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Literatur
Eine Reise nach Schweden
Raus aus der Maske
Von Artur Rümmler
Fred und Mira wollen unbedingt nach Schweden. Doch müssen sie einen Umweg machen. Es lockt der Süden Mallorcas, das mollig warme Meerwasser, der weite Blick bis zum Horizont; das lästige Coronaspektakel im Vier-Sterne-Hotel kann man zur Not ertragen. Da schockt sie eine Meldung. Die Regierung Kataloniens will die generelle Maskenpflicht überall im Freien, bei Sonne und Hitze, bei Tag und Nacht. „Braune Stirn, weißes Kinn! Supermodel!“, kommentiert Mira lachend. „Wollt ihr den totalen Virus?“, donnert Fred. Die Reise wird storniert, die Umbuchung genehmigt, jetzt geht es nach Sizilien. Kurz vor dem Abflug, innerhalb der befohlenen Frist, will Fred online den QR-Code beschaffen, ohne den man nicht fliegen darf, und schaut sich den reichhaltigen Fragebogen an, den man ausfüllen muss. Als er liest: „Haben Sie schon einen Nasentest gemacht?“, spürt er, wie ein spitzer Gegenstand in sein Nasenloch eingeführt wird und in die Schleimhaut sticht. Zorn steigt ihm in den Kopf. „Nicht mit mir!“ Mira ist entsetzt. „Das ist Körperverletzung!“ Einen Tag vor dem Abflug wird Sizilien gecancelt, das Geld ist futsch. Jetzt wird Schweden entdeckt. Ja, raus aus der Maske, weg mit der Corona-Hysterie!
Das Land im Norden glänzt wie die rettende Insel im stinkenden Corona-Sumpf Europas. Auf Miras Gesicht tritt das Leuchten der Vorfreude, Fred packt ein Freiheitsgefühl, er schnappt sich Mira, lachend rocken beide zur Musik aus dem Radio.
Schnell wird eine Stuga gebucht, die Fahrkarte gekauft, und schon zwei Tage später rollen sie im ICE nach Norden. Doch auch eine Zugfahrt ist heute nicht mehr lustig. Im Minutentakt schnüren die Maskenspäher mit prüfendem Blick vorbei, tauchen blitzplötzlich auf wie aus dem Nichts. Fred kann gerade noch seinen dünnen, roten Lieblingsschal über die Nase ziehen. Bei Miras leichter, luftiger chinesischer Maske, kinngestützt und aus durchsichtigem Plastik, ist der Unterschied von Schein und Sein nicht so einfach zu erkennen, eine kleine Kinnbewegung schiebt das Schildchen hoch über die Nase, perfekte Maskerade. Natürlich nur für einen kurzen Moment, danach wird die anstößige Nacktheit des Gesichts wieder hergestellt. Wo Unrecht herrscht, muss man tricksen.
Mehrfach wiederholt sich das Spiel mit dem Auf und Ab. Fred denkt an die Geschichte von Hase und Igel und fühlt sich wie der schlaue Stachlige. Die Umsitzenden bekommen von dem lautlosen Wettkstreit nichts mit, sie versinken in den unendlichen Tiefen ihres Smartphones oder überlassen sich, mehr oder weniger bequem gelehnt, der Schlaf fördernden Wirkung des selbst gebrauten Kohlendioxid-Elixiers.
Irgendwann wechselt Fred die Taktik, er lässt seinen Schal fallen und lächelt.
„Haben wir Hunger?“, fragt er Mira bewusst gedehnt und mit einem gewissen Unterton.
„Wir haben Hunger und wir haben Durst“, bekräftigt Mira im Ton einer medizinischen Autorität, „bei einer so langen Fahrt im ICE ist das durchaus angeraten.“
Sie packen ihre Vorräte aus, und da diese recht vielfältig sind, wird es eine ausgiebige Speisung.
Schließlich erreichen sie Hamburg, und das Hotel funktioniert wie in Corona-Zeiten üblich. Die Dame an der Rezeption, hinter einer Glasscheibe, nimmt die persönlichen Daten mit der ernsten, strengen Körpersprache einer Polizistin entgegen und bittet Mira, ihre Maske richtig zu montieren, was die Ungehorsame aber, da sich im desinfektionsmittelbewehrten Foyer kein anderer Gast aufhält, nicht einsieht und ungerührt zum Lift strebt.
„Die arme Maus an der Rezeption hat Angst um ihren Job“, versucht Fred zu beschwichtigen, “und die Hoteliers spüren den Dolch des Staates im Rücken.“
Noch saurer reagiert Mira, als sie am anderen Morgen das Corona-Frühstück to go erhält: in der Papiertüte ein Ei, plastikartiges Toastbrot mit matschiger Pute, ein süßer Riegel, ein Päckchen Orangensaft.
Am Hauptbahnhof versorgen sie sich mit essbareren Sachen und steigen in den Zug nach Malmö, wo alles abläuft wie gewohnt. Auch die heuchlerische, werbepsychologisch organisierte Suggestivformel, die seit Monaten den Europäern im Halbstundentakt ins Ohr gehämmert wird, darf nicht fehlen, nur diesmal auf Dänisch und Englisch: “Bitte schützen Sie sich und Ihre Mitmenschen und bedecken Sie Mund und Nase!“
Doch unaufhaltsam nähert sich das rettende Ufer. Als der Zug über die lange Öresundbrücke fährt und der Blick über die herzöffnende Weite der Ostsee schweift, steigt die Spannung, und als er endlich, endlich auf schwedischem Boden rollt, reißt sich Mira die Maske vom strahlenden Gesicht, in ihren Augen sammeln sich Tränen. Fred steckt sein Tuch in die Tasche, spürt, wie eine Last von ihm abfällt und er leichter wird, irgendwie wollen seine Schultern nach oben, als würde er wachsen.
Im Bahnhof von Malmö setzt Mira den Koffer ab, breitet die Arme aus und schaut sich um wie auf einem anderen Planeten.
„Ist das nicht ein Wunder?“
Fred bestaunt fasziniert den Strom der Passagiere. Keine einzige Maske!
„Ja, unglaublich. Aber eigentlich doch nur wie bei uns im letzten Jahr. Die gute alte Zeit.“
Im Zug nordwärts, die Ostseeküste entlang, verwandelt sich nach und nach in Fred der anfängliche Zauber in das satte Gefühl einer süßen Normalität, die man ihm in Deutschland genommen hat und die ihm hier zurückgegeben wird als wertvolles Geschenk. Er betrachtet die schwedischen Fahrgäste, ihre unverdeckten Gesichter, wie sie mal ernst, mal lachend miteinander reden, gelassen dasitzen, als gäbe es keine Corona, und mit einem tiefen Atemzug trinkt er diese unbesorgte Atmosphäre in sich hinein wie einen köstlichen Nektar.
„Jetzt kann ich mir vorstellen, wie Tucholsky sich fühlte, als er in Schweden Zuflucht suchte“, sagt er nachdenklich zu Mira.
„Na ja, damals ging’s aber härter zu.“
Fred runzelt die Stirn.
„Wer weiß, was noch kommt.“
Tage später spazieren die beiden am Strand der Ostsee. Vor ihnen das Schärengebiet, Felsen, kleine Inselchen ragen aus dem Wasser, besetzt mit Möven, Schwänen und anderen Vögeln. Kaum haben sich die beiden Exilanten auf eine Bank platziert, setzt sich eine kleine Flotte von Enten in Bewegung, strebt auf der glatten Wasseroberfläche keilförmig und zielstrebig auf sie zu. Ganz ungeniert, als wären sie gute alte Bekannte von Fred und Mira oder gar mit ihnen verwandt, umringen die Schnäbler erwartungsvoll die Sitzenden, picken vergeblich, wie pro forma, im Sandboden oder lassen ein aufgenommenes Pflanzenstückchen demonstrativ wieder fallen. Eine fette Ente tritt Fred mit vollem Gewicht auf den Trekkingschuh, und er wundert sich, dass so etwas fliegen kann. Der Besuch der Einheimischen dauert nicht lange. Als klar wird, dass keine Spende zu erwarten ist, zieht man sich in gesammelter Formation kommentarlos wieder zurück und paddelt davon.
„Das war süß!“, schwärmt Mira.
Fred lässt die friedliche Atmosphäre in sich hineinfließen, spürt an der Brust den kühlen Wind, im Rücken die heiße Sonne.
„Denkst du noch an Corona?“, fragt er Mira.
„Nein, alles weg.“
„Bei mir auch.“
„Die Schweden haben’s gut“, seufzt Mira.
Fred denkt an die Einkäufe in dem Städtchen Sölvesborg. Entspannte, unbekümmerte Leute, ob in Lokal, Cafe oder Supermarkt. Mal wird der Abstand unauffällig eingehalten, meistens aber spielt er keine Rolle. Und vor allem: keine Maske! Keine Chance für das medizinisch weitgehend nutzlose Textil, das staatliche Instrument der Repression, der Angsterzeugung, der Seuchensuggestion, der Spaltung der Gesellschaft. Das Symbol der Unterwerfung, das weltweit die Gesichter eliminiert und die gesellschaftliche Atmosphäre vergiftet, wird von den Schweden abgelehnt.
„War das nicht lustig“, fragt Fred, „als wir der Verkäuferin in dem kleinen Laden von der Maskenhysterie, den Denunziationen und Bestrafungen erzählten?“
Mira lacht.
„Wie die sich vor Entsetzen gekrümmt hat! Als hätte man ihr ein Schlangennest präsentiert!“
„Für die war das ein ekelhafter Fremdkörper. Die Schweden scheinen noch etwas auf den freien Willen des Einzelnen zu geben, jeder entscheidet für sich selber, ob er eine Maske trägt oder nicht. Hier gilt die Selbstbestimmung.“
„Das klappt aber nur“, ergänzt Mira, „weil die Regierung die Maske für nutzlos hält und nicht auf Panik macht. Und die relativ vielen Toten im Frühjahr haben nichts zu tun mit der Freiwilligkeit, das hat andere Ursachen.“
Fred streckt die Arme aus, dehnt die Brust.
„Ein Land zum Aufatmen.“
„Meinst du, dass wir hier Wurzeln schlagen könnten?“, will Mira wissen.
Fred denkt nach.
„Hm, ich weiß nicht. Einerseits ist das hier ziemlich paradiesisch, andererseits kann ich mir vorstellen, dass der schwedische Alltag, so schön er ist, auf Dauer etwas spannungsarm werden könnte. Wenig Menschen in einem großen Land. Ich glaube, ich bin die Bewohnerdichte in Mitteleuropa gewohnt, die Nähe der Menschen, die Freizeitmöglichkeiten, dort ist einfach mehr los.“
„Geht mir genau so, mein Lieber. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich für den Kampf um die Grundrechte gebraucht werde. Was glaubst du, weshalb Tucholsky hier depressiv wurde!“
„Weil er unter den Zuständen in Deutschland litt und von hier aus nicht viel dagegen tun konnte.“
Mira zieht sich den Jackenkragen hoch ans Kinn.
„Es wird frisch. Komm, wir gehen rein.“
Wenige Tage später. Die Demo Ende August in Berlin platzt wie eine Bombe in die Idylle der beiden. Den ganzen Abend hängen sie am Smartphone. Hunderttausende, vielleicht sogar mehr als eine Million drängen sich in den Straßen. In Fred und Mira fängt es an zu brennen. Bei der riesigen Demo für die Grundrechte vier Wochen zuvor waren sie dabei, sind mehr als fünf Stunden durch Berlin gelaufen, zusammen mit älteren Damen in feinen Kleidern, mit Müttern oder Vätern, die ihre Kleinkinder trugen, Hinkenden und Übergewichtigen, die sich mühsam vorarbeiteten. Und eine sogenannte, fehlgeleitete Antifa schrie ihnen entgegen: Nazis raus!
In den nächsten Tagen folgt ein Video dem anderen. Die korrupten Medien des Mainstreams sind für Fred und Mira erledigt, die fairen, faktenbasierten Nachrichtenportale und Websites sind inzwischen erfreulich zahlreich. Die beiden Exilanten erleben wieder das üble Spiel von Innensenator, Polizei und Presstituierten, aber sie erkennen, auch aus der Ferne, dass die Großdemo ein super Erfolg ist.
Mit schlechten Gefühlen und etwas mutlos haben sie ihr Maskenland für ein paar Wochen verlassen, doch was in Berlin passiert, weckt in ihnen Hoffnung, baut sie wieder auf. Die flammenden Reden von mutigen Einzelpersonen, die Klagepaten, die Geldspenden, die Hoffnung auf eine Sammelklage in den USA gegen den illegalen PCR-Test stärken das politische Immunsystem der Maskenflüchtlinge.
Jetzt hat sich das Urlaubsgefühl der beiden geändert. Jeden Tag genießen sie die Zweisamkeit in der Stuga, die Idylle der Natur, die freiheitliche gesellschaftliche Atmosphäre, und sie wissen, dass es zu Hause viel zu tun gibt.
Als der Zug über die Öresundbrücke ins Maskenland Dänemark rollt und das Trommelfeuer der Maskenmahnungen beginnt, fühlen sie sich ins Mittelalter zurückversetzt. Als sie in einem anderen Hamburger Hotel am Frühstücksbüfett Gummihandschuhe tragen müssen, und am Nachbartisch ein Paar mit aufmontierter, leicht angehobener Maske ins Brötchen zu beißen versucht, spüren sie den Aberglauben, der die Menschen wie eine Seuche befallen hat.
„Wir waren in einer anderen Welt“, sagt Mira im Zug und kuschelt sich bei Fred ein, „diese Welt müssen wir in uns bewahren.“
(Geschrieben im Oktober 2020)
Online-Flyer Nr. 756 vom 04.11.2020
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Eine Reise nach Schweden
Raus aus der Maske
Von Artur Rümmler
Fred und Mira wollen unbedingt nach Schweden. Doch müssen sie einen Umweg machen. Es lockt der Süden Mallorcas, das mollig warme Meerwasser, der weite Blick bis zum Horizont; das lästige Coronaspektakel im Vier-Sterne-Hotel kann man zur Not ertragen. Da schockt sie eine Meldung. Die Regierung Kataloniens will die generelle Maskenpflicht überall im Freien, bei Sonne und Hitze, bei Tag und Nacht. „Braune Stirn, weißes Kinn! Supermodel!“, kommentiert Mira lachend. „Wollt ihr den totalen Virus?“, donnert Fred. Die Reise wird storniert, die Umbuchung genehmigt, jetzt geht es nach Sizilien. Kurz vor dem Abflug, innerhalb der befohlenen Frist, will Fred online den QR-Code beschaffen, ohne den man nicht fliegen darf, und schaut sich den reichhaltigen Fragebogen an, den man ausfüllen muss. Als er liest: „Haben Sie schon einen Nasentest gemacht?“, spürt er, wie ein spitzer Gegenstand in sein Nasenloch eingeführt wird und in die Schleimhaut sticht. Zorn steigt ihm in den Kopf. „Nicht mit mir!“ Mira ist entsetzt. „Das ist Körperverletzung!“ Einen Tag vor dem Abflug wird Sizilien gecancelt, das Geld ist futsch. Jetzt wird Schweden entdeckt. Ja, raus aus der Maske, weg mit der Corona-Hysterie!
Das Land im Norden glänzt wie die rettende Insel im stinkenden Corona-Sumpf Europas. Auf Miras Gesicht tritt das Leuchten der Vorfreude, Fred packt ein Freiheitsgefühl, er schnappt sich Mira, lachend rocken beide zur Musik aus dem Radio.
Schnell wird eine Stuga gebucht, die Fahrkarte gekauft, und schon zwei Tage später rollen sie im ICE nach Norden. Doch auch eine Zugfahrt ist heute nicht mehr lustig. Im Minutentakt schnüren die Maskenspäher mit prüfendem Blick vorbei, tauchen blitzplötzlich auf wie aus dem Nichts. Fred kann gerade noch seinen dünnen, roten Lieblingsschal über die Nase ziehen. Bei Miras leichter, luftiger chinesischer Maske, kinngestützt und aus durchsichtigem Plastik, ist der Unterschied von Schein und Sein nicht so einfach zu erkennen, eine kleine Kinnbewegung schiebt das Schildchen hoch über die Nase, perfekte Maskerade. Natürlich nur für einen kurzen Moment, danach wird die anstößige Nacktheit des Gesichts wieder hergestellt. Wo Unrecht herrscht, muss man tricksen.
Mehrfach wiederholt sich das Spiel mit dem Auf und Ab. Fred denkt an die Geschichte von Hase und Igel und fühlt sich wie der schlaue Stachlige. Die Umsitzenden bekommen von dem lautlosen Wettkstreit nichts mit, sie versinken in den unendlichen Tiefen ihres Smartphones oder überlassen sich, mehr oder weniger bequem gelehnt, der Schlaf fördernden Wirkung des selbst gebrauten Kohlendioxid-Elixiers.
Irgendwann wechselt Fred die Taktik, er lässt seinen Schal fallen und lächelt.
„Haben wir Hunger?“, fragt er Mira bewusst gedehnt und mit einem gewissen Unterton.
„Wir haben Hunger und wir haben Durst“, bekräftigt Mira im Ton einer medizinischen Autorität, „bei einer so langen Fahrt im ICE ist das durchaus angeraten.“
Sie packen ihre Vorräte aus, und da diese recht vielfältig sind, wird es eine ausgiebige Speisung.
Schließlich erreichen sie Hamburg, und das Hotel funktioniert wie in Corona-Zeiten üblich. Die Dame an der Rezeption, hinter einer Glasscheibe, nimmt die persönlichen Daten mit der ernsten, strengen Körpersprache einer Polizistin entgegen und bittet Mira, ihre Maske richtig zu montieren, was die Ungehorsame aber, da sich im desinfektionsmittelbewehrten Foyer kein anderer Gast aufhält, nicht einsieht und ungerührt zum Lift strebt.
„Die arme Maus an der Rezeption hat Angst um ihren Job“, versucht Fred zu beschwichtigen, “und die Hoteliers spüren den Dolch des Staates im Rücken.“
Noch saurer reagiert Mira, als sie am anderen Morgen das Corona-Frühstück to go erhält: in der Papiertüte ein Ei, plastikartiges Toastbrot mit matschiger Pute, ein süßer Riegel, ein Päckchen Orangensaft.
Am Hauptbahnhof versorgen sie sich mit essbareren Sachen und steigen in den Zug nach Malmö, wo alles abläuft wie gewohnt. Auch die heuchlerische, werbepsychologisch organisierte Suggestivformel, die seit Monaten den Europäern im Halbstundentakt ins Ohr gehämmert wird, darf nicht fehlen, nur diesmal auf Dänisch und Englisch: “Bitte schützen Sie sich und Ihre Mitmenschen und bedecken Sie Mund und Nase!“
Doch unaufhaltsam nähert sich das rettende Ufer. Als der Zug über die lange Öresundbrücke fährt und der Blick über die herzöffnende Weite der Ostsee schweift, steigt die Spannung, und als er endlich, endlich auf schwedischem Boden rollt, reißt sich Mira die Maske vom strahlenden Gesicht, in ihren Augen sammeln sich Tränen. Fred steckt sein Tuch in die Tasche, spürt, wie eine Last von ihm abfällt und er leichter wird, irgendwie wollen seine Schultern nach oben, als würde er wachsen.
Im Bahnhof von Malmö setzt Mira den Koffer ab, breitet die Arme aus und schaut sich um wie auf einem anderen Planeten.
„Ist das nicht ein Wunder?“
Fred bestaunt fasziniert den Strom der Passagiere. Keine einzige Maske!
„Ja, unglaublich. Aber eigentlich doch nur wie bei uns im letzten Jahr. Die gute alte Zeit.“
Im Zug nordwärts, die Ostseeküste entlang, verwandelt sich nach und nach in Fred der anfängliche Zauber in das satte Gefühl einer süßen Normalität, die man ihm in Deutschland genommen hat und die ihm hier zurückgegeben wird als wertvolles Geschenk. Er betrachtet die schwedischen Fahrgäste, ihre unverdeckten Gesichter, wie sie mal ernst, mal lachend miteinander reden, gelassen dasitzen, als gäbe es keine Corona, und mit einem tiefen Atemzug trinkt er diese unbesorgte Atmosphäre in sich hinein wie einen köstlichen Nektar.
„Jetzt kann ich mir vorstellen, wie Tucholsky sich fühlte, als er in Schweden Zuflucht suchte“, sagt er nachdenklich zu Mira.
„Na ja, damals ging’s aber härter zu.“
Fred runzelt die Stirn.
„Wer weiß, was noch kommt.“
Tage später spazieren die beiden am Strand der Ostsee. Vor ihnen das Schärengebiet, Felsen, kleine Inselchen ragen aus dem Wasser, besetzt mit Möven, Schwänen und anderen Vögeln. Kaum haben sich die beiden Exilanten auf eine Bank platziert, setzt sich eine kleine Flotte von Enten in Bewegung, strebt auf der glatten Wasseroberfläche keilförmig und zielstrebig auf sie zu. Ganz ungeniert, als wären sie gute alte Bekannte von Fred und Mira oder gar mit ihnen verwandt, umringen die Schnäbler erwartungsvoll die Sitzenden, picken vergeblich, wie pro forma, im Sandboden oder lassen ein aufgenommenes Pflanzenstückchen demonstrativ wieder fallen. Eine fette Ente tritt Fred mit vollem Gewicht auf den Trekkingschuh, und er wundert sich, dass so etwas fliegen kann. Der Besuch der Einheimischen dauert nicht lange. Als klar wird, dass keine Spende zu erwarten ist, zieht man sich in gesammelter Formation kommentarlos wieder zurück und paddelt davon.
„Das war süß!“, schwärmt Mira.
Fred lässt die friedliche Atmosphäre in sich hineinfließen, spürt an der Brust den kühlen Wind, im Rücken die heiße Sonne.
„Denkst du noch an Corona?“, fragt er Mira.
„Nein, alles weg.“
„Bei mir auch.“
„Die Schweden haben’s gut“, seufzt Mira.
Fred denkt an die Einkäufe in dem Städtchen Sölvesborg. Entspannte, unbekümmerte Leute, ob in Lokal, Cafe oder Supermarkt. Mal wird der Abstand unauffällig eingehalten, meistens aber spielt er keine Rolle. Und vor allem: keine Maske! Keine Chance für das medizinisch weitgehend nutzlose Textil, das staatliche Instrument der Repression, der Angsterzeugung, der Seuchensuggestion, der Spaltung der Gesellschaft. Das Symbol der Unterwerfung, das weltweit die Gesichter eliminiert und die gesellschaftliche Atmosphäre vergiftet, wird von den Schweden abgelehnt.
„War das nicht lustig“, fragt Fred, „als wir der Verkäuferin in dem kleinen Laden von der Maskenhysterie, den Denunziationen und Bestrafungen erzählten?“
Mira lacht.
„Wie die sich vor Entsetzen gekrümmt hat! Als hätte man ihr ein Schlangennest präsentiert!“
„Für die war das ein ekelhafter Fremdkörper. Die Schweden scheinen noch etwas auf den freien Willen des Einzelnen zu geben, jeder entscheidet für sich selber, ob er eine Maske trägt oder nicht. Hier gilt die Selbstbestimmung.“
„Das klappt aber nur“, ergänzt Mira, „weil die Regierung die Maske für nutzlos hält und nicht auf Panik macht. Und die relativ vielen Toten im Frühjahr haben nichts zu tun mit der Freiwilligkeit, das hat andere Ursachen.“
Fred streckt die Arme aus, dehnt die Brust.
„Ein Land zum Aufatmen.“
„Meinst du, dass wir hier Wurzeln schlagen könnten?“, will Mira wissen.
Fred denkt nach.
„Hm, ich weiß nicht. Einerseits ist das hier ziemlich paradiesisch, andererseits kann ich mir vorstellen, dass der schwedische Alltag, so schön er ist, auf Dauer etwas spannungsarm werden könnte. Wenig Menschen in einem großen Land. Ich glaube, ich bin die Bewohnerdichte in Mitteleuropa gewohnt, die Nähe der Menschen, die Freizeitmöglichkeiten, dort ist einfach mehr los.“
„Geht mir genau so, mein Lieber. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich für den Kampf um die Grundrechte gebraucht werde. Was glaubst du, weshalb Tucholsky hier depressiv wurde!“
„Weil er unter den Zuständen in Deutschland litt und von hier aus nicht viel dagegen tun konnte.“
Mira zieht sich den Jackenkragen hoch ans Kinn.
„Es wird frisch. Komm, wir gehen rein.“
Wenige Tage später. Die Demo Ende August in Berlin platzt wie eine Bombe in die Idylle der beiden. Den ganzen Abend hängen sie am Smartphone. Hunderttausende, vielleicht sogar mehr als eine Million drängen sich in den Straßen. In Fred und Mira fängt es an zu brennen. Bei der riesigen Demo für die Grundrechte vier Wochen zuvor waren sie dabei, sind mehr als fünf Stunden durch Berlin gelaufen, zusammen mit älteren Damen in feinen Kleidern, mit Müttern oder Vätern, die ihre Kleinkinder trugen, Hinkenden und Übergewichtigen, die sich mühsam vorarbeiteten. Und eine sogenannte, fehlgeleitete Antifa schrie ihnen entgegen: Nazis raus!
In den nächsten Tagen folgt ein Video dem anderen. Die korrupten Medien des Mainstreams sind für Fred und Mira erledigt, die fairen, faktenbasierten Nachrichtenportale und Websites sind inzwischen erfreulich zahlreich. Die beiden Exilanten erleben wieder das üble Spiel von Innensenator, Polizei und Presstituierten, aber sie erkennen, auch aus der Ferne, dass die Großdemo ein super Erfolg ist.
Mit schlechten Gefühlen und etwas mutlos haben sie ihr Maskenland für ein paar Wochen verlassen, doch was in Berlin passiert, weckt in ihnen Hoffnung, baut sie wieder auf. Die flammenden Reden von mutigen Einzelpersonen, die Klagepaten, die Geldspenden, die Hoffnung auf eine Sammelklage in den USA gegen den illegalen PCR-Test stärken das politische Immunsystem der Maskenflüchtlinge.
Jetzt hat sich das Urlaubsgefühl der beiden geändert. Jeden Tag genießen sie die Zweisamkeit in der Stuga, die Idylle der Natur, die freiheitliche gesellschaftliche Atmosphäre, und sie wissen, dass es zu Hause viel zu tun gibt.
Als der Zug über die Öresundbrücke ins Maskenland Dänemark rollt und das Trommelfeuer der Maskenmahnungen beginnt, fühlen sie sich ins Mittelalter zurückversetzt. Als sie in einem anderen Hamburger Hotel am Frühstücksbüfett Gummihandschuhe tragen müssen, und am Nachbartisch ein Paar mit aufmontierter, leicht angehobener Maske ins Brötchen zu beißen versucht, spüren sie den Aberglauben, der die Menschen wie eine Seuche befallen hat.
„Wir waren in einer anderen Welt“, sagt Mira im Zug und kuschelt sich bei Fred ein, „diese Welt müssen wir in uns bewahren.“
(Geschrieben im Oktober 2020)
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