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Krieg und Frieden
Angesichts sich zuspitzender Konflikte stehen der Rüstungsindustrie hohe Gewinne ins Haus
Händler des Todes
Von Hermann Ploppa
„Nichts fürchten die Waffenhändler mehr als den Frieden“, heißt es in dem fulminanten Antikriegsfilm „Lord of War“ mit Nicholas Cage. Sobald ein Ding zur Ware wird, unterliegt es der Logik der Profitmaximierung, und simpelste Gesetze des humanen Umgangs miteinander werden mit einer achtlosen Geste vom Tisch gewischt. Zwei Völker, die sich mit wachsender Angst voreinander und eskalierendem Hass gegenüberstehen, sind nun einmal bessere Waffenkunden als zwei friedliebende, selbstbewusste Nationen, die in gegenseitigem Respekt voreinander leben. Die derzeitige globale Situation zeigt, welch gefährliches Spiel da gespielt wird. Nicht genug, dass der Kalte Krieg wieder da ist. Es droht der ganz heiße Krieg. Das Stockholmer SIPRI-Institut liefert dazu Erkenntnisse: Mit den neuen Kriegsschauplätzen Ukraine und China droht eine ungeahnte Kostenexplosion im Rüstungssektor.
Wer hätte das gedacht. Wir befinden uns mitten im russisch-ukrainischen Krieg. Und tatsächlich wurden schon im letzten Jahr – dem letzten Jahr im „Frieden“, erstmals mehr als zwei Billionen US-Dollar weltweit für Rüstung ausgegeben. 2,113 Billionen Dollar in 2021. Aber die Kurve des Anstiegs hätte noch weiter nach oben gezeigt, wenn nicht diese ominöse Pandemie, oder zutreffender: der Umgang mit ihr, die Wirtschaft massiv abgebremst hätte, wie Lucie Béraud-Sudreau vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) feststellt:
„Ohne die fortdauernden Probleme mit den Lieferketten hätten wir im Jahre 2021 ein noch weitaus größeres Wachstum im Waffenhandel erwarten können. Sowohl große wie kleinere Rüstungsunternehmen berichten, dass ihre Verkaufszahlen (von der Pandemie) betroffen waren. Einige Unternehmen, wie zum Beispiel Airbus oder General Dynamics, berichten sogar von Arbeitskräftemangel.“
Immerhin ist SIPRI ein Institut, das überhaupt den weltweiten Waffenhandel in übersichtlichen Datenbanken zusammenfassen kann. Denn selbstverständlich lassen sich die Händler des Todes nicht gerne in die Karten schauen. Die Stockholmer Friedensforscher sammeln überall verstreute Daten, damit die Öffentlichkeit sich einen Überblick verschaffen kann über die wichtigen Entwicklungen im internationalen Waffenhandel.
In der aktuellen SIPRI-Studie (1) nehmen sich die Datensammler die einhundert größten Waffenhändler vor. Andere Berichte befassen sich mit den Rüstungsausgaben von Staaten. Mit der Entwicklung des Imports und des Exports von Waffen in einzelne Regionen der Welt (2). Es werden immer fünf Jahre zu einem Block zusammengerechnet und dann miteinander verglichen. Was hat sich in den fünf Jahren von 2017 bis 2021 gegenüber den Jahren 2012 bis 2016 verändert?
Neue Hotspots des Waffenhandels
Um es gleich vorweg zu sagen: Die regionalen Schwerpunkte haben sich massiv verschoben. Früher waren der Nahe und Mittlere Osten besondere Hotspots des Waffenhandels. Aktuell verschiebt sich der Schwerpunkt nach Europa und nach Fernost und Ozeanien — also Australien sowie die pazifische Inselwelt.
In Europa haben sich die Westmächte schon seit Jahren für den zu erwartenden Zusammenstoß mit Russland vorbereitet. Und schon seit der Präsidentschaft von Trump gilt das besondere Augenmerk jenen Ländern, die die USA als logistische Ausgangsbasen im Krieg gegen die Volksrepublik China auserwählt haben. Von dieser Entwicklung profitieren im besonderen Maße US-amerikanische und französische Rüstungskonzerne.
Besonders gute Kunden der US-Rüstungsindustrie sind derweil die Europäer geworden, die im Zeitraum von 2017 bis 2021 19 Prozent mehr Waffen aus Übersee eingekauft haben als im Jahrfünft zuvor.
Gerade so, als hätte die Politik in Europa in den letzten Jahrzehnten überhaupt keine eigene Rüstungsindustrie mit exzessiv hohen Subventionen für Airbus und Co aufgebaut, um von den USA unabhängig zu werden. Nicht nur Polen verschmäht europäisches Kriegsspielzeug und kauft lieber bei den Amerikanern ein. Dasselbe macht auch die Bundeswehr beim Ankauf von Kampfflugzeugen. Aber vor allem Großbritannien, Norwegen und die Niederlande gehen bei amerikanischen Todeshändlern fremd. Mit einem Plus von 20 Prozent kaufen zudem die ostasiatischen Anrainerstaaten Chinas wie Japan, Südkorea oder Taiwan bevorzugt Killerware aus Amerika.
Den Vogel schießt allerdings Ozeanien ab mit einem Zuwachs von 59 Prozent made in America. Australien reißt dabei die Leine mit einem Plus von 62 Prozent. Auch Saudi Arabien steigert seine Waffenimporte um 27 Prozent, um damit weiterhin den Jemen in die Hungersnot und in die Steinzeit zu bomben. Und gerade eben hat sich die westliche Wertegemeinschaft noch künstlich aufgeregt über den WM-Gastgeber Katar. Hat da auch jemand mal über den Zuwachs der katarischen Waffenkäufe um 22,7 Prozent gesprochen? Es geht auch anders, wie die benachbarten Vereinigten Emirate zeigen, wo die Waffenimporte zwischen 2012 und 2021 um 41 Prozent zurückgefahren wurden.
Der größte Profiteur
Und wer profitiert? Die USA sind der mit weitem Abstand größte Waffenexporteur. Der Verkauf konnte in den letzten fünf Jahren um 14 Prozent gesteigert werden. Der Anteil am gesamten weltweiten Waffenhandel stieg damit von 32 auf 39 Prozent. Das Wachstum ging vor allem zulasten Russlands, das im selben Jahrfünft eine Einbuße von 26 Prozent hinnehmen musste und jetzt noch 19 Prozent des Welthandels bestreitet.
Russlands treuesten Kunden Indien und Vietnam ist die Kauflust vergangen. Grund zum Lachen haben die französischen Waffenschmiede mit einem stolzen Wachstum von 59 Prozent und 11 Prozent Weltanteil. Begossen stehen die Engländer da mit einem Verlust von sage und schreibe 41 Prozent, womit das einstmals stolze Empire noch gerade mal 2,9 Prozent zum Globalhandel beisteuert. Ebenfalls pudelnass und blamiert wie unsere kunterbunten Katar-Kicker sind deutsche Rüstungslieferanten, die einstmals einen exzellenten Ruf genossen. Minus 19 Prozent! Ja, und warum haben die italienischen Ausrüster ein saftiges Plus von 16 Prozent hingelegt? Die Azzurri sind an den Teutonen lachend vorbeigezogen.
Wen wundert es da, dass die ersten fünf Rüstungskonzerne in der Weltliga der Militärlieferanten ihren Firmensitz in den Vereinigten Staaten von Amerika haben? Die dringende Warnung von US-Präsident Dwight D. Eisenhower anlässlich seiner Abschiedsrede 1961 vor dem tumorartigen Wachstum eines von ihm sogenannten „militärisch-industriellen Komplexes“ verhallte ungehört (3). Die von äußeren Bedrohungslagen losgelöste Rüstungsindustrie hat alle Bereiche der US-Gesellschaft durchdrungen. Das gesamte Bruttoinlandsprodukt der USA dient nur noch dem Zweck, dem Moloch der Rüstungsindustrie immer größere Happen zuzuführen.
Und da die USA selber als Abnehmer der landeseigenen Rüstung nicht mehr ausreichen, wird mit Gewalt die gesamte Menschheit durch die Beschwörung immer neuer Bedrohungsszenarien zum Kauf amerikanischer Waffen genötigt.
Als Bedrohung reichen da „asymmetrische“ Gegner wie Afghanistan oder Irak allerdings nicht mehr aus. Der militärische Sieg über diese instabilen Staaten war so mutig und heldenhaft wie die Verprügelung eines blinden Rollstuhlfahrers. Die Chefstrategen der USA fühlen sich mittlerweile jedoch stark genug, einen Dreifrontenkrieg gegen Russland, China und den Iran zu führen. So haben die USA aktuell in ihrem Etat 801 Milliarden Dollar für Rüstung vorgesehen. Allerdings ist das noch nicht der gesamte Betrag. Weitere Kosten sind im Heimatschutz- und im Veteranenministerium versteckt, sodass man getrost von einem Gesamtbetrag von über einer Billion Dollar der USA für Militärausgaben ausgehen kann. Das Geld fehlt natürlich an anderer Stelle. Die zunehmende Verarmung weiter Kreise der US-Bevölkerung wird achselzuckend in Kauf genommen.
Ein Mammut-Projekt nach dem nächsten
Für größenwahnsinnige Megaprojekte im Rüstungssektor ist jedoch immer genug Geld vorhanden. Traurige Berühmtheit erlangte der Tarnkappenbomber B-2 der Firma Northrop Grumman. Der Riesenvogel verfügt über eine Flügelspannweite von 52 Metern und soll unerkannt durch feindliche Radarsysteme durchschlüpfen, um dann entweder konventionelle oder nukleare Bomben im Feindesland abzuwerfen. Die Kosten für dieses Mammut-Projekt sind so sehr entgleist, dass selbst Waffenfetischisten im Washingtoner Kongress rebellisch wurden. Jedes der mittlerweile ausgelieferten Exemplare des B-2 kostet in der Anschaffung 566 Millionen Dollar.
Aber das ist nicht alles. Für jede Flugstunde des B-2 fallen 119 Stunden Wartung im speziell dafür konstruierten Hangar an. Das macht pro Flugzeug Wartungskosten von 3,4 Millionen Dollar – im Monat! Das sind im Jahr 2004 schlappe 44,75 Milliarden Dollar Wartungskosten allein für den B-2 und damit zwei Drittel des gesamten aktuellen russischen Wehretats in Höhe von 65,9 Milliarden Dollar. Zurück zum B-2: Regen mag der Riesenvogel gar nicht. Dann ist der Tarneffekt der Spezialhaut dahin, und obendrein ist das Flugzeug nur schwer zu navigieren.
Also muss was Neues her. Vor Kurzem präsentierte die US-Luftwaffe den Nachfolger des B-2, den B-21, auch von Northrop Grumman (4). Nach zwölf Jahren Entwicklung soll der B-21 nun im kommenden Jahr seinen Jungfernflug absolvieren und ab 2027 regulär in Dienst gestellt werden. Neben der rein numerischen Typenbezeichnung B-21 wurde dieser neue Darling der US-Krieger auf den Namen Raider getauft – zu Ehren und in Erinnerung an den Doolittle Raid.
Mit Doolittle Raid begannen am 2. Dezember 1942 die Bombenangriffe auf das japanische Kernland, die schließlich im August 1945 mit den Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki ihren Höhepunkt und Abschluss fanden. Jedes Exemplar des B-21 Raider soll 692 Millionen Dollar kosten. Insgesamt sollen bis zu einhundert Exemplare dieses phantastischen Tarnkappenbombers gebaut werden, mit einem Auftragsvolumen von 203 Milliarden Dollar, verteilt auf dreißig Jahre. Jeder Bauherr weiß: Am Ende werden die anfangs projektierten Kosten dann doch weit überschritten.
Wir haben also jetzt eine konkrete Anschauung, wie es zu den immensen Kostensteigerungen im Militärbereich kommt. Deswegen ist auch gut nachzuvollziehen, wenn das SIPRI-Institut in seinem aktuellen Bericht zu dem Schluss kommt, dass in den kommenden Jahrzehnten das Rüstungsgeschäft wieder rasant an Fahrt aufnehmen wird.
Der jetzige Stau durch die Lieferkettenprobleme und durch den Ukraine-Krieg wird sich auflösen. Der Nachholbedarf, kombiniert mit der Intensivierung des Krieges im Osten Europas und die systematisch aufgeblähte Eskalation an den Küsten Chinas führt zu einer Explosion des militärisch-industriellen Komplexes. Da ist ganz akut der vom Westen festgestellte Mangel an Munition für die Ukraine-Front.
Der heiße Krieg in der Ukraine ist ein Segen für die Rüstungsindustrie. In der Ukraine ist derart viel Munition sinnlos buchstäblich verballert worden, dass die Bundeswehr für ihren eigenen Bedarf angeblich nur noch Munition für zwei Tage zur Verfügung hat.
Als drittgrößter Unterstützer spendierte die Bundeswehr den Selenskyj-Truppen zu viel eigene Munition. Jetzt geißeln die Rüstungslobbyisten die Politik der letzten Jahrzehnte, die sich auf asymmetrische Kriegsführung und Regime-Change-Manöver konzentrierte und nun keine Kapazitäten mehr übrig hat, einen richtig heißen Krieg mit einem gleichwertigen Gegner zu führen. Interessierte Kreise stellen die Forderung auf, umgehend 20 Milliarden Euro bereit zu stellen, um den gigantischen Nachholbedarf an Munition möglichst rasch auszugleichen. Die in den Augen interessierter Kreise viel zu „lasche“ Scholz-Regierung will aber bis jetzt nur 1.1 Milliarden zur Verfügung stellen (5).
Fokus auf China
Wenden wir uns dem zweiten zukünftigen Kriegsschauplatz am anderen Ende des Globus zu, nämlich dem geplanten Krieg gegen die Volksrepublik China. Es überrascht in diesem Zusammenhang keineswegs, dass elitäre Kreise in den USA selber einen rasanten Niedergang der amerikanischen Gefechtsfähigkeit lautstark beklagen. Da ist zum Beispiel Frau Mackenzie Eaglen vom marktradikalen American Enterprise Institute.
Der Titel ihres Aufsatzes enthält schon die Botschaft: „Das US-Militär befindet sich im Niedergang, während China immer mächtiger wird“ (6). Die tapferen amerikanischen Bomberpiloten sitzen in Maschinen, die schon drei Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Immer mehr Kriegsschiffe werden ersatzlos verschrottet, sodass im Jahre 2037 nur noch 280 Kriegsschiffe zur Verfügung stehen. Die Mannschaften sind zu einem Viertel unterbesetzt. Das Gerät ist für eine moderne Kriegsführung zu langsam. Und die Steigerung des Wehretats fällt im Verhältnis zur Inflationsrate viel zu gering aus.
Niedergang der Qualität
Wer diesen regelmäßig zur Aushandlung des kommenden Fiskaljahres erfolgenden Kassandra-Rufen auf dem Leim geht, hat bereits verloren. Die US-Streitkräfte haben allerdings tatsächlich massive strukturelle Probleme, die kluge Insider schon seit zwei Jahrzehnten immer wieder auf den Tisch gebracht haben. Von denen aber keiner etwas hören will. Aus gutem Grund. Ein wesentlicher Grund für den Niedergang der Qualität amerikanischer Streitkräfte liegt im politischen Klientelismus begründet.
Der Kongress in Washington hat bei der Bewilligung der Rüstungsgelder ein gewichtiges Wort mitzureden. Wenn die Senatoren und Repräsentanten ein teures Projekt durchfallen lassen, könnte der Anbieter empfindliche Verluste erleiden bis hin zum Bankrott. Also wird jeder Washingtoner Abgeordnete mit einem Teil des Auftragsvolumens für seinen Wahlkreis bedacht. Das tut der Qualität des zusammengestoppelten Auftrags-Flickenteppichs nicht immer gut. Es wird immer mehr Geld ausgegeben, während immer mehr gekaufte Rüstungsware nicht kampfbereit ist.
Das andere Problem liegt darin begründet, dass öffentliche Aufträge immer seltener noch zum Bieterwettbewerb ausgeschrieben werden. Auch fusionieren die Rüstungsbetriebe immer stärker, sodass es in vielen Bereichen gar keinen Wettbewerb mehr gibt. Der Monopolist kann den Preis bestimmen, ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit. Dieses Problem hat sogar die US-Regierung mittlerweile erkannt und will exzessive Mergers and Acquisitions gesetzlich unterbinden. Welche Erfolgsaussichten solchen Vorhaben gegönnt sind, dürfte bei der Übermacht der Rüstungslobby in Washington allerdings fraglich sein.
Viel Geld wird auch der Versuch kosten, China militärisch mit zwei Gürteln von der See aus einzukreisen (7). Im äußeren Ring werden Pazifikinseln mit mobilen Typhon-Abschussrampen ausgestattet, auf denen, je nach Entfernung zu China, Langstrecken-Überschall, Tomahawk-Mittelstreckenraketen und für die kurze Entfernung langsamere Präzisionsraketen stationiert werden. Die Entwicklung dieser Raketen mit abgestufter Reichweite wurde 2020 konzipiert und wird jetzt Schritt für Schritt installiert. Das ganze Vorhaben ist Teil der Deterrence Initative des US-Streitkräftekommandos INDOPACOM.
Was kaum jemand weiß: Die USA haben ihre Streitkräfte über den gesamten Erdball ausgestreckt und verfügen für jede Erdregion über eigene Kommandobereiche. Die Abschreckungsinitiative hat nur ein Objekt der Abschreckung: die Volksrepublik China. Für die Aufstellung der präzisen Kurzstreckenraketen haben die Amerikaner Japan, Taiwan und die Philippinen ausersehen. Wobei der private Strategie-Think-Tank RandCorp zu bedenken gibt, dass die Philippinen, Thailand und sogar Südkorea unsichere Kantonisten sind (8).
Der ehemalige philippinische Präsident Rodrigo Duterte wagte sogar, den damaligen US-Präsidenten Barack Obama einen „Hurensohn“ zu nennen. Jetzt regiert dort mit dem Sohn des früheren Horror-Diktators Marcos, Ferdinand Marcos junior (auch „Bong Bong“ genannt), endlich wieder ein zuverlässiger Gewährsmann Washingtons. Südkorea hatte in letzter Zeit immer wieder Regierungschefs, die es wagten, gegen den Willen Washingtons Versuche zu einer nationalen Wiedervereinigung mit Nordkorea in die Wege zu leiten und gleichzeitig freundschaftliche Beziehungen mit der Volksrepublik China anzuknüpfen. Was immer wieder mit Regime-Change-Intrigen der US-Geheimdienste beantwortet wurde.
Und Thailand, bislang den USA bedingungslos zugetan, betreibt in letzter Zeit auch vorsichtige Annäherungsversuche an die VR China. Zudem beklagt RandCorp einen immer noch bestehenden Unwillen Japans, erneut einen Offensivkrieg mitzumachen. Ja, sogar die Bevölkerung des englisch geprägten Australiens, deren Regierung ja immerhin mit den five eyes-Privilegien in den Genuss einer Teilhabe an amerikanischen und englischen Geheimdienst-Erkenntnissen kommt, hat bislang keine Lust, in einen Krieg gegen China hineingerissen zu werden. Und ohne die Einwilligung und aktive Mitwirkung der Vasallenstaaten können und wollen die USA ihre beiden Raketengürtel nicht durchsetzen.
Liebling globaler Eliten
Bleibt Taiwan. Schließlich lautet die Erzählung der Falken in den USA ja unmissverständlich, das ganze Waffengeklirre erfolge ausschließlich zu dem Zweck, die feindliche Übernahme Taiwans durch die VR China zu verhindern. Wollen sich die Taiwanesen denn überhaupt von den Amerikanern retten lassen? So eindeutig ist das gar nicht. Seit etwa zwanzig Jahren funktionieren Handel und Verkehr zwischen beiden Ländern reibungslos. Viele taiwanesische Unternehmer haben massiv in Festlandchina investiert. Und die ehemaligen Kampfhähne von der Kommunistischen Partei Chinas und der Kuomintang, die sich nach Taiwan zurückgezogen hat, haben sich längst versöhnt.
Es sind ausgerechnet Politiker der Kuomintang, die jetzt am vehementesten die Wiedervereinigung mit Festlandchina befürworten. Warum denn auch nicht? Die Kommunisten haben längst eine freie Marktwirtschaft eingeführt, die teilweise kapitalistischer ist als die in Taiwan. Und das taiwanesische Wirtschaftsentwicklungsmodell als Teil der vier asiatischen Tiger basiert auf einer starken Planung und Intervention der Wirtschaft durch den Staat (9).
Im Fall einer Konfrontation hätte Taiwan deutlich mehr zu verlieren als Festlandchina. Welch’ ein Glück, dass es den USA gelungen ist, mit Frau Tsai Ing-wen eine Präsidentin zu installieren, die ihre wesentlichen Prägungen in den USA an der elitären Cornell University Law School und in England an der legendären London School of Economics erworben hat. Seitdem sie die Corona-Regeln in Taiwan so vorbildlich umgesetzt hat, ist Frau Tsai der Liebling der globalen Eliten. Gerne empfing Tsai dann auch im August 2021 die Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi.
Kraft ihres Amtes war Pelosi in der US-Staatshierarchie bis zu den Zwischenwahlen im November die Nummer drei. Wenn Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris beide ausgefallen wären, wäre also Pelosi die Interimspräsidentin der USA gewesen. Deswegen war ihr Besuch ein Affront gegen die Führung der VR China. Denn es war ja seit den Zeiten von Henry Kissinger und Mao tse Tung vertraglich festgehalten, dass Taiwan ein Teil der VR China sei.
Die Republik Taiwan hat ein Ass in der Hand: Die Firma TSMC in Taipeh ist der weltgrößte und beste Hersteller von Halbleiter-Chips. Würde diese Firma ausfallen, könnte man auf der ganzen Welt alle Träume über Künstliche Intelligenz ad acta legen. Die VR China hat augenblicklich massive Probleme, weil die taiwanesischen Halbleiter knapp werden. Doch auch Russland und die USA kommen ins Schwitzen. Es wäre doch zu schön, sich diese Halbleiter-Technologie mal eben einzuverleiben. Die USA unterstellen der Volksrepublik China, mit der raschen Annexion Taiwans die totale Kontrolle über die weltweite Halbleiter-Szene erobern zu wollen. Ein Angsttraum der USA.
Entsprechend haben die USA auch schon einen Plan ausgearbeitet für den Fall, dass China Taiwan okkupiert. Der Plan sieht vor, das TSMC-Halbleiterwerk mit einem Bombenangriff komplett in Schutt und Asche zu legen. Lieber ein Aschenhaufen als ein Gewinn für China. Um dann selber in den Genuss der taiwanesischen Halbleiter-Geheimnisse zu gelangen, sollen die TSMC-Mitarbeiter „evakuiert“, also in die USA entführt werden, wo sie mehr oder minder freiwillig ihre Geheimnisse ausplaudern sollen. Um dann beim Aufbau einer US-amerikanischen Halbleiterproduktion auf hohem Niveau behilflich zu sein. Die Asia Times sieht in dieser Politik der verbrannten Erde einen militärisch-strategischen Offenbarungseid der USA:
„Aufgrund der Erosion der konventionellen Abschreckung der USA, und wegen Chinas militärischer Modernisierung sowie aufgrund der Fallstricke der strategischen Uneindeutigkeit liegt es nahe, dass die Strategie der verbrannten Erde ein stilles Eingeständnis darstellt, dass die USA Taiwan nicht mit militärischen Mitteln verteidigen kann“ (10).
Diese Ausführungen machen deutlich, weshalb die Einschätzung des Stockholmer SIPRI-Instituts, dass wir in den nächsten Jahren eine Explosion der Rüstungsausgaben zu erwarten haben, leider ins Schwarze trifft.
Wer jetzt in Rüstungsaktien investiert, wird in ein paar Jahren in Gold baden. Das hat natürlich seinen Preis. Gigantische soziale und ökologische Katastrophen sind auf diese Weise vorprogrammiert.
Wir haben gar keine andere Wahl, als massiv und energisch, aber auch unaufgeregt die politische Initiative zu ergreifen für eine bessere Welt.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.sipri.org/media/press-release/2022/arms-sales-sipri-top-100-arms-companies-grow-despite-supply-chain-challenges
(2) https://sipri.org/media/press-release/2022/global-arms-trade-falls-slightly-imports-europe-east-asia-and-oceania-rise
(3) https://www.archives.gov/milestone-documents/president-dwight-d-eisenhowers-farewell-address
(4) https://asiatimes.com/2022/12/new-b-21-bomber-aims-to-strike-fear-into-china/
(5) https://www.express.co.uk/news/world/1704807/NATO-ammunition-running-out-Germany-defence-spending-Ukraine-vn
(6) https://www.19fortyfive.com/2022/11/the-u-s-military-is-in-decline-while-china-grows-more-powerful/
(7) https://asiatimes.com/2022/12/us-building-a-missile-wall-in-the-pacific/
(8) https://www.rand.org/pubs/research_reports/RRA393-3.html
(9) Zu den „vier asiatischen Tigern“ zählen neben Taiwan noch: Hongkong, Singapur und Südkorea. Alle genannten Staaten haben als erste in der Region den Sprung zur entwickelten Industrienation geschafft. Ein Charakteristikum dieser vier Erfolgsmodelle war die starke Rolle, die der Staat als Gestalter und Planer der Entwicklung gespielt hat.
(10) https://asiatimes.com/2022/12/us-mulls-scorched-earth-strategy-for-taiwan/
Erstveröffentlichung am 17. Dezember 2022 bei Rubikon
Online-Flyer Nr. 804 vom 30.12.2022
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Krieg und Frieden
Angesichts sich zuspitzender Konflikte stehen der Rüstungsindustrie hohe Gewinne ins Haus
Händler des Todes
Von Hermann Ploppa
„Nichts fürchten die Waffenhändler mehr als den Frieden“, heißt es in dem fulminanten Antikriegsfilm „Lord of War“ mit Nicholas Cage. Sobald ein Ding zur Ware wird, unterliegt es der Logik der Profitmaximierung, und simpelste Gesetze des humanen Umgangs miteinander werden mit einer achtlosen Geste vom Tisch gewischt. Zwei Völker, die sich mit wachsender Angst voreinander und eskalierendem Hass gegenüberstehen, sind nun einmal bessere Waffenkunden als zwei friedliebende, selbstbewusste Nationen, die in gegenseitigem Respekt voreinander leben. Die derzeitige globale Situation zeigt, welch gefährliches Spiel da gespielt wird. Nicht genug, dass der Kalte Krieg wieder da ist. Es droht der ganz heiße Krieg. Das Stockholmer SIPRI-Institut liefert dazu Erkenntnisse: Mit den neuen Kriegsschauplätzen Ukraine und China droht eine ungeahnte Kostenexplosion im Rüstungssektor.
Wer hätte das gedacht. Wir befinden uns mitten im russisch-ukrainischen Krieg. Und tatsächlich wurden schon im letzten Jahr – dem letzten Jahr im „Frieden“, erstmals mehr als zwei Billionen US-Dollar weltweit für Rüstung ausgegeben. 2,113 Billionen Dollar in 2021. Aber die Kurve des Anstiegs hätte noch weiter nach oben gezeigt, wenn nicht diese ominöse Pandemie, oder zutreffender: der Umgang mit ihr, die Wirtschaft massiv abgebremst hätte, wie Lucie Béraud-Sudreau vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) feststellt:
„Ohne die fortdauernden Probleme mit den Lieferketten hätten wir im Jahre 2021 ein noch weitaus größeres Wachstum im Waffenhandel erwarten können. Sowohl große wie kleinere Rüstungsunternehmen berichten, dass ihre Verkaufszahlen (von der Pandemie) betroffen waren. Einige Unternehmen, wie zum Beispiel Airbus oder General Dynamics, berichten sogar von Arbeitskräftemangel.“
Immerhin ist SIPRI ein Institut, das überhaupt den weltweiten Waffenhandel in übersichtlichen Datenbanken zusammenfassen kann. Denn selbstverständlich lassen sich die Händler des Todes nicht gerne in die Karten schauen. Die Stockholmer Friedensforscher sammeln überall verstreute Daten, damit die Öffentlichkeit sich einen Überblick verschaffen kann über die wichtigen Entwicklungen im internationalen Waffenhandel.
In der aktuellen SIPRI-Studie (1) nehmen sich die Datensammler die einhundert größten Waffenhändler vor. Andere Berichte befassen sich mit den Rüstungsausgaben von Staaten. Mit der Entwicklung des Imports und des Exports von Waffen in einzelne Regionen der Welt (2). Es werden immer fünf Jahre zu einem Block zusammengerechnet und dann miteinander verglichen. Was hat sich in den fünf Jahren von 2017 bis 2021 gegenüber den Jahren 2012 bis 2016 verändert?
Neue Hotspots des Waffenhandels
Um es gleich vorweg zu sagen: Die regionalen Schwerpunkte haben sich massiv verschoben. Früher waren der Nahe und Mittlere Osten besondere Hotspots des Waffenhandels. Aktuell verschiebt sich der Schwerpunkt nach Europa und nach Fernost und Ozeanien — also Australien sowie die pazifische Inselwelt.
In Europa haben sich die Westmächte schon seit Jahren für den zu erwartenden Zusammenstoß mit Russland vorbereitet. Und schon seit der Präsidentschaft von Trump gilt das besondere Augenmerk jenen Ländern, die die USA als logistische Ausgangsbasen im Krieg gegen die Volksrepublik China auserwählt haben. Von dieser Entwicklung profitieren im besonderen Maße US-amerikanische und französische Rüstungskonzerne.
Besonders gute Kunden der US-Rüstungsindustrie sind derweil die Europäer geworden, die im Zeitraum von 2017 bis 2021 19 Prozent mehr Waffen aus Übersee eingekauft haben als im Jahrfünft zuvor.
Gerade so, als hätte die Politik in Europa in den letzten Jahrzehnten überhaupt keine eigene Rüstungsindustrie mit exzessiv hohen Subventionen für Airbus und Co aufgebaut, um von den USA unabhängig zu werden. Nicht nur Polen verschmäht europäisches Kriegsspielzeug und kauft lieber bei den Amerikanern ein. Dasselbe macht auch die Bundeswehr beim Ankauf von Kampfflugzeugen. Aber vor allem Großbritannien, Norwegen und die Niederlande gehen bei amerikanischen Todeshändlern fremd. Mit einem Plus von 20 Prozent kaufen zudem die ostasiatischen Anrainerstaaten Chinas wie Japan, Südkorea oder Taiwan bevorzugt Killerware aus Amerika.
Den Vogel schießt allerdings Ozeanien ab mit einem Zuwachs von 59 Prozent made in America. Australien reißt dabei die Leine mit einem Plus von 62 Prozent. Auch Saudi Arabien steigert seine Waffenimporte um 27 Prozent, um damit weiterhin den Jemen in die Hungersnot und in die Steinzeit zu bomben. Und gerade eben hat sich die westliche Wertegemeinschaft noch künstlich aufgeregt über den WM-Gastgeber Katar. Hat da auch jemand mal über den Zuwachs der katarischen Waffenkäufe um 22,7 Prozent gesprochen? Es geht auch anders, wie die benachbarten Vereinigten Emirate zeigen, wo die Waffenimporte zwischen 2012 und 2021 um 41 Prozent zurückgefahren wurden.
Der größte Profiteur
Und wer profitiert? Die USA sind der mit weitem Abstand größte Waffenexporteur. Der Verkauf konnte in den letzten fünf Jahren um 14 Prozent gesteigert werden. Der Anteil am gesamten weltweiten Waffenhandel stieg damit von 32 auf 39 Prozent. Das Wachstum ging vor allem zulasten Russlands, das im selben Jahrfünft eine Einbuße von 26 Prozent hinnehmen musste und jetzt noch 19 Prozent des Welthandels bestreitet.
Russlands treuesten Kunden Indien und Vietnam ist die Kauflust vergangen. Grund zum Lachen haben die französischen Waffenschmiede mit einem stolzen Wachstum von 59 Prozent und 11 Prozent Weltanteil. Begossen stehen die Engländer da mit einem Verlust von sage und schreibe 41 Prozent, womit das einstmals stolze Empire noch gerade mal 2,9 Prozent zum Globalhandel beisteuert. Ebenfalls pudelnass und blamiert wie unsere kunterbunten Katar-Kicker sind deutsche Rüstungslieferanten, die einstmals einen exzellenten Ruf genossen. Minus 19 Prozent! Ja, und warum haben die italienischen Ausrüster ein saftiges Plus von 16 Prozent hingelegt? Die Azzurri sind an den Teutonen lachend vorbeigezogen.
Wen wundert es da, dass die ersten fünf Rüstungskonzerne in der Weltliga der Militärlieferanten ihren Firmensitz in den Vereinigten Staaten von Amerika haben? Die dringende Warnung von US-Präsident Dwight D. Eisenhower anlässlich seiner Abschiedsrede 1961 vor dem tumorartigen Wachstum eines von ihm sogenannten „militärisch-industriellen Komplexes“ verhallte ungehört (3). Die von äußeren Bedrohungslagen losgelöste Rüstungsindustrie hat alle Bereiche der US-Gesellschaft durchdrungen. Das gesamte Bruttoinlandsprodukt der USA dient nur noch dem Zweck, dem Moloch der Rüstungsindustrie immer größere Happen zuzuführen.
Und da die USA selber als Abnehmer der landeseigenen Rüstung nicht mehr ausreichen, wird mit Gewalt die gesamte Menschheit durch die Beschwörung immer neuer Bedrohungsszenarien zum Kauf amerikanischer Waffen genötigt.
Als Bedrohung reichen da „asymmetrische“ Gegner wie Afghanistan oder Irak allerdings nicht mehr aus. Der militärische Sieg über diese instabilen Staaten war so mutig und heldenhaft wie die Verprügelung eines blinden Rollstuhlfahrers. Die Chefstrategen der USA fühlen sich mittlerweile jedoch stark genug, einen Dreifrontenkrieg gegen Russland, China und den Iran zu führen. So haben die USA aktuell in ihrem Etat 801 Milliarden Dollar für Rüstung vorgesehen. Allerdings ist das noch nicht der gesamte Betrag. Weitere Kosten sind im Heimatschutz- und im Veteranenministerium versteckt, sodass man getrost von einem Gesamtbetrag von über einer Billion Dollar der USA für Militärausgaben ausgehen kann. Das Geld fehlt natürlich an anderer Stelle. Die zunehmende Verarmung weiter Kreise der US-Bevölkerung wird achselzuckend in Kauf genommen.
Ein Mammut-Projekt nach dem nächsten
Für größenwahnsinnige Megaprojekte im Rüstungssektor ist jedoch immer genug Geld vorhanden. Traurige Berühmtheit erlangte der Tarnkappenbomber B-2 der Firma Northrop Grumman. Der Riesenvogel verfügt über eine Flügelspannweite von 52 Metern und soll unerkannt durch feindliche Radarsysteme durchschlüpfen, um dann entweder konventionelle oder nukleare Bomben im Feindesland abzuwerfen. Die Kosten für dieses Mammut-Projekt sind so sehr entgleist, dass selbst Waffenfetischisten im Washingtoner Kongress rebellisch wurden. Jedes der mittlerweile ausgelieferten Exemplare des B-2 kostet in der Anschaffung 566 Millionen Dollar.
Aber das ist nicht alles. Für jede Flugstunde des B-2 fallen 119 Stunden Wartung im speziell dafür konstruierten Hangar an. Das macht pro Flugzeug Wartungskosten von 3,4 Millionen Dollar – im Monat! Das sind im Jahr 2004 schlappe 44,75 Milliarden Dollar Wartungskosten allein für den B-2 und damit zwei Drittel des gesamten aktuellen russischen Wehretats in Höhe von 65,9 Milliarden Dollar. Zurück zum B-2: Regen mag der Riesenvogel gar nicht. Dann ist der Tarneffekt der Spezialhaut dahin, und obendrein ist das Flugzeug nur schwer zu navigieren.
Also muss was Neues her. Vor Kurzem präsentierte die US-Luftwaffe den Nachfolger des B-2, den B-21, auch von Northrop Grumman (4). Nach zwölf Jahren Entwicklung soll der B-21 nun im kommenden Jahr seinen Jungfernflug absolvieren und ab 2027 regulär in Dienst gestellt werden. Neben der rein numerischen Typenbezeichnung B-21 wurde dieser neue Darling der US-Krieger auf den Namen Raider getauft – zu Ehren und in Erinnerung an den Doolittle Raid.
Mit Doolittle Raid begannen am 2. Dezember 1942 die Bombenangriffe auf das japanische Kernland, die schließlich im August 1945 mit den Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki ihren Höhepunkt und Abschluss fanden. Jedes Exemplar des B-21 Raider soll 692 Millionen Dollar kosten. Insgesamt sollen bis zu einhundert Exemplare dieses phantastischen Tarnkappenbombers gebaut werden, mit einem Auftragsvolumen von 203 Milliarden Dollar, verteilt auf dreißig Jahre. Jeder Bauherr weiß: Am Ende werden die anfangs projektierten Kosten dann doch weit überschritten.
Wir haben also jetzt eine konkrete Anschauung, wie es zu den immensen Kostensteigerungen im Militärbereich kommt. Deswegen ist auch gut nachzuvollziehen, wenn das SIPRI-Institut in seinem aktuellen Bericht zu dem Schluss kommt, dass in den kommenden Jahrzehnten das Rüstungsgeschäft wieder rasant an Fahrt aufnehmen wird.
Der jetzige Stau durch die Lieferkettenprobleme und durch den Ukraine-Krieg wird sich auflösen. Der Nachholbedarf, kombiniert mit der Intensivierung des Krieges im Osten Europas und die systematisch aufgeblähte Eskalation an den Küsten Chinas führt zu einer Explosion des militärisch-industriellen Komplexes. Da ist ganz akut der vom Westen festgestellte Mangel an Munition für die Ukraine-Front.
Der heiße Krieg in der Ukraine ist ein Segen für die Rüstungsindustrie. In der Ukraine ist derart viel Munition sinnlos buchstäblich verballert worden, dass die Bundeswehr für ihren eigenen Bedarf angeblich nur noch Munition für zwei Tage zur Verfügung hat.
Als drittgrößter Unterstützer spendierte die Bundeswehr den Selenskyj-Truppen zu viel eigene Munition. Jetzt geißeln die Rüstungslobbyisten die Politik der letzten Jahrzehnte, die sich auf asymmetrische Kriegsführung und Regime-Change-Manöver konzentrierte und nun keine Kapazitäten mehr übrig hat, einen richtig heißen Krieg mit einem gleichwertigen Gegner zu führen. Interessierte Kreise stellen die Forderung auf, umgehend 20 Milliarden Euro bereit zu stellen, um den gigantischen Nachholbedarf an Munition möglichst rasch auszugleichen. Die in den Augen interessierter Kreise viel zu „lasche“ Scholz-Regierung will aber bis jetzt nur 1.1 Milliarden zur Verfügung stellen (5).
Fokus auf China
Wenden wir uns dem zweiten zukünftigen Kriegsschauplatz am anderen Ende des Globus zu, nämlich dem geplanten Krieg gegen die Volksrepublik China. Es überrascht in diesem Zusammenhang keineswegs, dass elitäre Kreise in den USA selber einen rasanten Niedergang der amerikanischen Gefechtsfähigkeit lautstark beklagen. Da ist zum Beispiel Frau Mackenzie Eaglen vom marktradikalen American Enterprise Institute.
Der Titel ihres Aufsatzes enthält schon die Botschaft: „Das US-Militär befindet sich im Niedergang, während China immer mächtiger wird“ (6). Die tapferen amerikanischen Bomberpiloten sitzen in Maschinen, die schon drei Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Immer mehr Kriegsschiffe werden ersatzlos verschrottet, sodass im Jahre 2037 nur noch 280 Kriegsschiffe zur Verfügung stehen. Die Mannschaften sind zu einem Viertel unterbesetzt. Das Gerät ist für eine moderne Kriegsführung zu langsam. Und die Steigerung des Wehretats fällt im Verhältnis zur Inflationsrate viel zu gering aus.
Niedergang der Qualität
Wer diesen regelmäßig zur Aushandlung des kommenden Fiskaljahres erfolgenden Kassandra-Rufen auf dem Leim geht, hat bereits verloren. Die US-Streitkräfte haben allerdings tatsächlich massive strukturelle Probleme, die kluge Insider schon seit zwei Jahrzehnten immer wieder auf den Tisch gebracht haben. Von denen aber keiner etwas hören will. Aus gutem Grund. Ein wesentlicher Grund für den Niedergang der Qualität amerikanischer Streitkräfte liegt im politischen Klientelismus begründet.
Der Kongress in Washington hat bei der Bewilligung der Rüstungsgelder ein gewichtiges Wort mitzureden. Wenn die Senatoren und Repräsentanten ein teures Projekt durchfallen lassen, könnte der Anbieter empfindliche Verluste erleiden bis hin zum Bankrott. Also wird jeder Washingtoner Abgeordnete mit einem Teil des Auftragsvolumens für seinen Wahlkreis bedacht. Das tut der Qualität des zusammengestoppelten Auftrags-Flickenteppichs nicht immer gut. Es wird immer mehr Geld ausgegeben, während immer mehr gekaufte Rüstungsware nicht kampfbereit ist.
Das andere Problem liegt darin begründet, dass öffentliche Aufträge immer seltener noch zum Bieterwettbewerb ausgeschrieben werden. Auch fusionieren die Rüstungsbetriebe immer stärker, sodass es in vielen Bereichen gar keinen Wettbewerb mehr gibt. Der Monopolist kann den Preis bestimmen, ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit. Dieses Problem hat sogar die US-Regierung mittlerweile erkannt und will exzessive Mergers and Acquisitions gesetzlich unterbinden. Welche Erfolgsaussichten solchen Vorhaben gegönnt sind, dürfte bei der Übermacht der Rüstungslobby in Washington allerdings fraglich sein.
Viel Geld wird auch der Versuch kosten, China militärisch mit zwei Gürteln von der See aus einzukreisen (7). Im äußeren Ring werden Pazifikinseln mit mobilen Typhon-Abschussrampen ausgestattet, auf denen, je nach Entfernung zu China, Langstrecken-Überschall, Tomahawk-Mittelstreckenraketen und für die kurze Entfernung langsamere Präzisionsraketen stationiert werden. Die Entwicklung dieser Raketen mit abgestufter Reichweite wurde 2020 konzipiert und wird jetzt Schritt für Schritt installiert. Das ganze Vorhaben ist Teil der Deterrence Initative des US-Streitkräftekommandos INDOPACOM.
Was kaum jemand weiß: Die USA haben ihre Streitkräfte über den gesamten Erdball ausgestreckt und verfügen für jede Erdregion über eigene Kommandobereiche. Die Abschreckungsinitiative hat nur ein Objekt der Abschreckung: die Volksrepublik China. Für die Aufstellung der präzisen Kurzstreckenraketen haben die Amerikaner Japan, Taiwan und die Philippinen ausersehen. Wobei der private Strategie-Think-Tank RandCorp zu bedenken gibt, dass die Philippinen, Thailand und sogar Südkorea unsichere Kantonisten sind (8).
Der ehemalige philippinische Präsident Rodrigo Duterte wagte sogar, den damaligen US-Präsidenten Barack Obama einen „Hurensohn“ zu nennen. Jetzt regiert dort mit dem Sohn des früheren Horror-Diktators Marcos, Ferdinand Marcos junior (auch „Bong Bong“ genannt), endlich wieder ein zuverlässiger Gewährsmann Washingtons. Südkorea hatte in letzter Zeit immer wieder Regierungschefs, die es wagten, gegen den Willen Washingtons Versuche zu einer nationalen Wiedervereinigung mit Nordkorea in die Wege zu leiten und gleichzeitig freundschaftliche Beziehungen mit der Volksrepublik China anzuknüpfen. Was immer wieder mit Regime-Change-Intrigen der US-Geheimdienste beantwortet wurde.
Und Thailand, bislang den USA bedingungslos zugetan, betreibt in letzter Zeit auch vorsichtige Annäherungsversuche an die VR China. Zudem beklagt RandCorp einen immer noch bestehenden Unwillen Japans, erneut einen Offensivkrieg mitzumachen. Ja, sogar die Bevölkerung des englisch geprägten Australiens, deren Regierung ja immerhin mit den five eyes-Privilegien in den Genuss einer Teilhabe an amerikanischen und englischen Geheimdienst-Erkenntnissen kommt, hat bislang keine Lust, in einen Krieg gegen China hineingerissen zu werden. Und ohne die Einwilligung und aktive Mitwirkung der Vasallenstaaten können und wollen die USA ihre beiden Raketengürtel nicht durchsetzen.
Liebling globaler Eliten
Bleibt Taiwan. Schließlich lautet die Erzählung der Falken in den USA ja unmissverständlich, das ganze Waffengeklirre erfolge ausschließlich zu dem Zweck, die feindliche Übernahme Taiwans durch die VR China zu verhindern. Wollen sich die Taiwanesen denn überhaupt von den Amerikanern retten lassen? So eindeutig ist das gar nicht. Seit etwa zwanzig Jahren funktionieren Handel und Verkehr zwischen beiden Ländern reibungslos. Viele taiwanesische Unternehmer haben massiv in Festlandchina investiert. Und die ehemaligen Kampfhähne von der Kommunistischen Partei Chinas und der Kuomintang, die sich nach Taiwan zurückgezogen hat, haben sich längst versöhnt.
Es sind ausgerechnet Politiker der Kuomintang, die jetzt am vehementesten die Wiedervereinigung mit Festlandchina befürworten. Warum denn auch nicht? Die Kommunisten haben längst eine freie Marktwirtschaft eingeführt, die teilweise kapitalistischer ist als die in Taiwan. Und das taiwanesische Wirtschaftsentwicklungsmodell als Teil der vier asiatischen Tiger basiert auf einer starken Planung und Intervention der Wirtschaft durch den Staat (9).
Im Fall einer Konfrontation hätte Taiwan deutlich mehr zu verlieren als Festlandchina. Welch’ ein Glück, dass es den USA gelungen ist, mit Frau Tsai Ing-wen eine Präsidentin zu installieren, die ihre wesentlichen Prägungen in den USA an der elitären Cornell University Law School und in England an der legendären London School of Economics erworben hat. Seitdem sie die Corona-Regeln in Taiwan so vorbildlich umgesetzt hat, ist Frau Tsai der Liebling der globalen Eliten. Gerne empfing Tsai dann auch im August 2021 die Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi.
Kraft ihres Amtes war Pelosi in der US-Staatshierarchie bis zu den Zwischenwahlen im November die Nummer drei. Wenn Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris beide ausgefallen wären, wäre also Pelosi die Interimspräsidentin der USA gewesen. Deswegen war ihr Besuch ein Affront gegen die Führung der VR China. Denn es war ja seit den Zeiten von Henry Kissinger und Mao tse Tung vertraglich festgehalten, dass Taiwan ein Teil der VR China sei.
Die Republik Taiwan hat ein Ass in der Hand: Die Firma TSMC in Taipeh ist der weltgrößte und beste Hersteller von Halbleiter-Chips. Würde diese Firma ausfallen, könnte man auf der ganzen Welt alle Träume über Künstliche Intelligenz ad acta legen. Die VR China hat augenblicklich massive Probleme, weil die taiwanesischen Halbleiter knapp werden. Doch auch Russland und die USA kommen ins Schwitzen. Es wäre doch zu schön, sich diese Halbleiter-Technologie mal eben einzuverleiben. Die USA unterstellen der Volksrepublik China, mit der raschen Annexion Taiwans die totale Kontrolle über die weltweite Halbleiter-Szene erobern zu wollen. Ein Angsttraum der USA.
Entsprechend haben die USA auch schon einen Plan ausgearbeitet für den Fall, dass China Taiwan okkupiert. Der Plan sieht vor, das TSMC-Halbleiterwerk mit einem Bombenangriff komplett in Schutt und Asche zu legen. Lieber ein Aschenhaufen als ein Gewinn für China. Um dann selber in den Genuss der taiwanesischen Halbleiter-Geheimnisse zu gelangen, sollen die TSMC-Mitarbeiter „evakuiert“, also in die USA entführt werden, wo sie mehr oder minder freiwillig ihre Geheimnisse ausplaudern sollen. Um dann beim Aufbau einer US-amerikanischen Halbleiterproduktion auf hohem Niveau behilflich zu sein. Die Asia Times sieht in dieser Politik der verbrannten Erde einen militärisch-strategischen Offenbarungseid der USA:
„Aufgrund der Erosion der konventionellen Abschreckung der USA, und wegen Chinas militärischer Modernisierung sowie aufgrund der Fallstricke der strategischen Uneindeutigkeit liegt es nahe, dass die Strategie der verbrannten Erde ein stilles Eingeständnis darstellt, dass die USA Taiwan nicht mit militärischen Mitteln verteidigen kann“ (10).
Diese Ausführungen machen deutlich, weshalb die Einschätzung des Stockholmer SIPRI-Instituts, dass wir in den nächsten Jahren eine Explosion der Rüstungsausgaben zu erwarten haben, leider ins Schwarze trifft.
Wer jetzt in Rüstungsaktien investiert, wird in ein paar Jahren in Gold baden. Das hat natürlich seinen Preis. Gigantische soziale und ökologische Katastrophen sind auf diese Weise vorprogrammiert.
Wir haben gar keine andere Wahl, als massiv und energisch, aber auch unaufgeregt die politische Initiative zu ergreifen für eine bessere Welt.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.sipri.org/media/press-release/2022/arms-sales-sipri-top-100-arms-companies-grow-despite-supply-chain-challenges
(2) https://sipri.org/media/press-release/2022/global-arms-trade-falls-slightly-imports-europe-east-asia-and-oceania-rise
(3) https://www.archives.gov/milestone-documents/president-dwight-d-eisenhowers-farewell-address
(4) https://asiatimes.com/2022/12/new-b-21-bomber-aims-to-strike-fear-into-china/
(5) https://www.express.co.uk/news/world/1704807/NATO-ammunition-running-out-Germany-defence-spending-Ukraine-vn
(6) https://www.19fortyfive.com/2022/11/the-u-s-military-is-in-decline-while-china-grows-more-powerful/
(7) https://asiatimes.com/2022/12/us-building-a-missile-wall-in-the-pacific/
(8) https://www.rand.org/pubs/research_reports/RRA393-3.html
(9) Zu den „vier asiatischen Tigern“ zählen neben Taiwan noch: Hongkong, Singapur und Südkorea. Alle genannten Staaten haben als erste in der Region den Sprung zur entwickelten Industrienation geschafft. Ein Charakteristikum dieser vier Erfolgsmodelle war die starke Rolle, die der Staat als Gestalter und Planer der Entwicklung gespielt hat.
(10) https://asiatimes.com/2022/12/us-mulls-scorched-earth-strategy-for-taiwan/
Erstveröffentlichung am 17. Dezember 2022 bei Rubikon
Online-Flyer Nr. 804 vom 30.12.2022
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