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Krieg und Frieden
Die US-Politik läßt die Aussichten düster erscheinen
Kommt es zu einer Friedensvereinbarung im Ukraine-Konflikt?
Von Wolfgang Effenberger
Am vorletzten Oktober-Wochenende 2022 thematisierten die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und der ehemalige General Harald Kujau in ihren Video-Botschaften den Anfang April 2022 fast erreichten Friedensschluss zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine. Sahra Wagenknecht bezog sich auf die zweimonatig erscheinende US-Zeitschrift "Foreign Affairs" – Hauspostille des "Council on Foreign Relations" und somit auch eine Art Sprachrohr der US-Außenpolitiker. In der Herbstausgabe sei ein Artikel mit dem Verweis auf Quellen in der US-Administration erschienen, denen zufolge die Inhalte des damals fast erreichten Friedensschlusses gezielt torpediert wurden. Demnach hatten sich Russland und die Ukraine darauf verständigt, dass sich Russland aus allen seit dem 24. Februar 2022 eroberten Gebieten zurückzieht, die Ukraine im Gegenzug auf einen NATO-Beitritt verzichtet und dafür Sicherheitsgarantien von verschiedenen Staaten erhält. „Ja, was für eine vernünftige Lösung wäre das doch gewesen“, so Sahra Wagenknecht. Interessanterweise habe Putin in seiner Rede zur Teilmobilmachung das gleiche gesagt, was in dem Artikel von "Foreign Affairs" nachzulesen sei.
Die Vereinbarung scheiterte letztlich nicht an Russland, sondern an einer Intervention von Großbritannien, die mit Washington akkordiert war. Dazu sei der britische Premierminister Boris Johnson mit Rückendeckung der USA nach Kiew gereist, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj umzustimmen. (1) Johnsons Treffen mit Selenskyi am 9. April 2022 sei ein "Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk", sagte ein Sprecher des britischen Regierungschefs. Johnson selbst twitterte, dass Großbritannien „ein neues Paket an finanzieller und militärischer Hilfe schnürt, das unser Engagement für den Kampf seines Landes gegen den barbarischen Feldzug Russlands beweist“ (2).
Sahra Wagenknecht findet besonders Johnsons Begründung der Ablehnung eines Friedensschlusses interessant: Der britische Premierminister habe als erstes Argument angeführt, dass man mit einem Kriegsverbrecher wie Putin eben nicht verhandeln dürfe. Das zweite Argument lässt den tatsächlichen Grund für die Ablehnung schon besser erahnen: „The West is not ready for the war to end“. Der Westen – und hier können in erster Linie ja nur die USA gemeint sein – sei noch nicht bereit, den Krieg zu beenden.
Dieser Friedensschluss Anfang April hätte auf allen Seiten Zehntausenden Menschen das Leben retten und uns alle vor einer Katastrophe bewahren können, die täglich schärfere Konturen annimmt.
Ex-General Harald Kujat sieht in der Vereinbarung von Anfang April große Vorteile für die Ukraine: die russischen Streitkräfte hätten sich völlig aus den Gebieten, die sie seit dem Beginn des Kriegs im Februar erobert haben, zurückgezogen, während die Ukraine auf den Beitritt zur NATO verzichtet hätte. Das sei nach Kujat ja auch das primäre Ziel Russlands gewesen. Nun hofft der General auf eine neue Gelegenheit für einen Friedensschluss, möglicherweise Mitte November beim G-20-Gipfel in Bali. Präsident Putin hat angeboten, dort mit Präsident Biden zusammenzutreffen. Kujat hält das durchaus für eine Möglichkeit, endlich diese Eskalation zu beenden. Doch wie real ist sie?
Während Russland seit dem 15. Dezember 2021 sich um Sicherheitsgarantien seitens der USA und NATO bemüht hat, geht es in diesem Konflikt um ganz andere und weit größere Ziele. Eine gewisse Elite in den USA strebt seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit aller Gewalt eine unipolare Welt an. Eine Welt, die sich den Interessen dieser US-Elite unterzuordnen hat.
In ihrem im Sommer 2014 erschienenen Buch "Wiederkehr der Hasardeure: Schattenstrategen, Kriegstreiber, stille Profiteure 1914 und heute" schrieben Willy Wimmer und Wolfgang Effenberger in ihrem Vorwort: „Denn die gleichen Kreise, die vor 100 Jahren nationale Konflikte für ihre Interessen instrumentalisierten, sind heute wieder am Werk. Wieder wird bedenkenlos gepokert und dabei billigend die Gefahr eines Weltkriegs und damit neues unermessliches Leid in Kauf genommen“ (3). Bereits am 15. April 2014 schrieb Reagans ehemaliger Vize-Finanzminister Paul Craig Roberts: „Washington treibt die Krise in Richtung Krieg“ (Washington is pushing the crisis toward war). (4)
Im September 2014 wurde das US Langzeit-Strategiepapier TRADOC 525-3-1 "Win in a Complex World 2020-2040" (5) verabschiedet. Darin werden die US-Teilstreitkräfte aufgefordert, als erstes die von Russland und China ausgehende Bedrohung zu stoppen, als zweites jene vom Iran und Nordkorea und als drittes jene vom weltweiten Terrorismus.
Am 4. Dezember 2014 verabschiedete der US-Kongress mit 411 zu 10 Stimmen die Resolution 758, die „...das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten scharf verurteilt.“ (6)
Am Ende der langen Reihe meist unbewiesener oder zumindest fraglicher Vorwürfe folgen 22 Forderungen, die den Kongress und den Präsidenten u.a. zwingen sollen, den Abzug der russischen Truppen samt ihrer Ausrüstung von ukrainischem Territorium durchzusetzen, die Einsatzbereitschaft der US- und NATO Streitkräfte zu überprüfen und die aus der Beistandsklausel (Art. 5) erwachsene Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ernst zu nehmen. Noch am Tag der Verabschiedung der Resolution bezeichnete das Kongress-Urgestein Ron Paul im Artikel "Rücksichtsloser Kongress erklärt Russland den Krieg" diese Resolution als „...eines der übelsten Gesetze.“ (7)
Obwohl sie im Aktivierungsfall möglicherweise das Leben von Hunderten Millionen Menschen weltweit beeinflussen wird, haben die westlichen Medien diese Resolution praktisch völlig ausgeblendet.
Es folgten weitere gegen Russland gerichtete Gesetze und Dokumente:
Die stringente Außenpolitik der US-Elite mit dem Fokus auf eine unipolare Welt lässt befürchten, dass die Zielsetzungen im Operativen US-Konzept "Win in a Complex World 2020-2040" konsequent umgesetzt werden.
Deshalb erscheint es zwingend notwendig, auf die über 30 Jahre zurückliegenden Aussagen des ehemaligen US-Generalstaatsanwalts Ramsey Clark zu erinnern: Er schrieb 1991 in seinem Buch "The Fire This Time - US War Crimes in the Gulf" (Das Feuer diesmal - US-Kriegsverbrechen am Golf): "Die US-Außenpolitik ist das größte Verbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg" (19) und führt darin konkrete Verbrechen in Dutzenden von Ländern an, die von den Amerikanern seit dem Zweiten Weltkrieg bombardiert und überfallen wurden. 13 Jahre später, zurück im Irak wegen der Verbrechen eines zweiten Präsidenten Bush, erklärte Clark, dass "…die amerikanische Aggression bereits ein unermessliches Ausmaß an Elend für die Welt geschaffen habe…“; dass "…die Armen des Planeten durch die Außenpolitik der USA und ihrer reichen Verbündeten ärmer gemacht, beherrscht und ausgebeutet werden" und dass „…der Einmarsch der USA in den Irak ein Angriffskrieg war, ein Vergehen, das im Nürnberger Urteil als 'höchstes internationales Verbrechen' bezeichnet wurde“ (20).
Wie damals muss die Friedensbotschaft der USA auch im Ukraine-Konflikt mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Leider wird - wie immer - vom Krieg profitiert, auf Kosten der Menschen, die sich im Glauben an das schöne Etikett "Freedom und Democracy“ an die NATO-Interessen gebunden haben.
Anmerkungen
1) Sahra Wagenknecht weist in ihrer Botschaft darauf hin, dass der "Foreign Affairs"-Artikel vom September/Oktober ebenfalls in einem Beitrag des Qincy-Instituts nachzulesen sei.
2) https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-04/ukraine-ueberblick-johnson-geberkonferenz?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com
3) Wolfgang Effenberger/Willy Wimmer. "Wiederkehr der Hasardeure Schattenstrategen, Kriegstreiber stille Profiteure 1914 und heute". Höhr-Grenzhausen 2014, S. 18
4) Paul Craig Roberts: Washington Drives The World To War. In: International Clearing House vom 15. April 2014
5) ARMY TRAINING AND DOCTRINE COMMAND FORT EUSTIS VA unter http://oai.dtic.mil/oai/oai?verb=getRecord&metadataPrefix=html&identifier=ADA611359
6) https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758/titles
7) http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/december/04/reckless-congress-declares-war-on-russia
8) https://www.congress.gov/bill/115th-congress/senate-bill/1221
9) https://www.rand.org/pubs/research_briefs/RB10014.html
10) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074
11) Ebd.
12) https://www.congress.gov/bill/117th-congress/senate-bill/3522
13) https://www.csce.gov/international-impact/events/decolonizing-russia
14) https://zuerst.de/2022/07/15/ex-friedensnobelpreistraeger-walesa-russland-auf-weniger-als-50-millionen-einwohner-reduzieren/
15) https://www.polskieradio.pl/400/7764/Artykul/3031379
16) Ebd.
17) http://www.defenddemocracy.press/101st-airborne-deployed-to-ukraines-border-ready-to-fight-tonight/
18) https://www.theamericanconservative.com/playing-at-war-in-ukraine/
19) The Fire This Time: U.S. War Crimes in the Gulf von Ramsey Clark, 1992
Gestützt auf Beweise, die aus erster Hand gesammelt wurden, sowie auf Augenzeugenberichte, beschuldigt der ehemalige US-Generalstaatsanwalt Ramsey Clark die US-Regierung und ihre Verbündeten, während ihres Angriffs auf den Irak Kriegsverbrechen begangen zu haben. Clark legt auch Beweise dafür vor, dass die USA den Krieg provoziert haben, um eine dauerhafte Vorherrschaft über den Golf zu erlangen.
20) http://www.defenddemocracy.press/us-foreign-policy-is-the-greatest-crime-since-wwii-former-us-attorney-general-ramsey-clark/
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022).
Online-Flyer Nr. 801 vom 18.11.2022
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Krieg und Frieden
Die US-Politik läßt die Aussichten düster erscheinen
Kommt es zu einer Friedensvereinbarung im Ukraine-Konflikt?
Von Wolfgang Effenberger
Am vorletzten Oktober-Wochenende 2022 thematisierten die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und der ehemalige General Harald Kujau in ihren Video-Botschaften den Anfang April 2022 fast erreichten Friedensschluss zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine. Sahra Wagenknecht bezog sich auf die zweimonatig erscheinende US-Zeitschrift "Foreign Affairs" – Hauspostille des "Council on Foreign Relations" und somit auch eine Art Sprachrohr der US-Außenpolitiker. In der Herbstausgabe sei ein Artikel mit dem Verweis auf Quellen in der US-Administration erschienen, denen zufolge die Inhalte des damals fast erreichten Friedensschlusses gezielt torpediert wurden. Demnach hatten sich Russland und die Ukraine darauf verständigt, dass sich Russland aus allen seit dem 24. Februar 2022 eroberten Gebieten zurückzieht, die Ukraine im Gegenzug auf einen NATO-Beitritt verzichtet und dafür Sicherheitsgarantien von verschiedenen Staaten erhält. „Ja, was für eine vernünftige Lösung wäre das doch gewesen“, so Sahra Wagenknecht. Interessanterweise habe Putin in seiner Rede zur Teilmobilmachung das gleiche gesagt, was in dem Artikel von "Foreign Affairs" nachzulesen sei.
Die Vereinbarung scheiterte letztlich nicht an Russland, sondern an einer Intervention von Großbritannien, die mit Washington akkordiert war. Dazu sei der britische Premierminister Boris Johnson mit Rückendeckung der USA nach Kiew gereist, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj umzustimmen. (1) Johnsons Treffen mit Selenskyi am 9. April 2022 sei ein "Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk", sagte ein Sprecher des britischen Regierungschefs. Johnson selbst twitterte, dass Großbritannien „ein neues Paket an finanzieller und militärischer Hilfe schnürt, das unser Engagement für den Kampf seines Landes gegen den barbarischen Feldzug Russlands beweist“ (2).
Sahra Wagenknecht findet besonders Johnsons Begründung der Ablehnung eines Friedensschlusses interessant: Der britische Premierminister habe als erstes Argument angeführt, dass man mit einem Kriegsverbrecher wie Putin eben nicht verhandeln dürfe. Das zweite Argument lässt den tatsächlichen Grund für die Ablehnung schon besser erahnen: „The West is not ready for the war to end“. Der Westen – und hier können in erster Linie ja nur die USA gemeint sein – sei noch nicht bereit, den Krieg zu beenden.
Dieser Friedensschluss Anfang April hätte auf allen Seiten Zehntausenden Menschen das Leben retten und uns alle vor einer Katastrophe bewahren können, die täglich schärfere Konturen annimmt.
Ex-General Harald Kujat sieht in der Vereinbarung von Anfang April große Vorteile für die Ukraine: die russischen Streitkräfte hätten sich völlig aus den Gebieten, die sie seit dem Beginn des Kriegs im Februar erobert haben, zurückgezogen, während die Ukraine auf den Beitritt zur NATO verzichtet hätte. Das sei nach Kujat ja auch das primäre Ziel Russlands gewesen. Nun hofft der General auf eine neue Gelegenheit für einen Friedensschluss, möglicherweise Mitte November beim G-20-Gipfel in Bali. Präsident Putin hat angeboten, dort mit Präsident Biden zusammenzutreffen. Kujat hält das durchaus für eine Möglichkeit, endlich diese Eskalation zu beenden. Doch wie real ist sie?
Während Russland seit dem 15. Dezember 2021 sich um Sicherheitsgarantien seitens der USA und NATO bemüht hat, geht es in diesem Konflikt um ganz andere und weit größere Ziele. Eine gewisse Elite in den USA strebt seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit aller Gewalt eine unipolare Welt an. Eine Welt, die sich den Interessen dieser US-Elite unterzuordnen hat.
In ihrem im Sommer 2014 erschienenen Buch "Wiederkehr der Hasardeure: Schattenstrategen, Kriegstreiber, stille Profiteure 1914 und heute" schrieben Willy Wimmer und Wolfgang Effenberger in ihrem Vorwort: „Denn die gleichen Kreise, die vor 100 Jahren nationale Konflikte für ihre Interessen instrumentalisierten, sind heute wieder am Werk. Wieder wird bedenkenlos gepokert und dabei billigend die Gefahr eines Weltkriegs und damit neues unermessliches Leid in Kauf genommen“ (3). Bereits am 15. April 2014 schrieb Reagans ehemaliger Vize-Finanzminister Paul Craig Roberts: „Washington treibt die Krise in Richtung Krieg“ (Washington is pushing the crisis toward war). (4)
Im September 2014 wurde das US Langzeit-Strategiepapier TRADOC 525-3-1 "Win in a Complex World 2020-2040" (5) verabschiedet. Darin werden die US-Teilstreitkräfte aufgefordert, als erstes die von Russland und China ausgehende Bedrohung zu stoppen, als zweites jene vom Iran und Nordkorea und als drittes jene vom weltweiten Terrorismus.
Am 4. Dezember 2014 verabschiedete der US-Kongress mit 411 zu 10 Stimmen die Resolution 758, die „...das Vorgehen der russischen Föderation unter Präsident Wladimir Putin als eine Politik der Aggression gegen Nachbarstaaten scharf verurteilt.“ (6)
Am Ende der langen Reihe meist unbewiesener oder zumindest fraglicher Vorwürfe folgen 22 Forderungen, die den Kongress und den Präsidenten u.a. zwingen sollen, den Abzug der russischen Truppen samt ihrer Ausrüstung von ukrainischem Territorium durchzusetzen, die Einsatzbereitschaft der US- und NATO Streitkräfte zu überprüfen und die aus der Beistandsklausel (Art. 5) erwachsene Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung ernst zu nehmen. Noch am Tag der Verabschiedung der Resolution bezeichnete das Kongress-Urgestein Ron Paul im Artikel "Rücksichtsloser Kongress erklärt Russland den Krieg" diese Resolution als „...eines der übelsten Gesetze.“ (7)
Obwohl sie im Aktivierungsfall möglicherweise das Leben von Hunderten Millionen Menschen weltweit beeinflussen wird, haben die westlichen Medien diese Resolution praktisch völlig ausgeblendet.
Es folgten weitere gegen Russland gerichtete Gesetze und Dokumente:
- Am 24. Mai 2017 brachte US-Senator Benjamin Cardin (Demokrat) das "Gesetz zur Bekämpfung des russischen Einflusses in Europa und Eurasien" (8) ein. Dieses Gesetz ist die Grundlage vieler Sanktionen gegen Russland.
- Mitte März 2019 erschien von der RAND Corporation – ein Think Tank in den USA, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet wurde, um die Streitkräfte der USA zu beraten – ein Papier mit der Anweisung, wie Russland zerstört werden kann: "Überfordern und aus dem Gleichgewicht bringen" (Overextending and Unbalancing Russia) (9)
- Nach seiner Vereidigung als Präsident am 20. Januar 2021 versprach Joe Biden, mit Russland härter zu verfahren und entsendete strategische Bomber nach Norwegen – eine unmissverständliche Botschaft an Putin.
- Am 21. Juli 2021 unterschrieben US-Präsident Biden und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ein verbindliches Papier, überschrieben "Gemeinsame Erklärung der USA und Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele" (10). Darin unterstützen die Vereinigten Staaten und Deutschland „mit Nachdruck die Souveränität der Ukraine, deren territoriale Unversehrtheit, Unabhängigkeit und den von ihr eingeschlagenen europäischen Weg. Wir bekennen uns heute erneut dazu, gegen russische Aggression und russische destruktive Aktivitäten in der Ukraine und darüber hinaus vorzugehen“ (11) Der letzte Satz taucht in der knapp dreiseitigen Erklärung auf der ersten Seite sogar dreimal auf. Die Aufforderung der USA „Deutschland wird seine Anstrengungen innerhalb des Normandie-Formats intensivieren, um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu ermöglichen“ wurde von Deutschland jedoch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft angegangen.
- Am 15. Dezember 2021 ersuchte die Russische Föderation die USA und die NATO schriftlich um Sicherheitsgarantien. Am 30. Dezember 2021 verhandelten Biden und Putin mehrere Stunden. Es folgten auf unterer Ebene mehrere Gespräche – ohne jegliches Ergebnis. Dafür wurde am 19. Januar 2022 – also mehr als vier Wochen vor Kriegsbeginn – der "Ukrainian Democracy Defense Land-Lease Act" (12) im Kongress eingebracht und später mit 417 zu 10 Stimmen verabschiedet. Hier werden Erinnerungen an den Land-Lease Act vom Januar 1941 wach. Dieses Gesetz ermöglichte es damals den neutralen USA, 43 Zerstörer aus dem Ersten Weltkrieg – 7 kamen aus Kanada – an Großbritannien zu liefern. Das Ergebnis ist bekannt: Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg.
- Am 23. Juni 2022 erschien das US-Regierungspapier "De-Colonizing Russia - A Moral and Strategic Imperative" (13) (Russland dekolonisieren -ein moralischer und strategischer Imperativ). Am 8. Juli 2022 griff der Friedensnobelpreisträger und ehemalige polnische Präsident Lech Walesa im Interview mit dem französischen TV (LCI) die Absicht dieses Papiers auf und forderte, dass die Russische Föderation auf 50 Millionen Menschen demontiert und ein Wechsel des politischen Systems erzwungen werden müsse. Ansonsten sei ein Aufstand der Völker zu organisieren. (14)
- Der ehemalige Kommandeur der US-Truppen in Europa, der US-General Ben Hodges, forderte Anfang September 2022, dass „wir uns auf das Ende der Russischen Föderation in ihrer jetzigen Form vorbereiten müssen“. (15) Er glaubt, dass zu den Kriegszielen der USA in diesem Konflikt (Ukraine vs. Russische Föderation) auch die 'Ent-Imperialisierung' Russlands gehören sollte". (16)
- Am 23. Oktober 2022 bestätigte US-Brigadegeneral John Lubas (101. Airborne Division – erstmals seit 1945 wieder in Europa gelandet), „…dass fast 5.000 Soldaten der 101. Luftlande-Division zu den 100.000 amerikanischen Soldaten hinzugekommen sind, die bereits in Europa stationiert sind…“. Lubas bezeichnete seine Truppen als "in vollem Einsatz" und sie bereiten sich auf den Kampf gegen russische Soldaten in der Ukraine vor. „Dies ist kein Trainingseinsatz, sondern ein Kampfeinsatz für uns. Wir wissen, dass wir heute Abend kampfbereit sein müssen.“ (17) Wenn man dem furchtlosen General Glauben schenken darf, dann könnte es wenige Minuten vor Zwölf sein.
Die stringente Außenpolitik der US-Elite mit dem Fokus auf eine unipolare Welt lässt befürchten, dass die Zielsetzungen im Operativen US-Konzept "Win in a Complex World 2020-2040" konsequent umgesetzt werden.
Deshalb erscheint es zwingend notwendig, auf die über 30 Jahre zurückliegenden Aussagen des ehemaligen US-Generalstaatsanwalts Ramsey Clark zu erinnern: Er schrieb 1991 in seinem Buch "The Fire This Time - US War Crimes in the Gulf" (Das Feuer diesmal - US-Kriegsverbrechen am Golf): "Die US-Außenpolitik ist das größte Verbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg" (19) und führt darin konkrete Verbrechen in Dutzenden von Ländern an, die von den Amerikanern seit dem Zweiten Weltkrieg bombardiert und überfallen wurden. 13 Jahre später, zurück im Irak wegen der Verbrechen eines zweiten Präsidenten Bush, erklärte Clark, dass "…die amerikanische Aggression bereits ein unermessliches Ausmaß an Elend für die Welt geschaffen habe…“; dass "…die Armen des Planeten durch die Außenpolitik der USA und ihrer reichen Verbündeten ärmer gemacht, beherrscht und ausgebeutet werden" und dass „…der Einmarsch der USA in den Irak ein Angriffskrieg war, ein Vergehen, das im Nürnberger Urteil als 'höchstes internationales Verbrechen' bezeichnet wurde“ (20).
Wie damals muss die Friedensbotschaft der USA auch im Ukraine-Konflikt mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Leider wird - wie immer - vom Krieg profitiert, auf Kosten der Menschen, die sich im Glauben an das schöne Etikett "Freedom und Democracy“ an die NATO-Interessen gebunden haben.
Anmerkungen
1) Sahra Wagenknecht weist in ihrer Botschaft darauf hin, dass der "Foreign Affairs"-Artikel vom September/Oktober ebenfalls in einem Beitrag des Qincy-Instituts nachzulesen sei.
2) https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-04/ukraine-ueberblick-johnson-geberkonferenz?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com
3) Wolfgang Effenberger/Willy Wimmer. "Wiederkehr der Hasardeure Schattenstrategen, Kriegstreiber stille Profiteure 1914 und heute". Höhr-Grenzhausen 2014, S. 18
4) Paul Craig Roberts: Washington Drives The World To War. In: International Clearing House vom 15. April 2014
5) ARMY TRAINING AND DOCTRINE COMMAND FORT EUSTIS VA unter http://oai.dtic.mil/oai/oai?verb=getRecord&metadataPrefix=html&identifier=ADA611359
6) https://www.congress.gov/bill/113th-congress/house-resolution/758/titles
7) http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/december/04/reckless-congress-declares-war-on-russia
8) https://www.congress.gov/bill/115th-congress/senate-bill/1221
9) https://www.rand.org/pubs/research_briefs/RB10014.html
10) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074
11) Ebd.
12) https://www.congress.gov/bill/117th-congress/senate-bill/3522
13) https://www.csce.gov/international-impact/events/decolonizing-russia
14) https://zuerst.de/2022/07/15/ex-friedensnobelpreistraeger-walesa-russland-auf-weniger-als-50-millionen-einwohner-reduzieren/
15) https://www.polskieradio.pl/400/7764/Artykul/3031379
16) Ebd.
17) http://www.defenddemocracy.press/101st-airborne-deployed-to-ukraines-border-ready-to-fight-tonight/
18) https://www.theamericanconservative.com/playing-at-war-in-ukraine/
19) The Fire This Time: U.S. War Crimes in the Gulf von Ramsey Clark, 1992
Gestützt auf Beweise, die aus erster Hand gesammelt wurden, sowie auf Augenzeugenberichte, beschuldigt der ehemalige US-Generalstaatsanwalt Ramsey Clark die US-Regierung und ihre Verbündeten, während ihres Angriffs auf den Irak Kriegsverbrechen begangen zu haben. Clark legt auch Beweise dafür vor, dass die USA den Krieg provoziert haben, um eine dauerhafte Vorherrschaft über den Golf zu erlangen.
20) http://www.defenddemocracy.press/us-foreign-policy-is-the-greatest-crime-since-wwii-former-us-attorney-general-ramsey-clark/
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022).
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