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Literatur
Eine persönliche Besprechung der Corona-Litanei von Werner Köhne
Gedichte gegen die verordnete Verödung des Lebens
Von Birgit Naujeck
Im Dezember 2022 brachte der während der Pandemie neu gegründete Verlag Sodenkamp & Lenz den Gedichtband „Die Corona-Litanei – Gedichte gegen die verordnete Verödung des Lebens“ von Werner Köhne heraus – einen Gedichtband, der auch durch die Umschlaggestaltung Interesse weckt. Gefesselt von der fantastischen Bilderwelt, die an Hieronymus Bosch oder auch an den Codex Seraphinianus - ein Kunstbuch des Italieners Luigi Serafini – erinnert, wende ich das Buch immer wieder, lass' die einzigartige und aufwühlende surreale Parodie auf mich wirken. Grotesk und wunderschön. Es ist wirklich schwer zu beschreiben, was diese Komposition mit mir als Betrachter macht. Während der Codex ein Fenster in eine bizarre Fantasie-Welt inklusive eigenem nicht entzifferbaren Alphabet und zahllosen extrem ungewöhnlichen Illustrationen bietet, ist Bosch's Werk in meiner Erinnerung vor allen Dingen mit dem Jenseits, der Hölle, der Schattenwelt und ihren nicht auf Erden wandelnden Wesen verbunden. Was also versteckt sich zwischen den Buchdeckeln? So näher ich mich dem Gedichtband von Werner Köhne an ... links und rechts unterstützt von Bosch (mittelalterliches Jenseits) und Serafini (die Informationsgesellschaft des 20. Jahrhunderts); meine Erwartungshaltung: surreal … denn Sprache ist ein mächtiges Instrument. Sie setzt sich aus einzelnen Wörtern zusammen, die Gedanken, Gefühle, Absichten und Befehle transportieren. Sprache ist Philosophie, Psychologie und manchmal auch Kunst. Die Macht der Sprache und was sie mit mir macht … Ich lasse mich darauf ein.
Ein erstes Durchlesen, ohne Worte, recht schnell, ein Zurückblättern erst einmal versagt. Das Buch besteht aus zwei Teilen, der Corona-Litanei und dem Leben Stand By. Kurze Rückbesinnung nach dem ersten Lesen …. Leben Stand By wird benötigt, ist der Balsam, um die Frontallappendemenz der konzertierten Corona-Pandemie mit stereotypen Benehmen und Sprachverödung im fortgeschrittenen Stadium der kognitiven Defizite zu entkommen. Und nein, es ist kein Gedichtband über Corona, insgesamt ist es eine Rückwendung zur Poesie, der Sprache schlechthin.
Sprache erreicht sicherlich nicht nur mich auf gleich zwei Ebenen: auf der bewussten laut Definition der Worte und Sätze und auf der unbewussten. Das heißt, ich nehme die Empfindungen auf, mein Bewusstsein nicht – das Unterbewusstsein arbeitet mit Bildern und das gesprochene Wort wird in etwas Sichtbares übersetzt. Auch deshalb werde ich die Litanei noch laut lesen, mehr Sinne beanspruchen wollen.
Tage später erneutes, intensives Lesen, Philosophie und Linguistik verschwimmen miteinander. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein fällt mir ein mit seinen sinnvollen, sinnlosen und unsinnigen Sätzen. Sinnlos und unsinnig kennzeichnen die Corona-Zeit, die ARD-Sondersendungen, das ZDF spezial. Worte werden zum Abbild der Wirklichkeit und vice versa? Das Sprachspiel nimmt seinen Lauf …
Ich kann mich lange nicht lösen, bin in der Rückschau der drei Jahre währenden ...demie.
Werner Köhne trifft den Nagel auf den Kopf, das Sprachmodell
Ein Netzfund von irgendwann kommt mir in den Sinn: Russische Wissenschaftler haben gezeigt, dass Wörter oder Töne sogar durch Vibrationen in unserer DNA codiert sind. Das heißt, die Sprache unserer Vorfahren ist in unsere DNA eingebaut und auf diese Weise fest mit uns verbunden, sodass sie noch heute ihre Wirkung zeigt. Stimmt das, möchte ich nicht in der Zukunft geboren sein.
Der Körperpanzer ist gesprengt. Im Hausflur um elf
Online-Flyer Nr. 808 vom 17.03.2023
Druckversion
Literatur
Eine persönliche Besprechung der Corona-Litanei von Werner Köhne
Gedichte gegen die verordnete Verödung des Lebens
Von Birgit Naujeck
Im Dezember 2022 brachte der während der Pandemie neu gegründete Verlag Sodenkamp & Lenz den Gedichtband „Die Corona-Litanei – Gedichte gegen die verordnete Verödung des Lebens“ von Werner Köhne heraus – einen Gedichtband, der auch durch die Umschlaggestaltung Interesse weckt. Gefesselt von der fantastischen Bilderwelt, die an Hieronymus Bosch oder auch an den Codex Seraphinianus - ein Kunstbuch des Italieners Luigi Serafini – erinnert, wende ich das Buch immer wieder, lass' die einzigartige und aufwühlende surreale Parodie auf mich wirken. Grotesk und wunderschön. Es ist wirklich schwer zu beschreiben, was diese Komposition mit mir als Betrachter macht. Während der Codex ein Fenster in eine bizarre Fantasie-Welt inklusive eigenem nicht entzifferbaren Alphabet und zahllosen extrem ungewöhnlichen Illustrationen bietet, ist Bosch's Werk in meiner Erinnerung vor allen Dingen mit dem Jenseits, der Hölle, der Schattenwelt und ihren nicht auf Erden wandelnden Wesen verbunden. Was also versteckt sich zwischen den Buchdeckeln? So näher ich mich dem Gedichtband von Werner Köhne an ... links und rechts unterstützt von Bosch (mittelalterliches Jenseits) und Serafini (die Informationsgesellschaft des 20. Jahrhunderts); meine Erwartungshaltung: surreal … denn Sprache ist ein mächtiges Instrument. Sie setzt sich aus einzelnen Wörtern zusammen, die Gedanken, Gefühle, Absichten und Befehle transportieren. Sprache ist Philosophie, Psychologie und manchmal auch Kunst. Die Macht der Sprache und was sie mit mir macht … Ich lasse mich darauf ein.
Ein erstes Durchlesen, ohne Worte, recht schnell, ein Zurückblättern erst einmal versagt. Das Buch besteht aus zwei Teilen, der Corona-Litanei und dem Leben Stand By. Kurze Rückbesinnung nach dem ersten Lesen …. Leben Stand By wird benötigt, ist der Balsam, um die Frontallappendemenz der konzertierten Corona-Pandemie mit stereotypen Benehmen und Sprachverödung im fortgeschrittenen Stadium der kognitiven Defizite zu entkommen. Und nein, es ist kein Gedichtband über Corona, insgesamt ist es eine Rückwendung zur Poesie, der Sprache schlechthin.
Sprache erreicht sicherlich nicht nur mich auf gleich zwei Ebenen: auf der bewussten laut Definition der Worte und Sätze und auf der unbewussten. Das heißt, ich nehme die Empfindungen auf, mein Bewusstsein nicht – das Unterbewusstsein arbeitet mit Bildern und das gesprochene Wort wird in etwas Sichtbares übersetzt. Auch deshalb werde ich die Litanei noch laut lesen, mehr Sinne beanspruchen wollen.
Tage später erneutes, intensives Lesen, Philosophie und Linguistik verschwimmen miteinander. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein fällt mir ein mit seinen sinnvollen, sinnlosen und unsinnigen Sätzen. Sinnlos und unsinnig kennzeichnen die Corona-Zeit, die ARD-Sondersendungen, das ZDF spezial. Worte werden zum Abbild der Wirklichkeit und vice versa? Das Sprachspiel nimmt seinen Lauf …
- grün gewandete Exekutoren der Lebens-Erhaltung
zwischen den von einem Sauerstoff-Zelt überformten Körpern
im ansonsten schönen Bergamo
hin und her agieren und herumwedeln
Ich kann mich lange nicht lösen, bin in der Rückschau der drei Jahre währenden ...demie.
Werner Köhne trifft den Nagel auf den Kopf, das Sprachmodell
- die Inzidenz ist kein Gespenst
- Der Augenblick des Scheiterns ist der Augenblick der Poesie
- stopp
was für eine Unverschämtheit dieser ungehobelte Zwischenruf
diesem Satz können wir nicht zustimmen
nicht einmal im Pantheon der Kultur
Ein Netzfund von irgendwann kommt mir in den Sinn: Russische Wissenschaftler haben gezeigt, dass Wörter oder Töne sogar durch Vibrationen in unserer DNA codiert sind. Das heißt, die Sprache unserer Vorfahren ist in unsere DNA eingebaut und auf diese Weise fest mit uns verbunden, sodass sie noch heute ihre Wirkung zeigt. Stimmt das, möchte ich nicht in der Zukunft geboren sein.
- Die Maske bietet Schutz vor den anderen
die Maske bietet Schutz für den anderen
die Maske bietet Schutz vor uns selbst
die Maske verhindert ein zu schnelles Erkennen von uns
wie schon die Bibel wusste
das Wichtigste ist die Gesundheit
Impfen wir uns zurück in die Freiheit
Der Körperpanzer ist gesprengt. Im Hausflur um elf
- ...
oh einmal heraus
aus dem Institut Welt
und wieder zurück
auf
verschlagenen Straßen
als wanderte
der Asphalt in unseren Fersen
...
- Was sind das für Zeiten
in denen die Sprache die Welt verliert
ja selbst das Leben vor ihr flieht
- Wer sind wir
Wer waren wir
Wer werden wir sein
Online-Flyer Nr. 808 vom 17.03.2023
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