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Inland
Der "Fall Janko Williams"
Behördenwillkür gegen Unliebsame
Janko Williams - interviewt von Andrea Drescher

Über den SEK Einsatz beim Wirtschaftsjuristen Janko Williams wegen Titelmissbrauchs wurde in der Frischen Sicht bereits am 1.3.2021 berichtet. Das, was als sehr brutale Posse begann, setzt sich behördlicherseits weiter fort. Janko Williams scheint den Behörden ein wirkliches Dorn im Auge zu sein, anders lassen sich die verschiedenen Maßnahmen gegen ihn schwer erklären. Trotzdem bleibt er aktiv, auf der Straße und in verschiedenen corona-maßnahmenkritischen Organisationen.

Warum tun Sie sich das immer noch an?

Mir ging und geht es nur um Gerechtigkeit. Ich habe zwei schwarze Halbbrüder, die mir immer wieder gesagt haben, dass man sie allein aufgrund ihrer Hautfarbe „anders“ behandeln würde, immer wieder Willkürmaßnahmen unterwerfen würde. Leider muss ich gestehen, dass ich ihnen das in der Vergangenheit nie ganz abgenommen habe. Ich glaubte an den Rechtsstaat, unterstellte ihnen eigenes Verschulden. Nach meinen Erfahrungen in den letzten Monaten weiß ich leider dass es derartige Willkür seitens der Behörden gibt. Ich erlebe sie immer wieder – in den unterschiedlichsten Facetten.

Der SEK Einsatz war ja diesbezüglich sicher ein „Highlight“ – wie ging es anschließend weiter?

Es laufen vier Verfahren wegen Titelmissbrauchs, drei in München, eines in Berlin. Dass man wegen eines Deliktes mehrfach bestraft werden kann, ist mir allerdings neu. Die erste diesbezügliche Verhandlung nach § 132a Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen, wofür man mit mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden kann, wenn man unbefugt inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt, war für Mitte September in München anberaumt. Sie wurde aber aus Krankheitsgründen verschoben.

Wie kam es denn überhaupt dazu?

Ich habe bei meiner ersten Demo – wie alle anderen – eine Warnweste mit der Aufschrift „Rechtsanwalt, Lawyer“ getragen. Wir haben uns als Ansprechpartner und Unterstützer für die Demonstranten kenntlich gemacht und haben uns alle nichts dabei gedacht. Dass das in einer Anklage wegen „Titelmissbrauchs“ münden würde, scheint mir persönlich nicht ganz verhältnismäßig. Später haben wir die Westen dann mit „Anwaltsteam“ beschriftet, um ja keine Zweifel aufkommen zu lassen, da ja auch unsere Security diese Westen teilweise trugen.

Ich wäre ja bereit eine Strafe zu zahlen, wenn ich einen Fehler gemacht habe, aber dass jetzt lt. Polizei in Berlin noch eine, sowie in München zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen mich laufen sollen, erscheint mir doch als Gesinnungsstrafrecht. Es geht dabei um „systematischen Titelmissbrauch“, den ich angeblich betriebe, da in meinem Telegram-Kanal steht: „ich vertrete Sie bei Behörden und vor Gericht“ steht. Geregelt ist der Anwaltsprozess in den § 78 bis § 78c ZPO. Vor den Amtsgerichten (außer in Ehe- und Familienstreitsachen), Arbeits- und Finanzgerichten besteht kein Anwaltszwang.

Dürfen Sie das denn als Jurist?

Ja – das darf jeder. Jeder kann einen anderen vertreten. Also auch ich. Solange ich kein Geld für meine Tätigkeit verrechne, was ich bei Aktivisten sowieso nie tun würde, darf ich Menschen bei derartigen Angelegenheiten vertreten.

Wie sieht denn die rechtliche Lage aus?

Das muss man sehr differenziert betrachten. Ich habe mal das Wichtigste zusammengeschrieben, um keinen Fehler zu machen:

Im deutschen Zivilprozessrecht ist ein Beistand eine Person, die einer Partei in der mündlichen Verhandlung beisteht, ohne Rechtsanwalt zu sein (§ 90 ZPO). Unabhängig hiervon ist gemäß § 78 ZPO in vielen Zivilprozessen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben (etwa in allen Verfahren vor dem Landgericht, dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof).

Beistände können solche Personen sein, die gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Partei als Bevollmächtigte vertreten dürfen, also im Wesentlichen Beschäftigte der Partei, volljährige Angehörige, Personen mit Befähigung zum Richteramt, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände sowie Personen, die Inkasso-Dienstleistungen erbringen.

Andere Personen können vom Gericht als Beistände zugelassen werden, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Sie können aber von dem weiteren Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig und nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen (§ 90 in Verbindung mit § 79 ZPO).

Berufsrichter dürfen vor dem Gericht, dem sie angehören, nicht als Beistände auftreten, ehrenamtliche Richter nicht vor dem Spruchkörper, dem sie angehören.

Bei der Beistandschaft des Jugendamtes im Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung und der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach §§ 1712 ff. BGB handelt es sich um einen Fall der gesetzlichen Vertretung des Kindes. Der Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen ist selbst am Verfahren beteiligt.

Rechtsbeistände dürfen aufgrund besonderer Sachkunde bestimmte außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbringen.

Jeder Zeuge ist befugt, seine Aussage vor Gericht von der Anwesenheit seines eigenen Rechtsbeistandes abhängig zu machen, auch in nichtöffentlicher Sitzung.

Im Strafrecht ist es ebenfalls geregelt. Der Zeugenbeistand nach § 68b StPO ist ein Rechtsanwalt, dem die Anwesenheit bei einer Zeugenvernehmung gestattet ist. Der Ehegatte, Lebenspartner oder gesetzliche Vertreter eines Angeklagten ist in der Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen und auf sein Verlangen zu hören (§ 149 Abs. 1 oder 2 StPO).

Auch im öffentlichen Recht gibt es Regelungen. Im Verwaltungsverfahren kann ein Beteiligter zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen (§ 14 VwVfG, § 13 SGB X, § 80 AO). Das gilt auch für die mündliche Verhandlung vor Gericht (§ 67 Abs. 7 VwGO, § 73 Abs. 7 SGG, § 62 Abs. 7 FGO).

Als Mitarbeiter meiner – früheren – Kanzlei wurden meine Leistungen natürlich verrechnet.

Aber ich habe nie persönlich Geld dafür genommen, dass ich andere unterstütze. Ich habe einfach den Eindruck, man will gegen mich etwas finden. Das sieht man ja auch bei meinem Verfahren beim OLG in Nürnberg.

Worum geht es denn da?

Der Hintergrund ist simpel. Wir haben im Februar in Erlangen einen Spaziergang gemacht, nachdem die Demo in Nürnberg verboten war, dann nach Fürth und schließlich nach Erlangen verlegt worden war. Bei diesem Spaziergang wurden wir von Polizisten erst zu Fuß und dann mit Fahrzeugen verfolgt. Wir waren rund 15-20 Menschen – und 10-15 Polizeiwannen waren hinter uns her. Sie sprangen aus den fahrenden Fahrzeugen raus und riefen „Hände hoch und an die Wand“. Wir schrien „nicht schießen, nicht schießen“. Es war eine völlig abstruse Situation. Angeblich hätten wir eine illegale Versammlung durchgeführt, was definitiv nicht stimmte. Dann wurden unsere Ausweise gefordert und ich sagte „sie sind lächerlich, sorry“, weil ich die ganze Situation, die die Polizei da ablieferte als lächerlich empfand. Damit nahm ich mein Recht auf freie Meinungsäußerung wahr, was ein Polizist, der mit dem Rücken zu mir stand und mich vorher kontrolliert hatte, aber anders auffasste. Er hatte gehört „Sie sind lächerlich, sorry“ und sah darin eine persönliche Beleidigung. Das kleine „s“ in „sie“ konnte er nicht hören. Da steht Aussage gegen Aussage. Das Ganze gibt es auch als Video, darauf hat die Polizei mich 2 Stunden lang gefilmt.

Das Urteil der Erstinstanz in Erlangen fiel mit 20 Tagessätzen a 20 Euro dementsprechend milde aus, der Staatsanwaltschaft war das aber zu freundlich. Die angebliche persönlichen Beleidigung geht in die 2. Instanz. Mal sehen, wie es da weiter geht. Die Staatsanwaltschaft forderte, weil ich angeblich Querdenker sei, ein Tagessatz von 100 a 50 Euro.

Sie haben aber noch weitere Verfahren am Laufen?

Oh ja! Zum einen läuft ein Verfahren wegen der unzulässigen Einreise nach Mecklenburg-Vorpommern, zum anderen gibt es zahllose Ordnungswidrigkeiten wegen Maskenverstoßes. Die kann ich kaum mehr zählen. Und dass, obwohl ich seit April 2020 ein Maskenattest habe, das nicht nur von verschiedenen Ärzten bestätigt, sondern im Zuge eines Verfahrens vom LKA geprüft wurde. Bei diesem Verfahren über angebliche Attest-Fälschung kam es nach § 154 Strafprozessordnung zu einer Teileinstellung – nicht mal zu einem Freispruch. Aber gut, die Behörden waren beschäftigt.

Gibt es weitere Willkürmaßnahmen?

Im November 2020 wurde ich bei einer Demonstration am Odeonsplatz in München sieben Mal in Gewahrsam genommen. Verantwortlich dafür war ein Polizei-Oberrat, der es wohl auf mich abgesehen hat. Selbst beim Verlassen der Demo kam es noch zu einer Maßnahme – auch das ist abstrus finde ich und zeigt wieder eine Facette des faschistischen Systems in dem wir leben.

Dass ich polizeilich überwacht wurde, dass ich abgehört wurde und dass ich aufgrund von Video-Fahndung mehrfach und ohne Anlass auf Autobahnen angehalten wurde, macht alles keinen Spaß. Ich bin ein Krimineller ohne jegliche Vorstrafen und werde systematisch in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.

Wie denn das?

Seit dem SEK-Einsatz am 30.1.2021 habe ich mein Equipment nicht zurückerhalten. Insgesamt 32 Geräte – darunter Telefone, Computer, Server, Fax, externe Festplatten und Ortungsgeräte in den Asservatenkammern der Polizei. Das einzige was mir zurück gegeben wurde, war das Luftgewehr aus DDR-Zeiten von 1989, wobei mich der Polizist, der dieses Gewehr untersuchte, drauf hinwies, dass auch seine Kollegen aus Bayern das erkennen hätten können. Der angebliche Verstoß gegen das Waffengesetz wurde inzwischen eingestellt. Da sämtliche Daten auf den Rechnern Krypto verschlüsselt sind, soll ich diese aber nicht mal zurückerhalten, sondern sie sollen zerstört werden. Das hat mir das LKA München so schriftlich mitgeteilt

Warum haben Sie denn alles verschlüsselt? Was haben Sie denn versteckt?

Es handelt es um Kundendaten, meine privaten Fotos sowie Informationen, die ich in den letzten Monaten über die Antifa gesammelt hatte. Aus Datenschutz-Gründen muss ich zumindest die Kundendaten verschlüsseln, damit diese nicht in falsche Hände geraten. Wie wichtig das war, sieht man ja jetzt. Ohne meine Infrastruktur kann ich aber nicht effizient arbeiten. Rufen Sie mal einen Kunden an, wenn Sie kein Telefon haben und seine Nummer nicht auswendig kennen. Aber das war fast schon das geringste Problem.

Noch schlimmer?

Oh ja. Mein privates Bankkonto wurde gekündigt, so dass ich über keinerlei Geldmittel mehr verfügen konnte. Meine Geschäftskonten blieben zwar erhalten, aber da die Zwei-Faktor-Authentifizierung den Einsatz meines – von der Polizei beschlagnahmten – Handys voraussetzt, war auch hier der Zugriff unterbunden. Ich habe mir natürlich inzwischen neue SIM-Karten und Handys organisiert und die Alten sperren lassen, aber ich habe sehr viele gute Kontakte verloren. Auf meine Social-Media-Kanäle bei Xing und LinkedIn wurde seitens der Behörden zugegriffen und die Passworte geändert, so dass ich mir auch hier meine Kontakte nicht mehr zusammensuchen konnte. Das ist natürlich mit enormen finanziellen Einbußen verbunden.

Wie ist denn Ihre wirtschaftlichen Lage jetzt im Vergleich zu früher?

In der Vergangenheit hatte ich sieben feste Kunden plus ein ansehnliches Projektgeschäft, darüber hinaus betreute ich rund 250 Mandanten der Kanzlei bei Themen wie Datenschutz, Qualitätsmanagement und IT-Sicherheit. Jetzt habe ich nur noch zwei Kunden, mein Job in der Kanzlei habe ich aus ideologischen Gründen verloren und bin finanziell am Anschlag. Meine früheren Tätigkeiten als Lehrbeauftragter für Datenschutz kann ich nicht wahrnehmen, weil mir immer noch sämtliche Unterlagen von meinem Rechner vorenthalten werden. Und last but not least: das Finanzamt droht mir mit einem Bußgeld von 25.000 Euro, da ich die Buchhaltungsunterlagen meiner Firma nicht termingerecht vorgelegt habe. Mein Steuerberater hat entsprechend reagiert.

Was kann man für Sie tun, wenn man Sie unterstützen will?

Naja, wenn Unternehmer dabei sind, die dies lesen, die dürfen mir gerne den Auftrag als Datenschutzbeauftragter oder im Bereich QM geben.

Bei unserem ersten Gespräch nach dem SEK-Einsatz waren Sie ja noch ziemlich geschockt. Wie geht es Ihnen heute?

Das Ganze hat definitiv psychische Folgen für mich. Ich habe Angst und bekomme immer wieder Panik. Wenn ich Blaulicht auf der Straße beobachte, kriege ich eine richtige Schockstarre. Sehe ich Polizisten – ob zu Fuß oder im Fahrzeug – versuche ich einen großen Bogen um sie zu machen. Ich bin viel nervöser und schreckhafter geworden, bei Geräuschen in der Wohnung unter mir, zucke ich schnell zusammen. Das Vertrauen, das ich in der Vergangenheit in die Polizei hatte, ist komplett verloren gegangen.

Die Verhandlung in München wurde verschoben. Kennen Sie schon den nächsten Termin?

Nein, leider nicht ich wäre froh wenn ich dieses Verfahren hinter mir hätte.

Dann wünsche ich Ihnen auf jeden Fall viel Glück für die Verhandlung, wann immer sie stattfinden wird. Ich hoffe, Sie haben einen Richter, der noch auf altmodische Werte wie Rechtsstaatlichkeit Wert legt.

Online-Flyer Nr. 778  vom 13.10.2021

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