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Aktueller Online-Flyer vom 21. Dezember 2024  

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Globales
Syrien im Jahr 2023
Die grosse Heuchelei
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)

Syrien über die Jahre hat sich verändert. So haben wir im Jahr 2004 ein Land kennen gelernt, welches einerseits von Traditionen geprägt und andererseits für den Fortschritt offen war. Im Jahr 2011 begann bekanntlich der von außen inszenierte „arabische Frühling“ und damit das, was im Westen noch immer und entgegen besserem Wissen „Bürgerkrieg“, oder „Rebellion“ genannt wird. Den Charakter dieser Ereignisse haben wir und andere ausführlich beschrieben. (1) In den Jahren 2016 bis 2019 haben wir Syrien besucht und auch über diese Besuche berichtet. (2) 2020 war ein weiterer Besuch geplant, der konnte jedoch nicht stattfinden, da die weltweit ausgerufene „Covid Pandemie“ das Reisen verhinderte. Nach dem Ende der Hysterie dauerte es noch einige Zeit, bis es uns möglich war, das Land wieder zu besuchen. Bei unseren vorherigen Aufenthalten in Syrien hatten wir vor allem christliche Hilfswerke besucht, welche vom Westen, namentlich von katholischen und anderen Gemeinschaften der Schweiz unterstützt wurden und werden. Diese Hilfe ist gewiss bitter notwendig, sie ist jedoch auch heuchlerisch: Die Menschen in Syrien brauchen diese Hilfe, ja zum Teil sind sie regelrecht darauf angewiesen. Das ist zwar richtig, aber...

Richtig ist jedoch auch, dass diese Hilfen nicht nötig wären, wenn die USA, die EU und deren bewaffnete Banden Syrien nicht angreifen würden. Richtig ist auch, das diese Hilfen ohne die verbrecherische und völkerrechtswidrige Blockade, welche die USA und die EU über das Land verhängen, nicht notwendig wären. Diese Blockade, welche den Grossteil der Menschen in Syrien leiden und je länger je mehr auch hungern lässt, wurde im Jahr 2019 durch die Trump Administration mit dem „Caesar Act“ ein weiteres Mal verschärft. Die Spitze der Heuchelei ist, dass die USA dieses Verbrechen „Caesar Syria Civilian Protection Act“ nennen, also „Gesetz zum Schutz der syrischen Zivilbevölkerung“. (3) Hier wird der Doppelsprech aus Orwells 1984 auf die Spitze getrieben!

Zur Erinnerung: Der „Caesar Act“ ist nach dem ominösen, anonymen Fotografen „Caesar“ benannt, der Tausende von grässlichsten Folterbildern in Umlauf brachte. Diese Bilder – so die Behauptung – würden Folteropfer der Regierung von Damaskus zeigen. Kein einziges dieser Bilder wurde bislang belastbar verifiziert.

Wir haben in den Jahren 2016 bist 2019 erlebt, wie eine durch Krieg und Blockade gebeutelte Bevölkerung standhaft hinter ihrer Regierung und ihrer Armee steht, allen Lügen und Anfechtungen von außen zum Trotz. Nicht zuletzt Dank der militärischen Unterstützung durch Russland und Iran ist es den syrischen Streitkräften gelungen, die Angriffe weitgehend abzuwehren. Im Norden, entlang der türkischen Grenze bis hin zum Irak haben sich die US-Besatzer, türkische Verbände und bewaffnete Banden jedwelcher Couleur und Ideologie festgesetzt. Sie rauben dem syrischen Volk die dringend benötigen Ressourcen - Öl, Wasser, Getreide. Ohne diese Besatzung, ohne diese Blockade, welche völkerrechtlich vollkommen illegal sind, könnte Syrien schon längst auf dem Weg zurück zu dem prosperierenden Staat sein, der er einst war. Das sich die „Hilfe“, welche westliche Organisation dem syrischen Volk angedeihen lassen auf eine rein karikative Komponente beschränkt, ist heuchlerisch: Die Ursache für das Elend, nämlich die Blockade, wird nicht benannt.



Innenhof des Museums für Medizin und Wissenschaften - Noch bei unserem letzten Besuch im Jahr 2019 waren die meisten Museen von Damaskus aus Sicherheitsgründen geschlossen. Dies hat sich geändert. Museen und andere Einrichtungen sind zugänglich und gut frequentiert.


Weltkarte nach al Idrissi, einem 1100 geborenen, aus al Andalus stammenden arabischen Gelehrten


Legende zur Karte des al Idrissi


Jaremane, ein Vorort von Damaskus, war lange und heftig umkämpft. Die Gegend war und ist auch als «der Garten von Damaskus» bekannt. Die Spuren der Angriffe werden wohl noch einige Zeit zu sehen sein.


Reise von Damaskus nach Latakia – gut ausgebaute und sichere Wege


Auf der Reise - in der Gegend von Homs passieren wir eine Öl Raffinerie


Angekommen in der ländlichen Idylle von Latakia – Wälder, Landwirtschaft und dörfliche Gemeinschaft


Auch hier wie fast überall gab es Opfer: Die Gefallenen werden auf großen Tafeln gewürdigt


Eingang des Kulturzentrums von Latakia – Hier finden regelmäßig Konzerte, Theater- und andere Aufführungen statt.


Im Containerhafen von Latakia – Im Hintergrund ein Leuchtturm für ein einlaufenden Schiffe


Der Containerhafen – Nicht so viel Betrieb wie es die Leute hier gewohnt sind


Zurück in Damaskus: Als Kunstwerk gestaltete Außenmauer einer Schule


Ein anderer Komplex derselben Schule


Typische Szene auf dem großen Markt von Damaskus

Die Folgen der Blockade

Syrien im Jahr 2023 ist mit Armut und in der Folge auch mit einem Schwarzmarkt und Korruption konfrontiert. Es kann nicht bestritten werden, dass die Regierung mehr tun könnte, vor allem was die Bekämpfung der Korruption betrifft. Es gibt keine Patentrezepte wie dieser Korruption begegnet werden kann – schon gar nicht von außen, schon gar nicht aus den Teilen der Welt, welche die Schuld an der gegenwärtigen Misere der Syrisch Arabischen Republik tragen. Dies ums so mehr, als die Korruption ohne jeden Zweifel ebenfalls eine Folge der illegalen Blockade ist. Ganz gewiss ist es falsch, die Regierung im allgemeinen und die Person des Präsidenten Bashar al Assad im Speziellen dafür verantwortlich zu machen, wie wir dies in den westlichen Medien getan wird. Hinzu kommt: Syrien muss einen großen Teil seines Haushaltbudgets in die Verteidigung stecken.

Verständnis für die Politik der Regierung 

Im Land selbst wird die Politik der Regierung vom Volk - soweit wir das nachvollziehen können - nach wie vor verstanden und auch gewürdigt: Die standhafte Politik gegenüber dem zionistischen Feind, die Weigerung, mit der Türkei zu verhandeln, solange türkische Truppen syrischen Boden besetzen, die Wiederaufnahme der Beziehungen zu den arabischen Nachbarn und damit verbunden die Rückkehr in die arabische Liga, all dies wird gesehen, verstanden und dementsprechend basieren auch die Hoffnungen auf dieser Politik. Katar, als kleiner aber scharfer Kettenhund des Imperialismus hatte es verstanden, den Ausschluss Syriens aus der arabischen Liga voran zu treiben. Nun, da dieser unselige Beschluss auf Initiative Algeriens und mit Unterstützung Saudi Arabiens rückgängig gemacht wurde, steht Katar isoliert und desavouiert da. Die syrische Bevölkerung erhofft sich von diesem Schritt Investitionen aus den Öl Oligarchien. Dass diese kommen werden, ist sehr wahrscheinlich. Zu hoffen ist, dass die Regierung standhaft bleibt und sich nicht in den Sog der bis anhin sehr westlich hörigen Orientierung der Golfstaaten ziehen lässt.
 
Innersyrische Solidarität

Was geblieben ist, was sich nicht verändert hat ist die Herzlichkeit und die Offenheit, die uns hier nach wie vor tagtäglich begegnet. Dies, obwohl der Alltag sowohl in der Stadt als auch auf dem Land ein ständiger Überlebenskampf ist. Die Teuerung hat ein Ausmaß erreicht, welches jenseits von Gut und Böse ist. Von außen gesehen ist es Rätsel, wie die Menschen überhaupt leben können. Möglich ist das ganz offensichtlich nur durch den starken sozialen Zusammenhalt. Die Solidarität untereinander beschränkt sich nicht auf die Familien, obwohl die Familie ein sehr wichtiger Faktor im Leben jedes syrischen Menschen ist. Alle sind sich der Tatsache bewusst, dass alle, mehr oder weniger von der Armut betroffen sind. Die meisten Menschen tragen dazu bei, die Folgen dieser Armut bei den anderen so weit als möglich zu lindern. Diese Solidarität ist überall spür- und erlebbar.

Kritik an der Regierung

Es muss jedoch auch gesagt werden, dass wir in Syrien, im Jahr 2023 mehr Kritik an der Regierung und am Präsidenten hören als in den Jahren zuvor. Diese Kritik muss jedoch auch relativiert werden. Wir unterscheiden zwischen einer echten, substanziellen und auch konstruktiven Kritik und einer unreflektierten, fast schon kindischen Kritik. Ein Beispiel für Letzteres ist der Mann, der sich darüber ereifert, dass in den Strassen von Damaskus soviel Müll herum liegt, während es im Regierungsviertel richtiggehend glänze, dort würden die Strassen gefegt und der Müll würde entsorgt. Dass solches auf der Hand liegt, kommt unserem Gesprächspartner nicht in den Sinn. Das Regierungsviertel muss sich selbstverständlich präsentieren. Früher wurde der Müll in allen Strassen von Damaskus zwei mal täglich entsorgt, jetzt vielleicht noch alle zwei oder drei Tage. Dies ist natürlich den Kosten geschuldet, welche nun vor allem für die Verteidigung gebraucht werden. Eine wirkliche Kritik, die unserer Meinung nach ernst genommen werden muss, ist die Forderung, die Korruption endlich zu bekämpfen. Wer diese Forderung in Syrien seriös stellt, meint jedoch nicht die kleinen Angestellten, Polizisten oder Militärangehörigen, die ihre Hände für einen kleinen Geldschein aufhalten. Gemeint sind die wirklichen Kriegsgewinnler, die auch an der Blockade verdienen, indem sie die Güter, welche an der Blockade vorbei ins Land kommen, für teures Geld verkaufen und somit die Inflation anheizen. Nur um das auch noch richtig zu stellen: Diese Kritik an der Regierung, mag sie nun berechtigt sein oder nicht, wird nicht hinter vorgehaltener Hand geäußert. Alle tun ihre Meinung laut kund und in Gesellschaft kommt es genau deswegen oft auch zu lebhaften Auseinandersetzungen. Es kann jedoch keine Rede davon sein, dass die Meinungen – und seien sie auch noch so abstrus, beschnitten oder gar unterdrückt werden.

Ein Teil des tiefen Staates?

Ein hoher Beamter des Informationsministeriums, mit dem wir Gelegenheit hatten zu sprechen, fragte uns nach unserer Meinung zur Pressefreiheit. „Die Pressefreiheit in den westlichen Staaten existiert nur auf dem Papier“, antworteten wir ihm. „Demgegenüber ist es nach wie vor so, dass es in Syrien keine Zensur gibt. Auf dem Internet können wir uns ansehen was immer wir wollen: Russia Today in allen Sprachen, all die im deutschsprachigen Raum verfemten Stationen wie Rubikon, NRhZ, Nachdenkseiten, Anti Spiegel etc. alles kein Problem. Ebenfalls kein Problem sind all die Stationen der westlichen Mainstreamorgien wie Spiegel, CNN, Fox, Times, New York Times etc. Selbstverständlich kommen auch alle arabischen Sender rein. Das Zeug ist auf allen Geräten in allen Sprachen zu haben, auf den Handys, den Computern, den Fernsehern mit Satellitenschüsseln usw. Ganz im Gegensatz zu Europa, welches im „Namen der Freiheit“ Andersdenkende zensiert und diffamiert.“ Wir verweisen ausserdem auf den Fall Julian Assange, um zu verdeutlichen, wie es mit der Pressefreiheit in der so genannt „freien Welt“ bestellt ist. Er lächelt und meint, der Fall Julian Assange sei ein Beispiel dafür, wie der tiefe Staat funktioniere. (4)

Das ist natürlich erklärungsbedürftig und so führt er aus: „Die Exponenten des tiefen Staates haben Assange das sehen lassen, was er sehen sollte. Dies in der Absicht, ihn dafür in der Öffentlichkeit für die einen zu einem Märtyrer und für die anderen zu einem Verräter zu machen. Das wirkliche Resultat des Falles Assange ist jedoch schon heute klar: Sie haben bewiesen, dass sie unbehelligt die schlimmsten Verbrechen begehen können. Auch wenn diese Verbrechen aufgedeckt werden, werden nicht die Mörder bestraft, sondern derjenige, der die Morde aufgedeckt hat. In der Folge fordern alle die Befreiung von Julian Assange, was natürlich richtig ist. Auffällig ist jedoch, dass kaum jemand die Bestrafung der Mörder fordert, die Assange entlarvt hat und sich gleichzeitig mit den irakischen Mordopfern solidarisiert. So kann man das Fazit ziehen, dass es ihnen gelungen ist, Julian Assange zu instrumentalisieren. Die Gräueltaten, die er, wie auch immer, aufgedeckt hat, werden kaum mehr erwähnt. Damit ist zweierlei bewiesen: Erstens: Sie können diese Verbrechen verüben, wann immer sie wollen und Zweitens: Es ändert sich überhaupt nichts daran wenn diese Verbrechen an die Öffentlichkeit gebracht werden. Im Gegenteil müssen alle befürchten, dass ihnen dasselbe Schicksal wie Assange droht, wenn sie sich mit den Mächtigen anlegen“.

Eine interessante These, gewiss. Vor allem weil die Solidaritätsbewegung mit Julian Assange in der Tat erstaunlich wenig darauf hinweist, was von ihm auf Wikileaks aufgedeckt wurde. Es scheint also wirklich „nur“ noch um seine Befreiung aus dem Folterknast von Bellmarsh zu gehen.

Andere Besuche

Die Blockade ist und bleibt ein Dauerthema. Dieses Verbrechen ist der Elefant im Raum. „Was sie mit uns tun wäre lächerlich, wenn es nicht so tragisch wäre“, sagt der Filialleiter einer Bank, der uns zum Essen eingeladen hat. „Wer Geld hat kauft sich alles, es gibt überhaupt nichts, was nicht an der Blockade vorbei geschmuggelt wird. Aber es ist teuer. Alles ist teuer. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie die armen Leute ohne Beziehungen ihr Leben leben können“.

„Wahrscheinlich haben sie tatsächlich Beziehungen“, antworten wir. „Wahrscheinlich“ stimmt er zu, „aber auch die Unterstützung von Verwandten aus dem Ausland ist für Viele unentbehrlich. Da wir nun schon mal beim Thema sind, fragen wir ihn, ob sich seiner Meinung nach die Lage verbessern wird, nun da Syrien wieder in die arabische Liga zurück gekehrt ist. „Sicher wird sich die Lage verbessern“ meint er, „das wird sie ohne jeden Zweifel. Die Frage ist nur, wie schnell das geschehen wird. Wir hören, dass sogar Katar plant, in Syrien zu investieren. Stell dir das vor, Katar!“ Katar ist, nebst Kuwait, einer der willigen Vasallen des US Imperialismus im arabischen Raum. Katar war federführend bei dem Entschluss, Syrien aus der arabischen Liga raus zu werfen. Auf Initiative Algeriens und mit Unterstützung Saudi-Arabiens wurde dieser Beschluss nun rückgängig gemacht, Syrien ist wieder Mitglied der Liga.

„Ist das nicht gefährlich?“ fragen wir, „begibt sich deine Regierung da nicht in Abhängigkeiten?“ Er winkt ab. „Haben wir uns in Abhängigkeiten begeben, als wir die Russen zu Hilfe gerufen haben, oder den Iran? Nein. Es ging und es geht um Kooperation. Wenn die syrische Seite einigermaßen schlau verhandelt, wird es mit den reichen Golfstaaten, die nun scharf darauf sind, in Syrien zu investieren, nicht anders kommen“. „Zu einer Kooperation gehört in der Regel Geben und Nehmen“, sagen wir, „im Fall Russlands ist es klar, da geht es um die russischen Interessen in der Region. Was aber hat Syrien den Golfstaaten anzubieten?“ „Oh, da gibt es einiges“ antwortet er, „Syrien kann helfen die Beziehungen der Golfstaaten zum Beispiel zum Iran wieder zu normalisieren. Es ist bekannt, dass die Diplomatie nicht offen, sondern hinter verschlossenen Türen stattfindet. China, Iran, Russland, viele südamerikanische und afrikanische Länder haben sehr gute Beziehungen zu Syrien. Das könnte auch für die Golfstaaten nützlich sein. Die Ökonomie der USA bricht über kurz oder lang zusammen, dann sind neue Partner gefragt“. „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“, bemerken wir. Er nickt und nimmt noch einen Zug von seiner Wasserpfeife.

Ein Knall

Am späten Abend des 14. Juni, wir sitzen bei der Familie, bei der wir zu Gast sind, hören wir einen gewaltigen Knall. Dieses Geräusch ist uns von unseren früheren Besuchen her noch in unguter Erinnerung. Allerdings haben wir nicht damit gerechnet, dies jetzt, im Juni 2023 in Damaskus noch immer zu hören. Am nächsten Tag lesen wir auf Sana Syria: Damaskus, SANA: Bei einem israelischen Angriff mit Raketen, die auf einige Orte im Umland von Damaskus gerichtet waren, wurde ein Soldat verletzt und es entstand auch Sachschaden, während die Luftabwehr der Armee einige der Raketen abschoss. Gegen 1:05 Uhr am Mittwoch führte der israelische Feind einen Angriff aus der Luft aus Richtung des besetzten syrischen Golan durch, der einige Orte südwestlich von Damaskus zum Ziel hatte, und die Luftabwehr der Armee fing die Raketen des Angriffs ab und schoss einige von ihnen ab", sagte eine Militärquelle in einer Erklärung an SANA. Die Quelle fügte hinzu, dass die Aggression zu "einer schweren Verletzung eines Soldaten und zu Sachschäden" geführt habe. (5)

Die Verbrechen Israels gehören in Syrien zum Alltag und sie werden, wie Beispiel zeigt, knapp gemeldet und kaum kommentiert. In der westlichen Presse kommen diese Angriffe in der Regel überhaupt nicht vor. Stellen wir uns die Empörung vor, wenn es umgekehrt wäre und Syrien auf Israel schießen oder gar die geraubten Golan Höhen zurück holen würde! Es vergeht kaum ein Tag ohne israelische Aggression, wenn nicht gegen die palästinensischen Gebiete, dann gegen Syrien. Auch die Angriffe gegen Palästina werden hier breit berichtet, die Solidarität mit der palästinensischen Sache ist ungebrochen.

Auf dem Land

Wir reisen von Damaskus nach Latakia, in einem komfortablen Linienbus. Am Busbahnhof von Latakia werden wir von Freunden erwartet. Mit einem Service Taxi fahren wir mit ihnen weiter aufs Land, in ihr Dorf. Die Armut auf dem Dorf haben wir erwartet, indes ist diese Armut relativ: Durch den Landbesitz und durch die Bestellung des Landes haben alle genug Nahrung, mindestens die Selbstversorgung ist gewährleistet. Was nicht selber produziert werden kann muss gekauft werden, also vor allem Treibstoff und Energie, Kleider, Schuhe usw. und das ist alles sehr sehr teuer.

In Damaskus kann man sich darauf verlassen, dass der Strom, wenn er abgedreht wird, nach vier Stunden wieder da ist. Auf dem Land gibt es vielleicht 3, maximal 4 Stunden Strom pro Tag. Die Gegend rund um das Dorf wurde von dem Erdbeben vom Februar 2023 weitgehend verschont – ein glücklicher Zufall für die Menschen hier. In den Wohnzimmern der meisten Familien hier hängt ein Portrait des Präsidenten, meist kombiniert mit Märtyrern aus dem aktuellen Krieg, mit Helden des Befreiungskampfes gegen die Franzosen und mit alevitischen Gelehrten. Am Abend dann ein Gang durch die Gemeinde mit der Familie. Eine wunderschöne, fruchtbare Gegend, mit viel Wald und einst mit viel Wasser. Das sei allerdings schon seit mehreren Jahren ein Problem hören wir. Das hänge einerseits mit dem Klimawandel zusammen, der Regen falle nicht mehr wie gewohnt, andererseits aber geht es auch hier um Politik: Die Staudämme der Türkei schneiden Syrien und auch dem Irak das Wasser ab. Am nächsten Tag, wieder zurück in Latakia machen wir einen Spaziergang zum Container Hafen.

Wir haben den Eindruck, dass trotz der Blockade reger Betrieb herrscht. Uns wird jedoch versichert, verglichen mit dem was vor der Blockade hier umgesetzt worden sei, sei dies gar nichts. Kleines aber wichtiges Detail am Rande: Vor der Blockade waren die Hafenarbeiter angestellt. Heute stellen sie sich täglich an, vielleicht bekommen sie Arbeit, vielleicht auch nicht. Die Schiffe, die reinkommen, kommen aus Russland, dem Iran und aus anderen Ländern, die sich weigern, die verbrecherische Blockade mit zu vollziehen. Falls wir überhaupt einen Unterschied zwischen Stadt und Land bemerken, dann diesen: Die allgegenwärtige Armut ist auf dem Land auch da, aber sie ist würdevoller. Die Armut in der Stadt erleben wir als trostlos: Kinder und Erwachsene, die den Müll nach etwas brauchbarem, Karton, Petflaschen oder nach Esswaren durchwühlen. Auch das ist Syrien im Jahr 2023, auch das haben wir zuvor nicht gesehen, auch nicht in den Jahren des Krieges.

Fazit unserer Eindrücke

„Vorsichtig optimistisch“ beschreibt wohl am ehesten unsere Empfindungen nach dieser Reise nach Syrien im Jahr 2023. Die Menschen sind kriegsmüde, der Krieg ist weitgehend beendet und das ist natürlich gut. Die Banden im Norden zur türkischen Grenze, die US Truppen, welche das Land gemeinsam mit ihren Vasallen besetzt halten sowie die ständigen Angriffe Israels verhindern jedoch einen nachhaltigen Frieden. Globale Zusammenhänge spielen natürlich eine Rolle. Russland ist offensichtlich nicht mehr willens oder nicht mehr fähig, sich so für Syrien zu engagieren, wie dies noch vor dem NATO Überfall gegen Russland in der Ukraine der Fall war. Iran ist, ebenso wie Russland auch, von illegalen Sanktionen betroffen und kann auch nur noch beschränkt Hilfe leisten. Gleichwohl ist Syrien nicht auf sich allein gestellt. Die Rückkehr des Landes in die arabische Liga ist ebenso ein Anlass zur Hoffnung wie die allgemeine globale Entwicklung. Mehr und mehr Länder des Südens erkennen, dass sie der westlichen Politik, egal ob von der EU oder den USA kommend, nicht trauen können. Mehr und mehr erkennen sie die Notwendigkeit zum Aufbau einer Welt, in welcher nicht die imperiale Hegemonie, sondern das wirkliche Selbstbestimmungsrecht der Völker gilt. Syrien, das syrische Volk und die syrische Regierung sind ein wichtiger Teil dieses Gestaltungsprozesses.

Eine Veränderung der Verhältnisse – dies wurde uns in mehreren Gesprächen bestätigt – wird nicht vom Westen aus kommen. Die Pläne der westlichen Regierungen sind klar: Die Zerstörung und die Zerstückelung Syriens, analog zum Irak, analog zu Libyen, analog zu Jugoslawien, analog zu jedem anderen Land, welches dem westlichen Diktat nicht folgt. Es gibt zwar Anzeichen dafür, dass Menschen in Europa und in den USA aufwachen. Es gibt vereinzelte Proteste gegen die mörderische zionistische, rassistische und eurozentristische Politik. Dies sind erkennbare aber schwache Anstrengungen, die indes um so mehr gewürdigt werden müssen.

Die wirkliche Veränderung jedoch wird von den heute ausgebeuteten, mit Blockaden belegten Ländern kommen. Sie haben die Macht und gemeinsam haben sie auch die Stärke, dem Imperialismus zu widerstehen und ihn schlussendlich zu besiegen. Die Süd-Kooperation ist eines der Werkzeuge, welches die Säulen der imperialistischen Macht schlussendlich zum Einsturz bringen kann. Wir, die wir im Herzen der Bestie leben, haben die Aufgabe, diese Länder in ihren Bemühungen zu unterstützen und der Kriegshetze der Mächtigen hier unsere Solidarität mit den Angegriffenen dort entgegen zu halten. Die Wahrheit lässt sich eine Weile, aber niemals auf Dauer unterdrücken!


Fußnoten:

1 Siehe u.a. http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24573 oder hier: http://nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24527 (letzter Zugriff jeweils Juni 2023)
2 „Syrien, ein Land im Widerstand – mehr als ein Reisebreicht“, Heizmann und Heizmann, TuP Verlag Hamburg
3 https://2017-2021.state.gov/caesar-syria-civilian-protection-act/index.html (Letzter Zugriff Juni 2023)
4 Mehr zur Begrifflichkeit „Tiefer Staat“ in: „Der tiefe Staat schlägt zu – wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet“ Ulrich Mies (Hg), Promedia Verlag, Wien, 2019
5 Quelle: https://sana.sy/en/?p=310931 (Letzter Zugriff Juni 2023)

Online-Flyer Nr. 814  vom 28.06.2023

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