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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Literatur
Eine persönliche Besprechung der Corona-Litanei von Werner Köhne
Gedichte gegen die verordnete Verödung des Lebens
Von Birgit Naujeck

Im Dezember 2022 brachte der während der Pandemie neu gegründete Verlag Sodenkamp & Lenz den Gedichtband „Die Corona-Litanei – Gedichte gegen die verordnete Verödung des Lebens“ von Werner Köhne heraus – einen Gedichtband, der auch durch die Umschlaggestaltung Interesse weckt. Gefesselt von der fantastischen Bilderwelt, die an Hieronymus Bosch oder auch an den Codex Seraphinianus - ein Kunstbuch des Italieners Luigi Serafini – erinnert, wende ich das Buch immer wieder, lass' die einzigartige und aufwühlende surreale Parodie auf mich wirken. Grotesk und wunderschön. Es ist wirklich schwer zu beschreiben, was diese Komposition mit mir als Betrachter macht. Während der Codex ein Fenster in eine bizarre Fantasie-Welt inklusive eigenem nicht entzifferbaren Alphabet und zahllosen extrem ungewöhnlichen Illustrationen bietet, ist Bosch's Werk in meiner Erinnerung vor allen Dingen mit dem Jenseits, der Hölle, der Schattenwelt und ihren nicht auf Erden wandelnden Wesen verbunden. Was also versteckt sich zwischen den Buchdeckeln? So näher ich mich dem Gedichtband von Werner Köhne an ... links und rechts unterstützt von Bosch (mittelalterliches Jenseits) und Serafini (die Informationsgesellschaft des 20. Jahrhunderts); meine Erwartungshaltung: surreal … denn Sprache ist ein mächtiges Instrument. Sie setzt sich aus einzelnen Wörtern zusammen, die Gedanken, Gefühle, Absichten und Befehle transportieren. Sprache ist Philosophie, Psychologie und manchmal auch Kunst. Die Macht der Sprache und was sie mit mir macht … Ich lasse mich darauf ein.

Ein erstes Durchlesen, ohne Worte, recht schnell, ein Zurückblättern erst einmal versagt. Das Buch besteht aus zwei Teilen, der Corona-Litanei und dem Leben Stand By. Kurze Rückbesinnung nach dem ersten Lesen …. Leben Stand By wird benötigt, ist der Balsam, um die Frontallappendemenz der konzertierten Corona-Pandemie mit stereotypen Benehmen und Sprachverödung im fortgeschrittenen Stadium  der kognitiven Defizite zu entkommen. Und nein, es ist kein Gedichtband über Corona, insgesamt ist es eine Rückwendung zur Poesie, der Sprache schlechthin.

Sprache erreicht sicherlich nicht nur mich auf gleich zwei Ebenen: auf der bewussten laut Definition der Worte und Sätze und auf der unbewussten. Das heißt, ich nehme die Empfindungen auf, mein Bewusstsein nicht – das Unterbewusstsein arbeitet mit Bildern und das gesprochene Wort wird in etwas Sichtbares übersetzt. Auch deshalb werde ich die Litanei noch laut lesen, mehr Sinne beanspruchen wollen.

Tage später erneutes, intensives Lesen, Philosophie und Linguistik verschwimmen miteinander. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein fällt mir ein mit seinen sinnvollen, sinnlosen und unsinnigen Sätzen. Sinnlos und unsinnig kennzeichnen die Corona-Zeit, die ARD-Sondersendungen, das ZDF spezial. Worte werden zum Abbild der Wirklichkeit und vice versa? Das Sprachspiel nimmt seinen Lauf …
    grün gewandete Exekutoren der Lebens-Erhaltung
    zwischen den von einem Sauerstoff-Zelt überformten Körpern
    im ansonsten schönen Bergamo
    hin und her agieren und herumwedeln
Werner Köhne spielt mit den präsentierten Bildern, die uns aus Italien gut inszeniert serviert wurden. Erinnerungen werden wach … die vielen Särge, die Krematorien konnten die Massen nicht verarbeiten. Krematorien? In Italien? Seit wann? Wieviele? Keiner hat gefragt, die Bilder wurden konsumiert und passten zum Deutschen. Einäscherungen hierzulande normal. In Italien die absolute Ausnahme und warum sollen die Toten eingeäschert werden?

Ich kann mich lange nicht lösen, bin in der Rückschau der drei Jahre währenden ...demie.

Werner Köhne trifft den Nagel auf den Kopf, das Sprachmodell
    die Inzidenz ist kein Gespenst
geht um die Welt. Der Deutsche wird gut vorbereitet auf das Grauen, das auch ihn treffen wird. Die Zwillingsforschung nunmehr auf alle angewandt – die Forschungsgelder entstammen dem gleichen Topf: Rockefeller und der Gates-Dollar … jetzt auch in Europa präsent. Und: Ab jetzt gibt es eine Prüfinstanz, die Verwendung von Worten, ganzen Sätzen im Gespräch werden auf ihren neuen Gehalt hin geprüft.
    Der Augenblick des Scheiterns ist der Augenblick der Poesie
Welch Worte, welch tiefe Einsicht und Gefühl, es weitet und ich verharre einfach, höre das Echo. Und dann …
    stopp
    was für eine Unverschämtheit dieser ungehobelte Zwischenruf
    diesem Satz können wir nicht zustimmen
    nicht einmal im Pantheon der Kultur
Die neue Generation der Corona-Babys entsteht aufgrund der Corona-Krise, während die Corona-Bonds gerade in der Luft zerrissen werden, und sich deutsche Gymnasiasten auf ihr Corona-Abitur vorbereiten. Beherbergungsverbote überall, denn die Triage heizt die Übersterblichkeit (oder umgekehrt?) an und die Spuckschutzscheibe sowie die  Distanzschlange wurden gerade erfunden. Die Macht des Wortes übertönt die Poesie. Und hast du noch nicht genug, kommt die Werbeabteilung vorbei und aus Paranoia wird Coronoia und die Coronials sind die alten Millennials. Konzern- und Lizenzmedien, Öffentlicher Rundfunk und viele sich anbiedernde Kulturschaffende sorgen dafür, dass sich Sprache verengt. Wittgenstein hätte viel zu tun dieser Tage.

Ein Netzfund von irgendwann kommt mir in den Sinn: Russische Wissenschaftler haben gezeigt, dass Wörter oder Töne sogar durch Vibrationen in unserer DNA codiert sind. Das heißt, die Sprache unserer Vorfahren ist in unsere DNA eingebaut und auf diese Weise fest mit uns verbunden, sodass sie noch heute ihre Wirkung zeigt. Stimmt das, möchte ich nicht in der Zukunft geboren sein.
    Die Maske bietet Schutz vor den anderen
    die Maske bietet Schutz für den anderen
    die Maske bietet Schutz vor uns selbst
    die Maske verhindert ein zu schnelles Erkennen von uns
    wie schon die Bibel wusste
    das Wichtigste ist die Gesundheit
    Impfen wir uns zurück in die Freiheit
Keine Verbote mehr; mit Mund-Nasen-Schutz darfst du Bus und Bahn nutzen; gespritzt ist die Eintrittskarte ins Café. Reisen … natürlich … aber doch bitte noch einmal kurz vorher geboostert. Freundlich und nett sein hilft, aus selbstständigen Menschen blökende Lämmer zu machen. Was wäre passiert, wenn auch Eva ohne Verführung in den Apfel hätte beißen dürfen? Die Erkenntnis wäre nie über uns gekommen? Weil sie dann gar nicht hätte probieren wollen!

Der Körperpanzer ist gesprengt. Im Hausflur um elf
    ...
    oh einmal heraus
    aus dem Institut Welt
    und wieder zurück
    auf
    verschlagenen Straßen
    als wanderte
    der Asphalt in unseren Fersen
    ...
Ein Reichtum an Worten bedeutet auch Reichtum des Bewusstseins und der Ausdrucksmöglichkeiten. Sprache ist Kultur, mit der wir uns berühren, uns lieben, träumen und sind. Werner Köhne hat der Vereinheitlichung der Sprache und der Wortschatzreduzierung als auch die Umdeutung der Sprache per Mediengehirnwäsche, die uns zum Massenmenschen und damit zur leichteren Steuerung macht, seine Gedichte entgegengesetzt. Ihm gelingt es mittels Sprache der Dichter sich dem Phänomen der Sprachverödung, die nicht mit Corona gestartet ist, aber erstmalig weltweit einheitlich zum Zuge kam, zielgerichtet zu nähern:
    Was sind das für Zeiten
    in denen die Sprache die Welt verliert
    ja selbst das Leben vor ihr flieht
Und doch bleibt das NICHTAUSRADIERENKÖNNEN
    Wer sind wir
    Wer waren wir
    Wer werden wir sein


Online-Flyer Nr. 808  vom 17.03.2023

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