "Twitter-Großmaul" Trump diesmal mit der Wahrheit verplappert? Sicher wird man es nie oder nur durch Zufall herausfinden. Wenn die Untersuchungen beginnen werden, nach Streitigkeiten, ob intern oder international, werden diverse Geheimdienstmitarbeiter, von denen es im Libanon genügend gibt, sicher schon ihr Verschleierungswerk beendet haben.
Während der libanesische Präsident Aoun forderte, dass eine Untersuchung libanesisch und nicht international sein sollte, hat Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah sehr richtig das Militär aufgefordert, eine transparente Untersuchung darüber durchzuführen, wie das hochexplosive Material im Hafen zurückgelassen und gezündet wurde. Nasrallah bekräftigte glaubhaft, dass die Hisbollah weder ein Waffenlager, noch ein Raketenlager, Raketen, Bomben Gewehre, Kugeln oder Ammoniumnitrat am Hafen gelagert hatte.
Unterdessen wurde bekannt, dass die libanesische Regierung ihren Rücktritt eingereicht hat. Was sich daraus und danach ergeben wird, wird man sehen.
Felix Klein sollte sofort seinen (unnötigen!) Posten räumen!
Während also Libanon in Elend, Zerstörung und bitterer Not versinkt, operiert die Israel-Lobby in Deutschland mit dem "Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung", Felix Klein, einem Mann, der schnöde sein Amt missbraucht und sofort seinen (unnötigen!) Posten räumen sollte! Er, der mit Ablenkungsmanövern "linksliberale“ Kritiker Israels als "Antisemiten" zu verunglimpfen versucht. Dabei suggeriert er, dass man den Antisemitismus des "linksliberalen Milieus" nicht unterschätzen darf, "auch wenn Rechte ein höheres Gewaltpotential" haben. Zu Recht fordern jüdische Kritikerinnen, Intellektuelle und Wissenschaftler seinen Rücktritt. Dieser ist überfällig, fungiert er doch im Zusammenspiel mit dem Zentralrat der Juden sowie der Israel-Lobby als williger Helfer des "jüdischen Staats", ganz im Sinn des israelischen "Stichwortgebers", mit Aufwieglung, Angstmacherei und Ablenkungsmanöver nach Netanjahus Rezept in Deutschland. Hier soll ein Klima der Angst, Karrierezerstörung und Ende der Meinungsfreiheit erzeugt werden. Dem müssen wir entgegentreten!
Fußnoten:
(1) https://www.middleeastmonitor.com/20200810-the-politics-of-war-what-is-israels-endgame-in-lebanon-and-syria/
(2) https://www.middleeastmonitor.com/20200807-israel-whitewashes-its-barbarism-through-offering-help-to-lebanon/
(3) https://www.middleeastmonitor.com/20200805-ex-israel-mk-declares-lebanon-blast-as-gift-from-god/
(4) https://www.middleeastmonitor.com/20200810-france-helping-lebanon-investigate-beirut-port-blasts/
(5) https://www.middleeasteye.net/opinion/lebanon-macron-saviour-search-lost-mandate
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Online-Flyer Nr. 751 vom 12.08.2020
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