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Globales
Nach dem Telefonat der Präsidenten Biden und Putin am 30. Dezember 2021
Gibt es eine Chance auf Frieden in Europa?
Von Wolfgang Effenberger
Zum Jahresende, am 30. Dezember 2021, wandte sich Paul Craig Roberts, US-amerikanischer Ökonom, Publizist und ehemaliger stellvertretender Finanzminister während der Regierung Reagan, mit dem warnenden Artikel „Das alte Jahr hat sich verabschiedet und im neuen Jahr erwartet uns der Krieg“ an die Öffentlichkeit. Am gleichen Tag führten die Präsidenten Biden und Putin ein Telefongespräch, in dessen Mittelpunkt die Umsetzung der Vereinbarung über die Aufnahme von Verhandlungen über die von Putin am 15. Dezember 2021 angestrebte Gewährung rechtsverbindlicher Sicherheitsgarantien für Russland stand. Aufschlussreich sind die anschließend vom Kreml und Weißem Haus abgegebenen Verlautbarungen. Hier sollten Sie sich selbst ein Urteil bilden.
Der Kreml: „Wladimir Putin erläuterte die grundlegenden Ansätze, die den russischen Entwürfen des Vertrags zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten von Amerika sowie des Abkommens zwischen der Russischen Föderation und den Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertragsorganisation zugrunde liegen. Er betonte, dass die Verhandlungen zu soliden rechtsverbindlichen Garantien führen müssen, die eine Osterweiterung der NATO und die Stationierung von Waffen, die Russland in unmittelbarer Nähe seiner Grenzen bedrohen, ausschließen. Wladimir Putin betonte ferner, dass die Sicherheit einer Nation nur dann gewährleistet werden kann, wenn der Grundsatz der unteilbaren Sicherheit strikt eingehalten wird. Beide Staatsoberhäupter erklärten sich bereit, einen ernsthaften und substanziellen Dialog über diese Fragen zu führen. Es wurde bestätigt, dass die Verhandlungen zunächst am 9. und 10. Januar in Genf und dann im Rahmen des Russland-NATO-Rates am 12. Januar in Brüssel stattfinden werden. Am 13. Januar sollen die Verhandlungen auch bei der OSZE stattfinden. Die Präsidenten kamen überein, diese Verhandlungen, insbesondere die bilateralen, persönlich zu überwachen, um rasch zu Ergebnissen zu gelangen. In diesem Zusammenhang betonte Joseph Biden, dass Russland und die USA gemeinsam eine besondere Verantwortung für die Sicherung der Stabilität in Europa und der ganzen Welt tragen und dass Washington nicht die Absicht hat, offensive Waffen in der Ukraine einzusetzen. Wladimir Putin antwortete ausführlich auf die von Joseph Biden erneut erwähnte Möglichkeit, im Fall einer Eskalation der Lage um die Ukraine "groß angelegte" Sanktionen zu verhängen. Er wies darauf hin, dass dies ein schwerer Fehler wäre, der de facto die Gefahr eines völligen Abbruchs der Beziehungen zwischen Russland und den USA in sich birgt.“(1)
Das Weiße Haus: „Präsident Biden forderte Russland auf, die Spannungen mit der Ukraine zu deeskalieren. Er machte deutlich, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten und Partner entschlossen reagieren werden, wenn Russland weiter in die Ukraine eindringt. Präsident Biden sprach sich auch für die Diplomatie aus, beginnend Anfang nächsten Jahres mit dem bilateralen Strategischen Stabilitätsdialog, bei der NATO durch den NATO-Russland-Rat und bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Präsident Biden wies erneut darauf hin, dass substanzielle Fortschritte in diesen Dialogen nur in einem Umfeld der Deeskalation und nicht der Eskalation möglich sind.“(2)
In Brüssel hatte zehn Tage zuvor NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg seine Weihnachts-/Neujahrsansprache gehalten: „Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, um unseren Veteranen zu danken. Insbesondere denen, die in Afghanistan gedient haben. Seit über zwanzig Jahren hat es keine von Afghanistan aus organisierten Terroranschläge mehr auf unsere Länder gegeben. Das haben wir Ihnen zu verdanken. Und ich zolle all jenen Tribut, die das höchste Opfer für unsere Freiheit gebracht haben.“
Zur Erinnerung: Am 7. Oktober 2001 – 25 Tage nach 9/11 – griffen die USA zusammen mit Großbritannien Afghanistan an – obwohl es bis heute keine Beweise für Afghanistans Mittäterschaft gibt. Und Ende Oktober 2001 ließ Warlord Raschid Dostum 3000 gefangene Taliban zu 300 in Container verfrachten und in der Wüste qualvoll sterben. Bis heute wurde dafür niemand zur Rechenschaft gezogen.
Doch zurück zu Stoltenberg: „Mit Blick auf das neue Jahr und unser Gipfeltreffen in Madrid passen wir unser Bündnis an, um einer gefährlicheren und wettbewerbsintensiveren Welt zu begegnen. Wir sind bereit, uns jeder Bedrohung und jeder Herausforderung zu stellen. Zu Lande, zur See, in der Luft, im Weltraum und im Cyberspace.“ (3)
Vierzehn Tage zuvor hatte Stoltenberg den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky in Brüssel willkommen geheißen: „Lieber Volodymyr, es ist schön, Sie wiederzusehen. Willkommen bei der NATO. Die Ukraine ist ein hoch geschätzter Partner unseres Bündnisses... Wir haben über die beträchtliche militärische Aufrüstung Russlands in der und um die Ukraine gesprochen. ...Für diese Aufrüstung gibt es keine Rechtfertigung. Sie ist eine Provokation. Sie ist destabilisierend. Und sie untergräbt die Sicherheit in Europa.“
An dieser Stelle sei an das NATO-Großmanöver Defender 21 erinnert: eine multinationale, mehrphasige Militärübung der NATO, welche im März 2021 begann und mit der Übung in Georgien im August endete. Sie umfasste mehr als 30 Gebiete in Estland, Bulgarien, Rumänien, Kosovo und anderen Ländern. Der Schwerpunkt lag um bzw. im Schwarzen Meer.
Zurück zu Stoltenberg 16. Dezember 2021: „Wir fordern Russland auf, zur Diplomatie zurückzukehren. Zur Deeskalation. Und die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren. Jede weitere Aggression gegen die Ukraine wird schwerwiegende Folgen haben. ... Seit der rechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 haben wir die größte Verstärkung unserer kollektiven Verteidigung seit einer Generation durchgeführt.“
Vor diesem Hintergrund stellte Willy Wimmer am 3. Januar 2022 fest: „Ich will ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass jede Verhandlungslösung noch möglich ist. Allerdings ist die Reihenfolge der Verhandlungen, zuerst Rus/US, dann Rus/NATO, dann OSZE nicht auf eine Lösung angelegt, da der Hühnerhaufen per se dem nicht dienen kann.“ Für Wimmer lauten die Kernfragen: Wird es gelingen, Russland zu strangulieren? Wird den USA weiter die feindliche Übernahme Russlands versagt?
In den Erklärungen des US-Präsidenten Biden erkennt Wimmer die Absicht: „Vorgehen der Ukraine auf ihrem Staatsgebiet gegen Separatisten, Verteidigung von russischen Landsleuten durch russische Streitkräfte auf ukrainischem Staatsgebiet, Vormarsch der russischen Streitkräfte bis Lemberg. Es würde kein NATO-Panzer nach Kiew rollen, aber der NATO-Embargo-Krieg gegen Russland würde «nuklear» werden.“ (4)
Das Operationsbesteck für einen Krieg in Europa liegt seit dem Herbst 2014 auf dem Tisch. Nach dem vom Westen orchestrierten Putsch in Kiew Ende Februar 2014 wurde im Oktober 2014 das U.S. Army Training and Doctrine Command (TRADOC)Pamphlet 525-3-1 „Win in a Complex World: 2020-2040“ verabschiedet. Als Hauptbedrohung wird darin Russland und China genannt.
Am 4. Dezember 2014 wurde im US-Kongress die Resolution H. Res. 758 mit überwältigender Mehrheit (nur 10 Gegenstimmen) angenommen. Noch am gleichen Tag nahm die Kongresslegende Ron Paul auf seiner Homepage mit dem Artikel "Reckless Congress 'Declares War' on Russia“(5) dazu Stellung: „Heute wurde im US-Repräsentantenhaus meiner Meinung nach eines der übelsten Gesetze verabschiedet“.
Mit H. Res. 758 wurde eine Resolution vorgelegt, die, so wörtlich, "das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten mit dem Ziel der politischen und wirtschaftlichen Dominanz scharf verurteilt." (6)
Und seit Herbst 2014 wurde neben anderen Maßnahmen die Infrastruktur für eine militärische Auseinandersetzung in Osteuropa ausgebaut (dazu gehört auch die von der EU 2017 ins Leben gerufene die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) auf militärischen und infrastrukturellen Gebiet). Allein die Eisenbahnverbindungen von Rotterdam/Bremerhaven/Hamburg über Görlitz nach Kiew wurden weit über den normalen Verkehrsbedarf ausgebaut. (7)
Paul Craig Roberts sieht, wie der Titel seines Artikels bereits sagt, eine unmittelbare Kriegsgefahr. Für ihn haben die NATO-Vertreter Putins Sorge um die Sicherheit Russlands eine lange Nase gemacht. Er macht in der westlichen Welt keine Intelligenz mehr aus, da alle darum wetteifern, zu zeigen, wie hart sie gegenüber Russland sind. Roberts interpretiert Putins Aussage dahingehend, dass Russland keinen Rückzugsraum mehr hat, dass Russland das Ausmaß seiner Fähigkeit erreicht hat, einen Krieg zu vermeiden. „Wir haben einfach keinen Rückzugsraum“ bedeutet, dass Russland alles getan hat, um einen Krieg zu vermeiden, und dass die Amerikaner nun von Russlands Türschwelle verschwinden müssen. Nach Roberts verlässt sich Putin darauf, dass Biden Bewusstsein und Verantwortung zeigt und sich für den Frieden einsetzt, indem er die legitimen Sicherheitsbedenken Russlands anerkennt. „Was aber“, so Roberts, „wenn Biden nur eine Galionsfigur ist und der militärische und sicherheitspolitische Komplex das Sagen hat, der trotz des Risikos, dass Putin nicht einlenkt, auf Profit aus ist?“ (8)
Was ist, wenn sich Washingtons Interesse darauf beschränkt, Russland im Interesse der US-Hegemonie zu destabilisieren, und wenn die Sicherheit Russlands genau das ist, was Washington zu untergraben und nicht zu respektieren beabsichtigt? „2022 könnte das Jahr sein, in dem Washingtons Macht gebrochen wird, in dem Russland die Ukraine in einem Akt der Selbstverteidigung einnimmt und China Taiwan als Demonstration dessen, wer in Asien das Sagen hat. 2022 könnte auch das Jahr sein, in dem die westliche Welt in einem Atomkrieg untergeht.“ (9)
Fußnoten:
1) http://en.kremlin.ru/events/president/news/67487
2) https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/12/30/statement-by-press-secretary-jen-psaki-on-president-bidens-phone-call-with-president-vladimir-putin-of-russia/
3) https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_190293.htm
4) Willy Wimmer: Ticken die Uhren nach Genf anders? Vom 3.Janaur 202
5) http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/december/04/reckless-congress-declares-war-on-russia/
Ronald Ernest „Ron“ Paul (*1935) ist US-amerikanischer Arzt und Politiker, Mitglied der Republikanischen Partei und war zwischen 1976 und 2013 (mit Unterbrechungen) Abgeordneter im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten. Er war bei der US-Präsidentschaftswahl 1988 Kandidat der Libertarian Party und Bewerber um die republikanische Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2008 und 2012.
6) https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758/titles
7) https://www.lr-online.de/lausitz/weisswasser/neue-verkehrsader-an-neuer-bahntrasse-wird-weitergebaut-38162246.html
8) Paul Craig Roberts: AS THE OLD YEAR CLOSES, WAR AWAITS US IN THE NEW YEAR https://www.paulcraigroberts.org/2021/12/30/as-the-old-year-closes-war-awaits-us-in-the-new-year/
9) Ebda.
Online-Flyer Nr. 784 vom 12.01.2022
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Nach dem Telefonat der Präsidenten Biden und Putin am 30. Dezember 2021
Gibt es eine Chance auf Frieden in Europa?
Von Wolfgang Effenberger
Zum Jahresende, am 30. Dezember 2021, wandte sich Paul Craig Roberts, US-amerikanischer Ökonom, Publizist und ehemaliger stellvertretender Finanzminister während der Regierung Reagan, mit dem warnenden Artikel „Das alte Jahr hat sich verabschiedet und im neuen Jahr erwartet uns der Krieg“ an die Öffentlichkeit. Am gleichen Tag führten die Präsidenten Biden und Putin ein Telefongespräch, in dessen Mittelpunkt die Umsetzung der Vereinbarung über die Aufnahme von Verhandlungen über die von Putin am 15. Dezember 2021 angestrebte Gewährung rechtsverbindlicher Sicherheitsgarantien für Russland stand. Aufschlussreich sind die anschließend vom Kreml und Weißem Haus abgegebenen Verlautbarungen. Hier sollten Sie sich selbst ein Urteil bilden.
Der Kreml: „Wladimir Putin erläuterte die grundlegenden Ansätze, die den russischen Entwürfen des Vertrags zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten von Amerika sowie des Abkommens zwischen der Russischen Föderation und den Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertragsorganisation zugrunde liegen. Er betonte, dass die Verhandlungen zu soliden rechtsverbindlichen Garantien führen müssen, die eine Osterweiterung der NATO und die Stationierung von Waffen, die Russland in unmittelbarer Nähe seiner Grenzen bedrohen, ausschließen. Wladimir Putin betonte ferner, dass die Sicherheit einer Nation nur dann gewährleistet werden kann, wenn der Grundsatz der unteilbaren Sicherheit strikt eingehalten wird. Beide Staatsoberhäupter erklärten sich bereit, einen ernsthaften und substanziellen Dialog über diese Fragen zu führen. Es wurde bestätigt, dass die Verhandlungen zunächst am 9. und 10. Januar in Genf und dann im Rahmen des Russland-NATO-Rates am 12. Januar in Brüssel stattfinden werden. Am 13. Januar sollen die Verhandlungen auch bei der OSZE stattfinden. Die Präsidenten kamen überein, diese Verhandlungen, insbesondere die bilateralen, persönlich zu überwachen, um rasch zu Ergebnissen zu gelangen. In diesem Zusammenhang betonte Joseph Biden, dass Russland und die USA gemeinsam eine besondere Verantwortung für die Sicherung der Stabilität in Europa und der ganzen Welt tragen und dass Washington nicht die Absicht hat, offensive Waffen in der Ukraine einzusetzen. Wladimir Putin antwortete ausführlich auf die von Joseph Biden erneut erwähnte Möglichkeit, im Fall einer Eskalation der Lage um die Ukraine "groß angelegte" Sanktionen zu verhängen. Er wies darauf hin, dass dies ein schwerer Fehler wäre, der de facto die Gefahr eines völligen Abbruchs der Beziehungen zwischen Russland und den USA in sich birgt.“(1)
Das Weiße Haus: „Präsident Biden forderte Russland auf, die Spannungen mit der Ukraine zu deeskalieren. Er machte deutlich, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten und Partner entschlossen reagieren werden, wenn Russland weiter in die Ukraine eindringt. Präsident Biden sprach sich auch für die Diplomatie aus, beginnend Anfang nächsten Jahres mit dem bilateralen Strategischen Stabilitätsdialog, bei der NATO durch den NATO-Russland-Rat und bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Präsident Biden wies erneut darauf hin, dass substanzielle Fortschritte in diesen Dialogen nur in einem Umfeld der Deeskalation und nicht der Eskalation möglich sind.“(2)
In Brüssel hatte zehn Tage zuvor NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg seine Weihnachts-/Neujahrsansprache gehalten: „Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, um unseren Veteranen zu danken. Insbesondere denen, die in Afghanistan gedient haben. Seit über zwanzig Jahren hat es keine von Afghanistan aus organisierten Terroranschläge mehr auf unsere Länder gegeben. Das haben wir Ihnen zu verdanken. Und ich zolle all jenen Tribut, die das höchste Opfer für unsere Freiheit gebracht haben.“
Zur Erinnerung: Am 7. Oktober 2001 – 25 Tage nach 9/11 – griffen die USA zusammen mit Großbritannien Afghanistan an – obwohl es bis heute keine Beweise für Afghanistans Mittäterschaft gibt. Und Ende Oktober 2001 ließ Warlord Raschid Dostum 3000 gefangene Taliban zu 300 in Container verfrachten und in der Wüste qualvoll sterben. Bis heute wurde dafür niemand zur Rechenschaft gezogen.
Doch zurück zu Stoltenberg: „Mit Blick auf das neue Jahr und unser Gipfeltreffen in Madrid passen wir unser Bündnis an, um einer gefährlicheren und wettbewerbsintensiveren Welt zu begegnen. Wir sind bereit, uns jeder Bedrohung und jeder Herausforderung zu stellen. Zu Lande, zur See, in der Luft, im Weltraum und im Cyberspace.“ (3)
Vierzehn Tage zuvor hatte Stoltenberg den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky in Brüssel willkommen geheißen: „Lieber Volodymyr, es ist schön, Sie wiederzusehen. Willkommen bei der NATO. Die Ukraine ist ein hoch geschätzter Partner unseres Bündnisses... Wir haben über die beträchtliche militärische Aufrüstung Russlands in der und um die Ukraine gesprochen. ...Für diese Aufrüstung gibt es keine Rechtfertigung. Sie ist eine Provokation. Sie ist destabilisierend. Und sie untergräbt die Sicherheit in Europa.“
An dieser Stelle sei an das NATO-Großmanöver Defender 21 erinnert: eine multinationale, mehrphasige Militärübung der NATO, welche im März 2021 begann und mit der Übung in Georgien im August endete. Sie umfasste mehr als 30 Gebiete in Estland, Bulgarien, Rumänien, Kosovo und anderen Ländern. Der Schwerpunkt lag um bzw. im Schwarzen Meer.
Zurück zu Stoltenberg 16. Dezember 2021: „Wir fordern Russland auf, zur Diplomatie zurückzukehren. Zur Deeskalation. Und die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren. Jede weitere Aggression gegen die Ukraine wird schwerwiegende Folgen haben. ... Seit der rechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 haben wir die größte Verstärkung unserer kollektiven Verteidigung seit einer Generation durchgeführt.“
Vor diesem Hintergrund stellte Willy Wimmer am 3. Januar 2022 fest: „Ich will ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass jede Verhandlungslösung noch möglich ist. Allerdings ist die Reihenfolge der Verhandlungen, zuerst Rus/US, dann Rus/NATO, dann OSZE nicht auf eine Lösung angelegt, da der Hühnerhaufen per se dem nicht dienen kann.“ Für Wimmer lauten die Kernfragen: Wird es gelingen, Russland zu strangulieren? Wird den USA weiter die feindliche Übernahme Russlands versagt?
In den Erklärungen des US-Präsidenten Biden erkennt Wimmer die Absicht: „Vorgehen der Ukraine auf ihrem Staatsgebiet gegen Separatisten, Verteidigung von russischen Landsleuten durch russische Streitkräfte auf ukrainischem Staatsgebiet, Vormarsch der russischen Streitkräfte bis Lemberg. Es würde kein NATO-Panzer nach Kiew rollen, aber der NATO-Embargo-Krieg gegen Russland würde «nuklear» werden.“ (4)
Das Operationsbesteck für einen Krieg in Europa liegt seit dem Herbst 2014 auf dem Tisch. Nach dem vom Westen orchestrierten Putsch in Kiew Ende Februar 2014 wurde im Oktober 2014 das U.S. Army Training and Doctrine Command (TRADOC)Pamphlet 525-3-1 „Win in a Complex World: 2020-2040“ verabschiedet. Als Hauptbedrohung wird darin Russland und China genannt.
Am 4. Dezember 2014 wurde im US-Kongress die Resolution H. Res. 758 mit überwältigender Mehrheit (nur 10 Gegenstimmen) angenommen. Noch am gleichen Tag nahm die Kongresslegende Ron Paul auf seiner Homepage mit dem Artikel "Reckless Congress 'Declares War' on Russia“(5) dazu Stellung: „Heute wurde im US-Repräsentantenhaus meiner Meinung nach eines der übelsten Gesetze verabschiedet“.
Mit H. Res. 758 wurde eine Resolution vorgelegt, die, so wörtlich, "das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten mit dem Ziel der politischen und wirtschaftlichen Dominanz scharf verurteilt." (6)
Und seit Herbst 2014 wurde neben anderen Maßnahmen die Infrastruktur für eine militärische Auseinandersetzung in Osteuropa ausgebaut (dazu gehört auch die von der EU 2017 ins Leben gerufene die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) auf militärischen und infrastrukturellen Gebiet). Allein die Eisenbahnverbindungen von Rotterdam/Bremerhaven/Hamburg über Görlitz nach Kiew wurden weit über den normalen Verkehrsbedarf ausgebaut. (7)
Paul Craig Roberts sieht, wie der Titel seines Artikels bereits sagt, eine unmittelbare Kriegsgefahr. Für ihn haben die NATO-Vertreter Putins Sorge um die Sicherheit Russlands eine lange Nase gemacht. Er macht in der westlichen Welt keine Intelligenz mehr aus, da alle darum wetteifern, zu zeigen, wie hart sie gegenüber Russland sind. Roberts interpretiert Putins Aussage dahingehend, dass Russland keinen Rückzugsraum mehr hat, dass Russland das Ausmaß seiner Fähigkeit erreicht hat, einen Krieg zu vermeiden. „Wir haben einfach keinen Rückzugsraum“ bedeutet, dass Russland alles getan hat, um einen Krieg zu vermeiden, und dass die Amerikaner nun von Russlands Türschwelle verschwinden müssen. Nach Roberts verlässt sich Putin darauf, dass Biden Bewusstsein und Verantwortung zeigt und sich für den Frieden einsetzt, indem er die legitimen Sicherheitsbedenken Russlands anerkennt. „Was aber“, so Roberts, „wenn Biden nur eine Galionsfigur ist und der militärische und sicherheitspolitische Komplex das Sagen hat, der trotz des Risikos, dass Putin nicht einlenkt, auf Profit aus ist?“ (8)
Was ist, wenn sich Washingtons Interesse darauf beschränkt, Russland im Interesse der US-Hegemonie zu destabilisieren, und wenn die Sicherheit Russlands genau das ist, was Washington zu untergraben und nicht zu respektieren beabsichtigt? „2022 könnte das Jahr sein, in dem Washingtons Macht gebrochen wird, in dem Russland die Ukraine in einem Akt der Selbstverteidigung einnimmt und China Taiwan als Demonstration dessen, wer in Asien das Sagen hat. 2022 könnte auch das Jahr sein, in dem die westliche Welt in einem Atomkrieg untergeht.“ (9)
Fußnoten:
1) http://en.kremlin.ru/events/president/news/67487
2) https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/12/30/statement-by-press-secretary-jen-psaki-on-president-bidens-phone-call-with-president-vladimir-putin-of-russia/
3) https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_190293.htm
4) Willy Wimmer: Ticken die Uhren nach Genf anders? Vom 3.Janaur 202
5) http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/december/04/reckless-congress-declares-war-on-russia/
Ronald Ernest „Ron“ Paul (*1935) ist US-amerikanischer Arzt und Politiker, Mitglied der Republikanischen Partei und war zwischen 1976 und 2013 (mit Unterbrechungen) Abgeordneter im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten. Er war bei der US-Präsidentschaftswahl 1988 Kandidat der Libertarian Party und Bewerber um die republikanische Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2008 und 2012.
6) https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758/titles
7) https://www.lr-online.de/lausitz/weisswasser/neue-verkehrsader-an-neuer-bahntrasse-wird-weitergebaut-38162246.html
8) Paul Craig Roberts: AS THE OLD YEAR CLOSES, WAR AWAITS US IN THE NEW YEAR https://www.paulcraigroberts.org/2021/12/30/as-the-old-year-closes-war-awaits-us-in-the-new-year/
9) Ebda.
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