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Nachforschungen über Kurt Freiherr von Schröder, Bankier und Wegbereiter des Hitlerfaschismus
Hohenstein: "Sternstunde" deutscher Geschichte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder habe insbesondere mittels eines Treffens am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa eine wesentliche Rolle bei der "Machtergreifung" Hitlers gespielt, wird behauptet. Stimmt das? „Der amerikanische Historiker Henry Ashby Turner stellt... fest, dass Schröder nur ein 'Teilhaber einer mittelgroßen Provinzbank' war, der kaum für die Wirtschaft sprechen konnte. Er sei nur ein Bindeglied in einer zufälligen Kette persönlicher Beziehungen gewesen; ein bloßer Statist.“ Das steht bei wikipedia über das Treffen vom 4. Januar 1933.
Kurt Bachmann vor der Villa Schröder (aus dem Projekt „Gegen den braunen Strom – Kölner WiderstandskämpferInnen in Portraits der Arbeiterfotografie Köln“ von 1990/91 in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln)
Aber immerhin heißt es auf einer Gedenktafel vor der Villa Schröder in Köln am Stadtwaldgürtel 35: „Hier, im Haus des Privatbankiers Kurt Freiherr von Schröder trafen sich am 4. Januar 1933 Adolf Hitler und Franz von Papen, um über eine Regierungsbildung zwischen Nationalsozialisten und Rechtskonservativen zu beraten. In diesem Gespräch wurden die Weichen für Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des Nationalsozialismus und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen der deutschen Wirtschaft an die SS.“ Auch bei dieser Inschrift stellt sich die Frage, ob oder inwieweit das alles zutrifft.
Gedenktafel vor der Villa Schröder, Köln, Stadtwaldgürtel 35 (Foto: Arbeiterfotografie)
2019 ist ein Buch mit dem Titel "Hohenstein" erschienen, dessen Klappentext mit dem folgenden Satz beginnt: "100 Jahre Deutsche Geschichte – gelebt von vier Generationen einer Familie auf dem idyllisch an der Eckernförder Bucht gelegenen Landgut Hohenstein." Das Gut Hohenstein bei Eckernförde ist der Ort, wo Schröder nach Ende des "Tausendjährigen Reichs" bis 1966 – nach kurzer Inhaftierung – seinen Lebensabend verbrachte und in einer privaten Grablegestelle seine letzte Ruhestätte fand. Dieses Buch ist vergriffen und nur noch vereinzelt antiquarisch zu beschaffen. Autor ist Bogislav-Tessen von Gerlach, Enkel von Kurt Freiherr von Schröder, der eine Vielzahl von Dokumenten aus dem Nachlass seines Großvaters ausgewertet hat. Einem handgeschriebenen Schriftstück, das Konrad Adenauer am 1. August 1932 verfasst hat, ist z.B. zu entnehmen: „Das Zentrum wird bereit sein, das Zustandekommen einer Regierung aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen unter Hitler als Reichskanzler zu tolerieren und ganz unvoreingenommen nur nach seinen Taten zu beurteilen.“
Parkanlage von Gut Hohenstein, wo Kurt Freiherr von Schröder seine letzte Ruhestätte gefunden hat (Foto: Arbeiterfotografie) (zum Vergrößern hier klicken)
Bogislav-Tessen von Gerlach schreibt in dem Buch über seinen Großvater Kurt Freiherr von Schröder: „In seiner Stadtvilla stellt ein konspiratives Treffen zwischen Franz von Papen und Adolf Hitler die Weichen für dessen Machtübernahme im Januar 1933. Gefördert von einer Ehrenmitgliedschaft in der SS, bekleidet Kurt von Schröder während des Dritten Reichs zahlreiche hohe Ämter und wird damit zu einer exponierten Stütze der NS-Herrschaft.“ Und es ist zu lesen: „Die [vom Freundeskreis Himmler] zur Verfügung gestellten Spenden werden über ein Sonderkonto bei dem Bankhaus Stein und durch Kurt von Schröder an Himmler weitergeleitet. Der Spendeneingang im ersten Jahr beträgt bereits nennenswerte 700 TRM und in den Folgejahren jeweils rund 1 Million RM.“
Am Puls des Zeitgeschehens
Auf der Gedenktafel ist die Rede von „finanziellen Leistungen der deutschen Wirtschaft“, die Schröder organisiert habe. Finanzströme aus dem anglo-amerikanischen Machtbereich, von denen der britische Historiker Antony Sutton schreibt, werden nicht genannt. Gab es die nicht? Im Buch "Hohenstein" werden Personen des öffentlichen Lebens genannt, zu denen Kurt Freiherr von Schröder ein vertrautes Verhältnis gehabt habe. Darunter sind „der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der Bankier Robert Pferdmenges, die Industriellen Fritz Thyssen und Friedrich Flick“. Interessant zu erfahren! Aber diese Personen sind alle Deutschland zuzuordnen. Aufschlussreicher ist der folgende Passus: „Nach Basel reist Kurt, weil er bei der dortigen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) als einer von mehreren deutschen Vertretern im Verwaltungsrat tätig ist. Es ist eine Position am Puls des Zeitgeschehens...“ Das ist in der Tat äußerst aufschlussreich, wenn man weiß, dass über die BIZ mit dem US-amerikanischen Banker Thomas McKittrick an der Spitze die Kriegsmaschinerie der Nazis finanziert worden ist. „[Diese Bank] finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis“, ist im Buch "Der Turm zu Basel – BIZ – die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte" von Adam LeBor zu lesen.
Arbeiterfotografie-Aktion zu „US-NS-Verbindungsmann“ Kurt Freiherr von Schröder im Januar 2016 vor der Villa Schröder
Antony Sutton schildert die intensiven Beziehungen Schröders zu ITT, dem US-Konzern, ohne dessen Informationstechnologien – wie Werner Rügemer es charakterisiert – Hitlers Blitzkriege, die Transportplanungen im besetzten Europa und die Judenerfassung so nicht möglich gewesen wären. Sutton: „Durch Kurt von Schröder hatte die ITT Zugang zum inneren Kern der Machtelite der Nazis“. Oder: „Nazibaron Kurt von Schröder [wurde] zum Anwalt der Interessen der ITT in Deutschland.“ Und weiter:: „Die ITT wollte diese Geschichte der Zusammenarbeit zwischen der ITT und den Nazis im Zweiten Weltkrieg und die Verbindung der ITT mit dem Nationalsozialisten Kurt von Schröder verbergen – und das gelang ihr beinahe auch.“ Und: „Baron Kurt von Schröder wurde 1889 in Hamburg in eine alteingesessene deutsche Bankiersfamilie geboren. Ein früheres Mitglied der Familie Schröder zog nach London, änderte seinen Namen in Schroder (ohne Umlaut) und gründete die Bankfirmen J. Henry Schroder in London und J. Henry Schroder Banking Corporation in New York... Schröder handelte als Übermittler von Geldern der ITT, die 1944 an die SS-Organisation Heinrich Himmlers flossen, während der Zweite Weltkrieg bereits tobte und die Vereinigten Staaten sich mit Deutschland im Krieg befanden.“
Von dieser Rolle als US-NS-Verbindungsmann ist im Buch "Hohenstein" nicht explizit die Rede. Aber zu lesen ist darin, dass Kurt Freiherr von Schröder Aufsichtsratsmandate in fast 30 verschiedenen Unternehmen wahrgenommen habe. In dem Zusammenhang erfahren wir, er sei Mitglied des Aufsichtsrats der "Standard-Elektrizitäts-Gesellschaft, die selbst während des Kriegs im Eigentum des amerikanischen Konzern ITT bleibt." Das deckt sich mit den Forschungsergebnissen von Antony Sutton: „Gerade weil Schröder diese exzellenten politischen Verbindungen zu Hitler und dem nationalsozialistischen Staat besaß, berief [ITT-Gründer] Behn Schröder in sämtliche Vorstände der deutschen ITT-Firmen ein: Standard Elektrizitätswerke AG in Berlin, C. Lorenz AG, Bremen, und Mix & Genest AG (bei der die Standard eine Beteiligung von 94 Prozent besaß).“
Sutton weiter: „Mitte der dreißiger Jahre wurde eine weitere Verbindung zwischen der Wall Street und Schröder geschaffen: dieses Mal durch die Rockefellers. 1936 wurden die unterzeichneten und allgemeinen Geschäftssicherheiten, die durch die J. Henry Schroder Banking Corporation in New York abgewickelt wurden, zu einer neuen Investmentbankfirma zusammengeführt – Schroder, Rockefeller & Company, Inc., an der Wall Street 48.“ Avery Rockefeller (1903-1986) war am 8. Juli 1936 Mitgründer von "Schroder, Rockefeller & Co., Inc.", ist der New York Times vom 14. Juli 1936 zu entnehmen. Dieser Vorgang findet im Buch "Hohenstein" keine Erwähnung.
Unter größter Geheimhaltung
Wie lief das Treffen am 4. Januar 1933 ab? Das Arbeiterfotografie-Projekt "Die Liebe höret nimmer auf" über Industrielle und Bankiers mit NS-Bezug hält bezüglich Kurt Freiherr von Schröder fest: "Am 4. Januar 1933 findet in seiner Kölner Villa ein von ihm arrangiertes geheimes Treffen unter Teilnahme von Hitler, von Papen, Heß, Himmler und Keppler statt, mit dem vermittels eines Bündnisses von Nationalsozialisten und Deutschnationalen die Machtübernahme Hitlers vorbereitet wird."
Dazu ist im Buch "Hohenstein" Genaueres ausgeführt. Unter der Zwischenüberschrift "Weichenstellung zum Dritten Reich" ist zu erfahren, der entscheidende Anstoß zu der Zusammenkunft zwischen von Papen und Hitler sei von dessen Wirtschaftsberater Wilhelm Keppler gekommen. Dieser habe Schröder am 26. November 1932 mitgeteilt: „Vorgestern erhielt ich die Meldung, dass der Führer es ermöglichen könne, am 4.1. vormittags zwischen 10 und 1/2 11 Uhr bei Ihnen einzutreffen.“ Das Treffen solle unter größter Geheimhaltung erfolgen. Hitler sei am 3. Januar 1933 abends von München mit dem Nachtzug nach Bonn gereist. Von Godesberg aus sei er in einem Wagen mit verdunkelten Fenstern in Begleitung zweier Leibwächter, Heinrich Himmler, Rudolf Hess und Wilhelm Keppler nach Köln gefahren worden. Franz von Papen sei von Schröders Fahrer Willy Engels vom am Kölner Dom gelegenen Hotel Excelsior abgeholt worden. Das etwa zweistündige Treffen von Hitler und von Papen habe in Gegenwart von Kurt von Schröder in dessen Arbeitszimmer stattgefunden. Hitlers prominente Begleitung habe daran nicht teilgenommen und sich im Nebenzimmer aufgehalten. Nach Eintrag in Schröders Gästebuch seien Hitler, Himmler, Hess und Keppler gegen 16.45 Uhr abgefahren, während von Papen sich erst gegen 17.30 Uhr verabschiedet habe und sich zurück ins Hotel Excelsior habe bringen lassen. In einem kurzen Brief aus dem Hotel habe er Kurt von Schröder am Folgetag herzliche Grüße zukommen lassen. Ein weiteres Dankschreiben habe Schröder ein Jahr später von dem dann amtierenden Vizekanzler von Papen erhalten. Es heißt darin: "In dankbarer Erinnerung an die denkwürdige Unterredung des 4.1.1933 im Haus Schröder."
Der Kreis schließt sich
Im Vorwort des Herausgebers von "Hohenstein" heißt es: „Und was für eine Familiengeschichte: Der mühsame Weg vom Kaiserreich nach Europa wird uns in dieser Dokumentation exemplarisch vor Augen geführt.“ Es gelinge den Überlebenden, "nach Kriegsende in Hohenstein ein vom europäischen Einigungsgedanken geprägtes neues Leben aufzubauen", heißt es im Klappentext abschließend. Damit schließt sich der Kreis von der Züchtung des Hitler-Faschismus in anglo-amerikanischem Interesse mit dem Ziel Deutschland und die Sowjetunion zwecks Schwächung gegeneinander in die Schlacht ziehen zu lassen, bis hin zur Entstehung der EU mit ihren Wurzeln in dem 1948 gegründeten "American Committee for a United Europe" mit zwei führenden US-Geheimdienstmännern an der Spitze und finanziert von Ford- und Rockefeller-Foundation.
Bogislav-Tessen von Gerlach: HOHENSTEIN – Ein deutsches Jahrhundert in Familienbildern
Edition Eichthal, Gammelby 2019, herausgegeben von Jens Uwe Jess, 304 Seiten mit 90 Abbildungen, ISBN 9783981706659, 26 Euro (zurzeit vergriffen)
Vorab-Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 48 (März 2024) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
Siehe auch:
Zum 83. Jahrestag eines Treffens, das dem Hitler-Faschismus den Weg ebnete
US-NS-Verbindungsmann Kurt Freiherr von Schröder
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 544 vom 06.01.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22450
Der Turm zu Basel – Ein Buch von Adam LeBor über die BIZ
Wie eine US-geführte Bank den Faschismus finanzierte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 511 vom 20.05.2015
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21638
Befreiungsideologie 70 Jahre nach Ende des Hitler-Faschismus
Das Böse züchten und dann die Welt davon befreien
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ Nr. 509 vom 06.05.2015
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21590
Putin, Hitler und das Imperium
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 801 vom 18.11.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28334
Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft – Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 46
Amerikas Freund zu sein, ist tödlich
Buchtipp von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 820 vom 11.10.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28810
Kurzfassung des Vortrags bei der Konferenz "Frieden ohne NATO" am 25./26. November 2023 in Köln
Im Zangengriff von Militär und Kapital - Methoden des US-Imperiums von Hitler-Faschismus bis Ukraine-Krieg
Von Werner Rügemer
NRhZ 822 vom 01.12.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28910
Vortrag bei der Konferenz "Frieden ohne NATO" am 25. und 26. November 2023 in Köln
Full Spectrum Dominance – Herrschaftsstrategien von USA und NATO
Von Wolfgang Effenberger
NRhZ 822 vom 01.12.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28875
Denkzettel EU
Von AG Frieden des Stadtverbands Köln der Partei die Basis
NRhZ 825 vom 02.02.2024
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28958
Online-Flyer Nr. 828 vom 27.03.2024
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Globales
Nachforschungen über Kurt Freiherr von Schröder, Bankier und Wegbereiter des Hitlerfaschismus
Hohenstein: "Sternstunde" deutscher Geschichte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder habe insbesondere mittels eines Treffens am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa eine wesentliche Rolle bei der "Machtergreifung" Hitlers gespielt, wird behauptet. Stimmt das? „Der amerikanische Historiker Henry Ashby Turner stellt... fest, dass Schröder nur ein 'Teilhaber einer mittelgroßen Provinzbank' war, der kaum für die Wirtschaft sprechen konnte. Er sei nur ein Bindeglied in einer zufälligen Kette persönlicher Beziehungen gewesen; ein bloßer Statist.“ Das steht bei wikipedia über das Treffen vom 4. Januar 1933.
Kurt Bachmann vor der Villa Schröder (aus dem Projekt „Gegen den braunen Strom – Kölner WiderstandskämpferInnen in Portraits der Arbeiterfotografie Köln“ von 1990/91 in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln)
Aber immerhin heißt es auf einer Gedenktafel vor der Villa Schröder in Köln am Stadtwaldgürtel 35: „Hier, im Haus des Privatbankiers Kurt Freiherr von Schröder trafen sich am 4. Januar 1933 Adolf Hitler und Franz von Papen, um über eine Regierungsbildung zwischen Nationalsozialisten und Rechtskonservativen zu beraten. In diesem Gespräch wurden die Weichen für Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des Nationalsozialismus und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen der deutschen Wirtschaft an die SS.“ Auch bei dieser Inschrift stellt sich die Frage, ob oder inwieweit das alles zutrifft.
Gedenktafel vor der Villa Schröder, Köln, Stadtwaldgürtel 35 (Foto: Arbeiterfotografie)
2019 ist ein Buch mit dem Titel "Hohenstein" erschienen, dessen Klappentext mit dem folgenden Satz beginnt: "100 Jahre Deutsche Geschichte – gelebt von vier Generationen einer Familie auf dem idyllisch an der Eckernförder Bucht gelegenen Landgut Hohenstein." Das Gut Hohenstein bei Eckernförde ist der Ort, wo Schröder nach Ende des "Tausendjährigen Reichs" bis 1966 – nach kurzer Inhaftierung – seinen Lebensabend verbrachte und in einer privaten Grablegestelle seine letzte Ruhestätte fand. Dieses Buch ist vergriffen und nur noch vereinzelt antiquarisch zu beschaffen. Autor ist Bogislav-Tessen von Gerlach, Enkel von Kurt Freiherr von Schröder, der eine Vielzahl von Dokumenten aus dem Nachlass seines Großvaters ausgewertet hat. Einem handgeschriebenen Schriftstück, das Konrad Adenauer am 1. August 1932 verfasst hat, ist z.B. zu entnehmen: „Das Zentrum wird bereit sein, das Zustandekommen einer Regierung aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen unter Hitler als Reichskanzler zu tolerieren und ganz unvoreingenommen nur nach seinen Taten zu beurteilen.“
Parkanlage von Gut Hohenstein, wo Kurt Freiherr von Schröder seine letzte Ruhestätte gefunden hat (Foto: Arbeiterfotografie) (zum Vergrößern hier klicken)
Bogislav-Tessen von Gerlach schreibt in dem Buch über seinen Großvater Kurt Freiherr von Schröder: „In seiner Stadtvilla stellt ein konspiratives Treffen zwischen Franz von Papen und Adolf Hitler die Weichen für dessen Machtübernahme im Januar 1933. Gefördert von einer Ehrenmitgliedschaft in der SS, bekleidet Kurt von Schröder während des Dritten Reichs zahlreiche hohe Ämter und wird damit zu einer exponierten Stütze der NS-Herrschaft.“ Und es ist zu lesen: „Die [vom Freundeskreis Himmler] zur Verfügung gestellten Spenden werden über ein Sonderkonto bei dem Bankhaus Stein und durch Kurt von Schröder an Himmler weitergeleitet. Der Spendeneingang im ersten Jahr beträgt bereits nennenswerte 700 TRM und in den Folgejahren jeweils rund 1 Million RM.“
Am Puls des Zeitgeschehens
Auf der Gedenktafel ist die Rede von „finanziellen Leistungen der deutschen Wirtschaft“, die Schröder organisiert habe. Finanzströme aus dem anglo-amerikanischen Machtbereich, von denen der britische Historiker Antony Sutton schreibt, werden nicht genannt. Gab es die nicht? Im Buch "Hohenstein" werden Personen des öffentlichen Lebens genannt, zu denen Kurt Freiherr von Schröder ein vertrautes Verhältnis gehabt habe. Darunter sind „der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der Bankier Robert Pferdmenges, die Industriellen Fritz Thyssen und Friedrich Flick“. Interessant zu erfahren! Aber diese Personen sind alle Deutschland zuzuordnen. Aufschlussreicher ist der folgende Passus: „Nach Basel reist Kurt, weil er bei der dortigen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) als einer von mehreren deutschen Vertretern im Verwaltungsrat tätig ist. Es ist eine Position am Puls des Zeitgeschehens...“ Das ist in der Tat äußerst aufschlussreich, wenn man weiß, dass über die BIZ mit dem US-amerikanischen Banker Thomas McKittrick an der Spitze die Kriegsmaschinerie der Nazis finanziert worden ist. „[Diese Bank] finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis“, ist im Buch "Der Turm zu Basel – BIZ – die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte" von Adam LeBor zu lesen.
Arbeiterfotografie-Aktion zu „US-NS-Verbindungsmann“ Kurt Freiherr von Schröder im Januar 2016 vor der Villa Schröder
Antony Sutton schildert die intensiven Beziehungen Schröders zu ITT, dem US-Konzern, ohne dessen Informationstechnologien – wie Werner Rügemer es charakterisiert – Hitlers Blitzkriege, die Transportplanungen im besetzten Europa und die Judenerfassung so nicht möglich gewesen wären. Sutton: „Durch Kurt von Schröder hatte die ITT Zugang zum inneren Kern der Machtelite der Nazis“. Oder: „Nazibaron Kurt von Schröder [wurde] zum Anwalt der Interessen der ITT in Deutschland.“ Und weiter:: „Die ITT wollte diese Geschichte der Zusammenarbeit zwischen der ITT und den Nazis im Zweiten Weltkrieg und die Verbindung der ITT mit dem Nationalsozialisten Kurt von Schröder verbergen – und das gelang ihr beinahe auch.“ Und: „Baron Kurt von Schröder wurde 1889 in Hamburg in eine alteingesessene deutsche Bankiersfamilie geboren. Ein früheres Mitglied der Familie Schröder zog nach London, änderte seinen Namen in Schroder (ohne Umlaut) und gründete die Bankfirmen J. Henry Schroder in London und J. Henry Schroder Banking Corporation in New York... Schröder handelte als Übermittler von Geldern der ITT, die 1944 an die SS-Organisation Heinrich Himmlers flossen, während der Zweite Weltkrieg bereits tobte und die Vereinigten Staaten sich mit Deutschland im Krieg befanden.“
Von dieser Rolle als US-NS-Verbindungsmann ist im Buch "Hohenstein" nicht explizit die Rede. Aber zu lesen ist darin, dass Kurt Freiherr von Schröder Aufsichtsratsmandate in fast 30 verschiedenen Unternehmen wahrgenommen habe. In dem Zusammenhang erfahren wir, er sei Mitglied des Aufsichtsrats der "Standard-Elektrizitäts-Gesellschaft, die selbst während des Kriegs im Eigentum des amerikanischen Konzern ITT bleibt." Das deckt sich mit den Forschungsergebnissen von Antony Sutton: „Gerade weil Schröder diese exzellenten politischen Verbindungen zu Hitler und dem nationalsozialistischen Staat besaß, berief [ITT-Gründer] Behn Schröder in sämtliche Vorstände der deutschen ITT-Firmen ein: Standard Elektrizitätswerke AG in Berlin, C. Lorenz AG, Bremen, und Mix & Genest AG (bei der die Standard eine Beteiligung von 94 Prozent besaß).“
Sutton weiter: „Mitte der dreißiger Jahre wurde eine weitere Verbindung zwischen der Wall Street und Schröder geschaffen: dieses Mal durch die Rockefellers. 1936 wurden die unterzeichneten und allgemeinen Geschäftssicherheiten, die durch die J. Henry Schroder Banking Corporation in New York abgewickelt wurden, zu einer neuen Investmentbankfirma zusammengeführt – Schroder, Rockefeller & Company, Inc., an der Wall Street 48.“ Avery Rockefeller (1903-1986) war am 8. Juli 1936 Mitgründer von "Schroder, Rockefeller & Co., Inc.", ist der New York Times vom 14. Juli 1936 zu entnehmen. Dieser Vorgang findet im Buch "Hohenstein" keine Erwähnung.
Unter größter Geheimhaltung
Wie lief das Treffen am 4. Januar 1933 ab? Das Arbeiterfotografie-Projekt "Die Liebe höret nimmer auf" über Industrielle und Bankiers mit NS-Bezug hält bezüglich Kurt Freiherr von Schröder fest: "Am 4. Januar 1933 findet in seiner Kölner Villa ein von ihm arrangiertes geheimes Treffen unter Teilnahme von Hitler, von Papen, Heß, Himmler und Keppler statt, mit dem vermittels eines Bündnisses von Nationalsozialisten und Deutschnationalen die Machtübernahme Hitlers vorbereitet wird."
Dazu ist im Buch "Hohenstein" Genaueres ausgeführt. Unter der Zwischenüberschrift "Weichenstellung zum Dritten Reich" ist zu erfahren, der entscheidende Anstoß zu der Zusammenkunft zwischen von Papen und Hitler sei von dessen Wirtschaftsberater Wilhelm Keppler gekommen. Dieser habe Schröder am 26. November 1932 mitgeteilt: „Vorgestern erhielt ich die Meldung, dass der Führer es ermöglichen könne, am 4.1. vormittags zwischen 10 und 1/2 11 Uhr bei Ihnen einzutreffen.“ Das Treffen solle unter größter Geheimhaltung erfolgen. Hitler sei am 3. Januar 1933 abends von München mit dem Nachtzug nach Bonn gereist. Von Godesberg aus sei er in einem Wagen mit verdunkelten Fenstern in Begleitung zweier Leibwächter, Heinrich Himmler, Rudolf Hess und Wilhelm Keppler nach Köln gefahren worden. Franz von Papen sei von Schröders Fahrer Willy Engels vom am Kölner Dom gelegenen Hotel Excelsior abgeholt worden. Das etwa zweistündige Treffen von Hitler und von Papen habe in Gegenwart von Kurt von Schröder in dessen Arbeitszimmer stattgefunden. Hitlers prominente Begleitung habe daran nicht teilgenommen und sich im Nebenzimmer aufgehalten. Nach Eintrag in Schröders Gästebuch seien Hitler, Himmler, Hess und Keppler gegen 16.45 Uhr abgefahren, während von Papen sich erst gegen 17.30 Uhr verabschiedet habe und sich zurück ins Hotel Excelsior habe bringen lassen. In einem kurzen Brief aus dem Hotel habe er Kurt von Schröder am Folgetag herzliche Grüße zukommen lassen. Ein weiteres Dankschreiben habe Schröder ein Jahr später von dem dann amtierenden Vizekanzler von Papen erhalten. Es heißt darin: "In dankbarer Erinnerung an die denkwürdige Unterredung des 4.1.1933 im Haus Schröder."
Der Kreis schließt sich
Im Vorwort des Herausgebers von "Hohenstein" heißt es: „Und was für eine Familiengeschichte: Der mühsame Weg vom Kaiserreich nach Europa wird uns in dieser Dokumentation exemplarisch vor Augen geführt.“ Es gelinge den Überlebenden, "nach Kriegsende in Hohenstein ein vom europäischen Einigungsgedanken geprägtes neues Leben aufzubauen", heißt es im Klappentext abschließend. Damit schließt sich der Kreis von der Züchtung des Hitler-Faschismus in anglo-amerikanischem Interesse mit dem Ziel Deutschland und die Sowjetunion zwecks Schwächung gegeneinander in die Schlacht ziehen zu lassen, bis hin zur Entstehung der EU mit ihren Wurzeln in dem 1948 gegründeten "American Committee for a United Europe" mit zwei führenden US-Geheimdienstmännern an der Spitze und finanziert von Ford- und Rockefeller-Foundation.
Bogislav-Tessen von Gerlach: HOHENSTEIN – Ein deutsches Jahrhundert in Familienbildern
Edition Eichthal, Gammelby 2019, herausgegeben von Jens Uwe Jess, 304 Seiten mit 90 Abbildungen, ISBN 9783981706659, 26 Euro (zurzeit vergriffen)
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Siehe auch:
Zum 83. Jahrestag eines Treffens, das dem Hitler-Faschismus den Weg ebnete
US-NS-Verbindungsmann Kurt Freiherr von Schröder
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 544 vom 06.01.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22450
Der Turm zu Basel – Ein Buch von Adam LeBor über die BIZ
Wie eine US-geführte Bank den Faschismus finanzierte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 511 vom 20.05.2015
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Befreiungsideologie 70 Jahre nach Ende des Hitler-Faschismus
Das Böse züchten und dann die Welt davon befreien
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ Nr. 509 vom 06.05.2015
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Putin, Hitler und das Imperium
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 801 vom 18.11.2022
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Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft – Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 46
Amerikas Freund zu sein, ist tödlich
Buchtipp von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 820 vom 11.10.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28810
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Von Werner Rügemer
NRhZ 822 vom 01.12.2023
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Full Spectrum Dominance – Herrschaftsstrategien von USA und NATO
Von Wolfgang Effenberger
NRhZ 822 vom 01.12.2023
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Denkzettel EU
Von AG Frieden des Stadtverbands Köln der Partei die Basis
NRhZ 825 vom 02.02.2024
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