SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Literatur
Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft – Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 46
Amerikas Freund zu sein, ist tödlich
Buchtipp von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Was seit Juli 2023 vorliegt, ist ein Geschichtsbuch der Sonderklasse. Es trägt den Titel „Verhängnisvolle Freundschaft – Wie die USA Europa eroberten – zunächst vom 1. zum 2. Weltkrieg“ und gibt einen tiefen Einblick in die Global-Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und auch darüber hinaus. Es macht deutlich, dass die bislang verbreitete Geschichtsschreibung, die in erster Linie eine Geschichtsschreibung der Herrschenden ist, definitiv neu verfasst werden muss. Das Buch beginnt mit einem Kissinger-Zitat. Es lautet: „It may be dangerous to be Americas enemy, but to be Americas friend is fatal.“ Zu deutsch: „Es kann gefährlich sein, Amerikas Feind zu sein; aber Amerikas Freund zu sein, ist verhängnisvoll.“ Aber es kann auch übersetzt werden mit: „...Amerikas Freund zu sein, ist tödlich“. Denn das englische „fatal“ hat auch diese Bedeutung. In diesem Sinne taucht das Wort auch in der EMA-Datenbank der EU über Nebenwirkungen der Corona-Injektionen auf und weist damit darauf hin, dass wahrscheinlich schon deutlich mehr als eine Million Menschen daran zu Tode gekommen sind. Ja, es ist verhängnisvoll, den Verheißungen des „amerikanischen“ Imperiums zu folgen. Das galt nicht nur in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, das gilt auch heute – nicht nur hinsichtlich Corona, sondern auch in Sachen Ukraine, Klima, digitale Zentralbankwährung und was es sonst noch alles gibt, womit die Menschen hinters Licht geführt werden sollen.
Sowjetunion: ein Produkt des US-Imperiums?
1986 hat der britische Historiker Antony C. Sutton ein Buch mit dem Titel „THE BEST ENEMY MONEY CAN BUY“ verfasst (zu deutsch: „Der beste Feind, den man sich kaufen kann“). Damit will er offensichtlich zu erkennen geben, dass eine Macht wie das US-Imperium nicht nur Freunde, sondern auch Feinde braucht. Es ist nicht auszuschließen, dass die USA die militärischen Fähigkeiten ihres größten Feindes des 20. Jahrhunderts – der Sowjetunion – aufbauen halfen – bis hin zum Aufbau als Nuklear-Macht – entsprechend der Logik: ohne Feind keine Rüstung. Und ohne Rüstung kein Profit – selbst auf die Gefahr hin, dass die Welt dabei zugrunde geht. Entsprechend heißt ein früheres Buch von Antony C. Sutton – aus dem Jahr 1973: „National Suicide: Military Aid to the Soviet Union“ (zu deutsch: „Nationaler Selbstmord: Militärhilfe für die Sowjetunion“.
Was hat das alles mit Werner Rügemer und seinem Buch „Verhängnisvolle Freundschaft“ zu tun? Nun: Werner Rügemer führt die beiden erwähnten Bücher von Antony C. Sutton in seiner umfangreichen Literaturliste zwar nicht auf, aber er kommt weitgehend zu ähnlichen Ergebnissen. So heißt es gleich auf den ersten Seiten: „Wall-Street-Banker geiferten mit Beginn der revolutionären Umbrüche 1917 in Russland auf noch mehr gewinnbringende Investitionen und umgarnten die neuen Regierungen. Nach der fehlgeschlagenen militärischen Intervention einer Allianz, an der sich auch die USA beteiligten, investierten Ford, General Electric, Radio Corporation of America, Harriman & Co. – die Sowjetunion erstarkte... „ Doch später „wurde die Sowjetunion zum Todfeind. Im strategischen Schwenk rüsteten [US-Konzerne] die Hitler-Wehrmacht auf. Nun sollte die Sowjetunion vernichtet werden... Hitler wurde zum Medienstar, auch mithilfe Hollywoods, das Olympische Komitee der USA, zusammen mit denen Englands, Frankreichs, Japans, Finnlands und Südafrikas, retteten gegen die internationale, auch jüdische Boykottbewegung die Olympischen Spiele 1936 für Hitler in Berlin, rüsteten die Wehrmacht gegen die Sowjetunion auf.“
Hitler-Deutschland: ein Produkt des US-Imperiums?
Durch die PR-Agentur von Ivy Lee sei von Sowjetunion auf Hitler umgeschaltet worden. In dem Zusammenhang schreibt Werner Rügemer: „US-Konzerne wie Standard Oil lieferten an das Deutsche Reich – erst vor, dann auch unter den Nazis: Öl, Benzin, Schmieröle, Dieselöl, aber auch Komponenten wie Ethyl. Mit US-Patenten konnten die IG Farben Benzin und auch das wichtige Flugbenzin aus der in Deutschland massenhaft verfügbaren Braunkohle herstellen... GM/Opel errichtete 1938 in Brandenburg ein neues Werk für die Produktion von 25.000 Lkw jährlich. GM und Ford produzierten schließlich fast 90 Prozent der gepanzerten 3-Tonnen-Leichtkraftwagen und 70 Prozent der mittleren und Schwer-Lkw. Ford stellte von Pkw auf Kriegs-Lkw um und erreichte den weitaus größten Produktionsumfang im Kriegsjahr 1943... Die Kartelle zwischen US- und deutschen Unternehmen aus den 1920er Jahren bestanden fort, z.B. Standard Oil und IG Farben. Die USA belieferten das Deutsche Reich für die Blitzkriege vor dem großen Krieg und auch bis in die ersten Monate des Russlandfeldzugs im Oktober 1941 mit Öl und Benzin... Schon vor 1933 war GM der zweitgrößte Auftraggeber von Werbeanzeigen im NS-Führungsmedium ‘Völkischer Beobachter’. Auch die Aussonderung von Juden vollzogen US-Filialen nach 1933 ohne Protest mit... Als ‘judenfrei’ präsentierten sich auch andere US-Unternehmen in Deutschland, so ITT in seinen vielen Filialen... Beim Einmarsch der Wehrmacht in Österreich prangten Hakenkreuz und das Cola-Emblem nebeneinander.“
Damit bestätigt Werner Rügemer weitgehend auch das, was der Historiker Guido Giacomo Preparata in seinem Buch „Conjuring Hitler – How Britain and America made the Third Reich“ (zu deutsch: „Hitler heraufbeschwören – Wie Großbritannien und USA das Dritte Reich haben entstehen lassen“) darlegt, nämlich wie die Strategie der USA und Großbritanniens darauf ausgerichtet war, Deutschland und die Sowjetunion gegeneinander in die Schlacht ziehen zu lassen – beginnend in den 1920er-Jahren damit, die Aufrüstung Deutschlands, den Aufstieg der NSDAP und dann die einzelnen militärischen Schritte Hitler-Deutschlands hin zur Operation Barbarossa, des Feldzugs gegen die Sowjetunion, zuzulassen und zu fördern.
Lenin: Wir brauchen amerikanische Industriegüter, Lokomotiven, Autos…
Doch noch einmal zurück zum Verhältnis zwischen US-Kapital und Sowjetunion, das Werner Rügemer an folgendem Beispiel darlegt: „Der antikommunistische, aber pragmatische Wall-Street-Anwalt und Unternehmer Avereil Harriman... vereinbarte 1920 mit der Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) ein Kartell zur gegenseitigen Vertretung und zur Aufteilung des Marktes. Obwohl die US-Regierungen das ‘kommunistische’ Russland und dann die Sowjetunion bis 1933 nicht diplomatisch anerkannten, gingen Harriman & Genossen ungestört ihren Geschäften in Feindesland nach. 1922 gründete er... mit der Leninschen Regierung ein 50-zu-50-Joint-Venture, die Deutsch-Russische Transport-Gesellschaft...“ und organisierte „Kredite an die Sowjetunion“. Unter der Zwischenüberschrift „Lenin: Wir brauchen die USA, aber sie bleiben unser Feind“ heißt es: „Den pragmatischen Einsichten der Kapitalisten kam die Leninsche Regierung entgegen. Mit der ‘Neuen Ökonomischen Politik’ hatte Lenin im Februar 1920 erklärt: ‘Wir brauchen amerikanische Industriegüter, Lokomotiven, Autos und ähnliches, mehr als die irgendeines anderen Landes.’ Lenin betonte aber auch, dass man sich vor dem Würgegriff des US-Kapitals hüten müsse. Harriman & Co. verfolgten dabei eine spiegelverkehrte Strategie...“
Und noch ein paar Beispiele, die Werner Rügemer aufführt: „General Electric (GE) lieferte auf Kredit elektrische Ausrüstungen und hatte wesentlichen Anteil an der Elektrifizierung des Landes, nach dem Motto der Kommunistischen Partei: ‘Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes’, verkündet beim VIII. Gesamtrussischen Sowjetkongress 1920. Rockefellers Standard Oil und Vacuum Oil kauften vom Industrie-Banken-Komplex Nobel/Rothschild die Konzessionen für die Ölfelder von Baku, die damals größten erschlossenen Ölfelder der Erde, und übernahmen die internationale Vermarktung russischen Erdöls. Standard Oil baute in Baku eine Kerosinanlage... Ford verkaufte Traktoren und lizensierte den Bau der Automobilwerke in Gorki. DuPont stellte die Technologie für den Bau von Salpetersäurefabriken... Morgans Guaranty Trust half bei der Gründung der ersten internationalen sowjetischen Bank, Raskombank.“
China: vom Freund zum System- und Todfeind
Auch für China diagnostiziert Werner Rügemer die Freund-Feind-Strategie: „Solange China wirtschaftlich schwach war und die Supergewinne von Apple, Microsoft, Ford & Co. hoch waren, blieb China der Freund. Als China industriell und technologisch erstarkte, die Löhne anhob und breiten Wohlstand für die bisher Armen schaffte und mit einer militärisch nicht begleiteten, alternativen Globalisierung Erfolge hatte – da wurde es unter dem freundlich grinsenden Präsidenten Barack Obama zum System- und Todfeind...“
Im Zangengriff von Investitionen, Krediten, Militär, Geheimdiensten und Fake-PR
Umfassender beschreibt Werner Rügemer die Situation so; „Ergänzt wird der Allein- und Allmachtsanspruch [des US-Imperiums] biblisch durch ‘Gods own Country’ und ‘God bless America’, durch die ‘auserwählte Nation’... und den ‘amerikanischen Exzeptionalismus’... All das gehört zu den Genen des US-Staates.“ Und er fährt fort: „Später waren die lateinamerikanischen, karibischen und asiatischen ‘Hinterhöfe’ dran, seit dem 1. Weltkrieg bis heute dann Europa und die ganze Erde – durch den Zangengriff von Investitionen, Krediten, Militär, Geheimdiensten und Fake-PR.“ Und: „Wie in Hiroshima und Nagasaki begonnen, wurde dem so scheinbar freundlich geförderten (West-)Europa zudem eine tödliche Aufgabe aufgezwungen: Mit der Doktrin des atomaren Erstschlags machten die USA Europa zum Standort eines möglichen atomaren Krieges gegen die Sowjetunion: Das gilt bis heute.“
Hitler-Faschismus und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
Zurück zur Zeit des Hitler-Faschismus – dazu schreibt Werner Rügemer: „Der US-Kapitalismus operierte auch im Europa der 1930er Jahre unter der Flagge von ‘Frieden’, ‘Demokratie’ und ‘freier Handel’ – und kooperierte mit allen faschistischen Diktatoren gegen die ‘kommunistische Gefahr’... US-Konzerne und US-Leitmedien förderten politisch vorzugsweise Diktaturen, nicht nur Mussolini und Pilsudski wie bisher, sondern nun auch Hitler in Deutschland...“ Aus dem, was Werner Rügemer beschreibt, lässt sich bilanzieren: Ergebnis des Krieges von 1939 bis 1945 ist eine ausgeblutete Sowjetunion und ein (West-)Deutschland als Vasallenstaat im US-Imperium. Und es ist ein Jahrhundertfeindbild geschaffen. Der einst geförderte „Führer“ ist zur Inkarnation des Bösen mutiert, auf den bei der Schaffung neuer Feindbilder bei Bedarf Bezug genommen werden kann: Milosevic, Saddam Hussein, Ahmadinedschad, Gaddafi und heute Putin – um nur einige Beispiele zu nennen.
Umfangreich nimmt Werner Rügemer auch die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ – oder englisch: BIS) unter die Lupe, von der Adam LeBor in seinem Buch „Der Turm zu Basel“ schreibt: „Sie finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis.“ Sie war ein entscheidendes Instrument bei der Umsetzung der Strategie, das Böse zu züchten, von dem es dann die Welt zu befreien galt. Bei Werner Rügemer liest sich das z.B. so: „Für die Kriegsgeschäfte wurde zum 1. Januar 1940 wieder ein Wall-Street-Banker zum BIS-Präsidenten: Thomas McKittrick.“ Und dann ist zu lesen: „Die deutsche Reichsbank blieb auch 1933 Aktionär der BIS. Das Deutsche Reich entsandte den von Hitler wiederernannten Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht in den BIS-Verwaltungsrat. Die BIS akzeptierte ebenso, dass Schacht [den jüdischen Bankier] Carl Melchior rauswarf... Gegen diesen Antisemitismus kam bei den Wall-Street-Bankern kein Protest auf. Auch nicht als die Hitler-Regierung Kurt Freiherr von Schröder, SS-Mitglied, als Nachfolger von Melchior benannte. Von Schröder hatte in seiner Kölner Bank J. H. Stein das Sonderkonto S zugunsten von Himmlers SS eingerichtet. Er hatte durch das Geheimtreffen am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa... die Kanzlerschaft Hitlers eingefädelt. Außerdem war er Vertreter von ITT in Deutschland, Schwiegersohn des IG-Farben-Großaktionärs Georg von Schnitzler sowie Sprecher der Reichsgruppe der deutschen Privatbanken. Er hatte beste Verbindungen zu den verwandten Banken des Schröder-Clans in New York und London...“
Müssen wir die Menschheit retten?
Das ist natürlich bei weitem nicht alles, was das Buch zu bieten hat. Es schildert die Machtverhältnisse auf dem Globus in einer Fülle und mit einem Tiefgang wie kaum ein anderes. Was ist aus all diesen Erkenntnissen zu schließen? Am Ende seines Buches gibt Werner Rügemer einen Ausblick. Er sieht einen geschrumpften „American Imperialism“. Dessen Bedingungen hätten sich verschlechtert – was ihn, hochgerüstet wie nie, umso gefährlicher mache. Das heißt für ihn: „Wir brauchen neue Portale, neue Versammlungs-, Organisations- und Aktionsformen!“ Und dann stellt er die Frage: „Müssen wir die Menschheit retten?“ Darauf gibt er eine klare Antwort. Die lautet: „Nein! Es gibt Leute und Akteure, die müssen und dürfen nicht gerettet werden.“
Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft - Wie die USA Europa eroberten - Erste Stufe: Vom 1. zum 2. Weltkrieg
PapyRossa Verlag, Köln 2023, Paperback, 324 Seiten, 22,90 Euro
Mit Freedom, Democracy und Wohlstand präsentierte sich der aufsteigende US-Kapitalismus der Welt. Doch die Praktiken von »America First« mit Völkermord, Arbeitsausbeutung, kriegerischem Raub fremden Eigentums wurden nur modernisiert. Der Erste Weltkrieg wurde das erste große Globalgeschäft, Bündnispartner wurden abhängig. Nach dem Krieg investierten US-Konzerne in Westeuropa. Mussolini wurde mit Krediten überhäuft. US-Konzerne belieferten Franco und rüsteten die deutsche Wehrmacht für einen Krieg gegen »Russland« aus. Die US-geführte neue Zentralbank in der Schweiz wusch NS-Raubgold. Die Verfolgung der Juden wurde verdrängt. Mit dem Abwurf von zwei Atombomben auf die Zivilbevölkerung begannen neue Kriege gegen neue Feinde – unter systematischem Bruch des Völkerrechts.
Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 46 (September 2023) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
Online-Flyer Nr. 820 vom 11.10.2023
Druckversion
Literatur
Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft – Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 46
Amerikas Freund zu sein, ist tödlich
Buchtipp von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Was seit Juli 2023 vorliegt, ist ein Geschichtsbuch der Sonderklasse. Es trägt den Titel „Verhängnisvolle Freundschaft – Wie die USA Europa eroberten – zunächst vom 1. zum 2. Weltkrieg“ und gibt einen tiefen Einblick in die Global-Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und auch darüber hinaus. Es macht deutlich, dass die bislang verbreitete Geschichtsschreibung, die in erster Linie eine Geschichtsschreibung der Herrschenden ist, definitiv neu verfasst werden muss. Das Buch beginnt mit einem Kissinger-Zitat. Es lautet: „It may be dangerous to be Americas enemy, but to be Americas friend is fatal.“ Zu deutsch: „Es kann gefährlich sein, Amerikas Feind zu sein; aber Amerikas Freund zu sein, ist verhängnisvoll.“ Aber es kann auch übersetzt werden mit: „...Amerikas Freund zu sein, ist tödlich“. Denn das englische „fatal“ hat auch diese Bedeutung. In diesem Sinne taucht das Wort auch in der EMA-Datenbank der EU über Nebenwirkungen der Corona-Injektionen auf und weist damit darauf hin, dass wahrscheinlich schon deutlich mehr als eine Million Menschen daran zu Tode gekommen sind. Ja, es ist verhängnisvoll, den Verheißungen des „amerikanischen“ Imperiums zu folgen. Das galt nicht nur in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, das gilt auch heute – nicht nur hinsichtlich Corona, sondern auch in Sachen Ukraine, Klima, digitale Zentralbankwährung und was es sonst noch alles gibt, womit die Menschen hinters Licht geführt werden sollen.
Sowjetunion: ein Produkt des US-Imperiums?
1986 hat der britische Historiker Antony C. Sutton ein Buch mit dem Titel „THE BEST ENEMY MONEY CAN BUY“ verfasst (zu deutsch: „Der beste Feind, den man sich kaufen kann“). Damit will er offensichtlich zu erkennen geben, dass eine Macht wie das US-Imperium nicht nur Freunde, sondern auch Feinde braucht. Es ist nicht auszuschließen, dass die USA die militärischen Fähigkeiten ihres größten Feindes des 20. Jahrhunderts – der Sowjetunion – aufbauen halfen – bis hin zum Aufbau als Nuklear-Macht – entsprechend der Logik: ohne Feind keine Rüstung. Und ohne Rüstung kein Profit – selbst auf die Gefahr hin, dass die Welt dabei zugrunde geht. Entsprechend heißt ein früheres Buch von Antony C. Sutton – aus dem Jahr 1973: „National Suicide: Military Aid to the Soviet Union“ (zu deutsch: „Nationaler Selbstmord: Militärhilfe für die Sowjetunion“.
Was hat das alles mit Werner Rügemer und seinem Buch „Verhängnisvolle Freundschaft“ zu tun? Nun: Werner Rügemer führt die beiden erwähnten Bücher von Antony C. Sutton in seiner umfangreichen Literaturliste zwar nicht auf, aber er kommt weitgehend zu ähnlichen Ergebnissen. So heißt es gleich auf den ersten Seiten: „Wall-Street-Banker geiferten mit Beginn der revolutionären Umbrüche 1917 in Russland auf noch mehr gewinnbringende Investitionen und umgarnten die neuen Regierungen. Nach der fehlgeschlagenen militärischen Intervention einer Allianz, an der sich auch die USA beteiligten, investierten Ford, General Electric, Radio Corporation of America, Harriman & Co. – die Sowjetunion erstarkte... „ Doch später „wurde die Sowjetunion zum Todfeind. Im strategischen Schwenk rüsteten [US-Konzerne] die Hitler-Wehrmacht auf. Nun sollte die Sowjetunion vernichtet werden... Hitler wurde zum Medienstar, auch mithilfe Hollywoods, das Olympische Komitee der USA, zusammen mit denen Englands, Frankreichs, Japans, Finnlands und Südafrikas, retteten gegen die internationale, auch jüdische Boykottbewegung die Olympischen Spiele 1936 für Hitler in Berlin, rüsteten die Wehrmacht gegen die Sowjetunion auf.“
Hitler-Deutschland: ein Produkt des US-Imperiums?
Durch die PR-Agentur von Ivy Lee sei von Sowjetunion auf Hitler umgeschaltet worden. In dem Zusammenhang schreibt Werner Rügemer: „US-Konzerne wie Standard Oil lieferten an das Deutsche Reich – erst vor, dann auch unter den Nazis: Öl, Benzin, Schmieröle, Dieselöl, aber auch Komponenten wie Ethyl. Mit US-Patenten konnten die IG Farben Benzin und auch das wichtige Flugbenzin aus der in Deutschland massenhaft verfügbaren Braunkohle herstellen... GM/Opel errichtete 1938 in Brandenburg ein neues Werk für die Produktion von 25.000 Lkw jährlich. GM und Ford produzierten schließlich fast 90 Prozent der gepanzerten 3-Tonnen-Leichtkraftwagen und 70 Prozent der mittleren und Schwer-Lkw. Ford stellte von Pkw auf Kriegs-Lkw um und erreichte den weitaus größten Produktionsumfang im Kriegsjahr 1943... Die Kartelle zwischen US- und deutschen Unternehmen aus den 1920er Jahren bestanden fort, z.B. Standard Oil und IG Farben. Die USA belieferten das Deutsche Reich für die Blitzkriege vor dem großen Krieg und auch bis in die ersten Monate des Russlandfeldzugs im Oktober 1941 mit Öl und Benzin... Schon vor 1933 war GM der zweitgrößte Auftraggeber von Werbeanzeigen im NS-Führungsmedium ‘Völkischer Beobachter’. Auch die Aussonderung von Juden vollzogen US-Filialen nach 1933 ohne Protest mit... Als ‘judenfrei’ präsentierten sich auch andere US-Unternehmen in Deutschland, so ITT in seinen vielen Filialen... Beim Einmarsch der Wehrmacht in Österreich prangten Hakenkreuz und das Cola-Emblem nebeneinander.“
Damit bestätigt Werner Rügemer weitgehend auch das, was der Historiker Guido Giacomo Preparata in seinem Buch „Conjuring Hitler – How Britain and America made the Third Reich“ (zu deutsch: „Hitler heraufbeschwören – Wie Großbritannien und USA das Dritte Reich haben entstehen lassen“) darlegt, nämlich wie die Strategie der USA und Großbritanniens darauf ausgerichtet war, Deutschland und die Sowjetunion gegeneinander in die Schlacht ziehen zu lassen – beginnend in den 1920er-Jahren damit, die Aufrüstung Deutschlands, den Aufstieg der NSDAP und dann die einzelnen militärischen Schritte Hitler-Deutschlands hin zur Operation Barbarossa, des Feldzugs gegen die Sowjetunion, zuzulassen und zu fördern.
Lenin: Wir brauchen amerikanische Industriegüter, Lokomotiven, Autos…
Doch noch einmal zurück zum Verhältnis zwischen US-Kapital und Sowjetunion, das Werner Rügemer an folgendem Beispiel darlegt: „Der antikommunistische, aber pragmatische Wall-Street-Anwalt und Unternehmer Avereil Harriman... vereinbarte 1920 mit der Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) ein Kartell zur gegenseitigen Vertretung und zur Aufteilung des Marktes. Obwohl die US-Regierungen das ‘kommunistische’ Russland und dann die Sowjetunion bis 1933 nicht diplomatisch anerkannten, gingen Harriman & Genossen ungestört ihren Geschäften in Feindesland nach. 1922 gründete er... mit der Leninschen Regierung ein 50-zu-50-Joint-Venture, die Deutsch-Russische Transport-Gesellschaft...“ und organisierte „Kredite an die Sowjetunion“. Unter der Zwischenüberschrift „Lenin: Wir brauchen die USA, aber sie bleiben unser Feind“ heißt es: „Den pragmatischen Einsichten der Kapitalisten kam die Leninsche Regierung entgegen. Mit der ‘Neuen Ökonomischen Politik’ hatte Lenin im Februar 1920 erklärt: ‘Wir brauchen amerikanische Industriegüter, Lokomotiven, Autos und ähnliches, mehr als die irgendeines anderen Landes.’ Lenin betonte aber auch, dass man sich vor dem Würgegriff des US-Kapitals hüten müsse. Harriman & Co. verfolgten dabei eine spiegelverkehrte Strategie...“
Und noch ein paar Beispiele, die Werner Rügemer aufführt: „General Electric (GE) lieferte auf Kredit elektrische Ausrüstungen und hatte wesentlichen Anteil an der Elektrifizierung des Landes, nach dem Motto der Kommunistischen Partei: ‘Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes’, verkündet beim VIII. Gesamtrussischen Sowjetkongress 1920. Rockefellers Standard Oil und Vacuum Oil kauften vom Industrie-Banken-Komplex Nobel/Rothschild die Konzessionen für die Ölfelder von Baku, die damals größten erschlossenen Ölfelder der Erde, und übernahmen die internationale Vermarktung russischen Erdöls. Standard Oil baute in Baku eine Kerosinanlage... Ford verkaufte Traktoren und lizensierte den Bau der Automobilwerke in Gorki. DuPont stellte die Technologie für den Bau von Salpetersäurefabriken... Morgans Guaranty Trust half bei der Gründung der ersten internationalen sowjetischen Bank, Raskombank.“
China: vom Freund zum System- und Todfeind
Auch für China diagnostiziert Werner Rügemer die Freund-Feind-Strategie: „Solange China wirtschaftlich schwach war und die Supergewinne von Apple, Microsoft, Ford & Co. hoch waren, blieb China der Freund. Als China industriell und technologisch erstarkte, die Löhne anhob und breiten Wohlstand für die bisher Armen schaffte und mit einer militärisch nicht begleiteten, alternativen Globalisierung Erfolge hatte – da wurde es unter dem freundlich grinsenden Präsidenten Barack Obama zum System- und Todfeind...“
Im Zangengriff von Investitionen, Krediten, Militär, Geheimdiensten und Fake-PR
Umfassender beschreibt Werner Rügemer die Situation so; „Ergänzt wird der Allein- und Allmachtsanspruch [des US-Imperiums] biblisch durch ‘Gods own Country’ und ‘God bless America’, durch die ‘auserwählte Nation’... und den ‘amerikanischen Exzeptionalismus’... All das gehört zu den Genen des US-Staates.“ Und er fährt fort: „Später waren die lateinamerikanischen, karibischen und asiatischen ‘Hinterhöfe’ dran, seit dem 1. Weltkrieg bis heute dann Europa und die ganze Erde – durch den Zangengriff von Investitionen, Krediten, Militär, Geheimdiensten und Fake-PR.“ Und: „Wie in Hiroshima und Nagasaki begonnen, wurde dem so scheinbar freundlich geförderten (West-)Europa zudem eine tödliche Aufgabe aufgezwungen: Mit der Doktrin des atomaren Erstschlags machten die USA Europa zum Standort eines möglichen atomaren Krieges gegen die Sowjetunion: Das gilt bis heute.“
Hitler-Faschismus und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
Zurück zur Zeit des Hitler-Faschismus – dazu schreibt Werner Rügemer: „Der US-Kapitalismus operierte auch im Europa der 1930er Jahre unter der Flagge von ‘Frieden’, ‘Demokratie’ und ‘freier Handel’ – und kooperierte mit allen faschistischen Diktatoren gegen die ‘kommunistische Gefahr’... US-Konzerne und US-Leitmedien förderten politisch vorzugsweise Diktaturen, nicht nur Mussolini und Pilsudski wie bisher, sondern nun auch Hitler in Deutschland...“ Aus dem, was Werner Rügemer beschreibt, lässt sich bilanzieren: Ergebnis des Krieges von 1939 bis 1945 ist eine ausgeblutete Sowjetunion und ein (West-)Deutschland als Vasallenstaat im US-Imperium. Und es ist ein Jahrhundertfeindbild geschaffen. Der einst geförderte „Führer“ ist zur Inkarnation des Bösen mutiert, auf den bei der Schaffung neuer Feindbilder bei Bedarf Bezug genommen werden kann: Milosevic, Saddam Hussein, Ahmadinedschad, Gaddafi und heute Putin – um nur einige Beispiele zu nennen.
Umfangreich nimmt Werner Rügemer auch die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ – oder englisch: BIS) unter die Lupe, von der Adam LeBor in seinem Buch „Der Turm zu Basel“ schreibt: „Sie finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis.“ Sie war ein entscheidendes Instrument bei der Umsetzung der Strategie, das Böse zu züchten, von dem es dann die Welt zu befreien galt. Bei Werner Rügemer liest sich das z.B. so: „Für die Kriegsgeschäfte wurde zum 1. Januar 1940 wieder ein Wall-Street-Banker zum BIS-Präsidenten: Thomas McKittrick.“ Und dann ist zu lesen: „Die deutsche Reichsbank blieb auch 1933 Aktionär der BIS. Das Deutsche Reich entsandte den von Hitler wiederernannten Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht in den BIS-Verwaltungsrat. Die BIS akzeptierte ebenso, dass Schacht [den jüdischen Bankier] Carl Melchior rauswarf... Gegen diesen Antisemitismus kam bei den Wall-Street-Bankern kein Protest auf. Auch nicht als die Hitler-Regierung Kurt Freiherr von Schröder, SS-Mitglied, als Nachfolger von Melchior benannte. Von Schröder hatte in seiner Kölner Bank J. H. Stein das Sonderkonto S zugunsten von Himmlers SS eingerichtet. Er hatte durch das Geheimtreffen am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa... die Kanzlerschaft Hitlers eingefädelt. Außerdem war er Vertreter von ITT in Deutschland, Schwiegersohn des IG-Farben-Großaktionärs Georg von Schnitzler sowie Sprecher der Reichsgruppe der deutschen Privatbanken. Er hatte beste Verbindungen zu den verwandten Banken des Schröder-Clans in New York und London...“
Müssen wir die Menschheit retten?
Das ist natürlich bei weitem nicht alles, was das Buch zu bieten hat. Es schildert die Machtverhältnisse auf dem Globus in einer Fülle und mit einem Tiefgang wie kaum ein anderes. Was ist aus all diesen Erkenntnissen zu schließen? Am Ende seines Buches gibt Werner Rügemer einen Ausblick. Er sieht einen geschrumpften „American Imperialism“. Dessen Bedingungen hätten sich verschlechtert – was ihn, hochgerüstet wie nie, umso gefährlicher mache. Das heißt für ihn: „Wir brauchen neue Portale, neue Versammlungs-, Organisations- und Aktionsformen!“ Und dann stellt er die Frage: „Müssen wir die Menschheit retten?“ Darauf gibt er eine klare Antwort. Die lautet: „Nein! Es gibt Leute und Akteure, die müssen und dürfen nicht gerettet werden.“
Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft - Wie die USA Europa eroberten - Erste Stufe: Vom 1. zum 2. Weltkrieg
PapyRossa Verlag, Köln 2023, Paperback, 324 Seiten, 22,90 Euro
Mit Freedom, Democracy und Wohlstand präsentierte sich der aufsteigende US-Kapitalismus der Welt. Doch die Praktiken von »America First« mit Völkermord, Arbeitsausbeutung, kriegerischem Raub fremden Eigentums wurden nur modernisiert. Der Erste Weltkrieg wurde das erste große Globalgeschäft, Bündnispartner wurden abhängig. Nach dem Krieg investierten US-Konzerne in Westeuropa. Mussolini wurde mit Krediten überhäuft. US-Konzerne belieferten Franco und rüsteten die deutsche Wehrmacht für einen Krieg gegen »Russland« aus. Die US-geführte neue Zentralbank in der Schweiz wusch NS-Raubgold. Die Verfolgung der Juden wurde verdrängt. Mit dem Abwurf von zwei Atombomben auf die Zivilbevölkerung begannen neue Kriege gegen neue Feinde – unter systematischem Bruch des Völkerrechts.
Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 46 (September 2023) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
Online-Flyer Nr. 820 vom 11.10.2023
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FILMCLIP
FOTOGALERIE