SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Globales
Rede am 28. Mai 2024 auf dem Bremer Marktplatz bei einer Veranstaltung der Partei dieBasis zur EU-Wahl am 9. Juni 2024
Europawahlen – was ist das?
Von Rudolph Bauer
Liebe geschätzte Versammelte, ich grüße Sie. Ich grüße Euch hier auf dem Bremer Rathausplatz, nahe beim Roland, dem Symbol der Freiheit! Ich bin kein Europa-Politiker. Ich bin kein hochbezahlter Europa-Experte. Ich bin auch kein europa-wissenschaftlicher Fachidiot. Ich spreche hier als Politikwissenschaftler. Vor allem aber als Europäer, als Europäer mit deutschem Pass. Muss ich es betonen? Europa ist großartig. Die europäische Kultur hat einen unschätzbaren Beitrag zur Weltkultur geleistet. Darauf können wir stolz sein. Auf das, was an Europa, am gegenwärtigen Europa nicht schätzenswert ist, komme ich aber noch zu sprechen.
Die meisten derjenigen, die an den Europawahlen, an den sog. Europawahlen, teilnehmen, werden den entscheidenden Schritt, zur Wahl zu gehen oder per Briefwahl ihre Stimme abzugeben, nicht in Frage stellen. Kein Wunder. Denn von allen Seiten wird uns teils eingeflüstert, teils eingehämmert: „Deine Stimme für Europa. Europa braucht uns! Und wir brauchen die EU als starke und solidarische Wertegemeinschaft, die an einem Strang zieht bei der Verteidigung unserer Demokratie und unserer Freiheit.“ Klingt gut. Es ist Originalton Frank Wernecke, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
In der neuesten Ausgabe der ver.di-Mitgliederzeitung „publik“ beginnt der Wernecke-Beitrag auf der Titelseite wie folgt: „Liebe Kolleg*innen, am 9. Juni kommt es auf uns alle an: Europa braucht unsere Stimme, die Stimme der Beschäftigten, der ver.di-Mitglieder, die Stimme der Demokrat*innen.“ Usw. Der Beitrag endet wie folgt: „Das Projekt Europa ist zu wichtig, um es denen zu überlassen, die es zerstören wollen. Lasst uns das am 9. Juni zeigen!“
Wir sind also dazu aufgerufen, ein (nicht näher definiertes) „Europäisches Parlament“ zu wählen. Wir sind aufgerufen, etwas zu tun, was den Parlamentswahlen in denjenigen Ländern entspricht, deren Bürger wir sind. Sind die Europawahlen aber wirklich dasselbe? Kann man die Stimmabgabe für das EU-Parlament gleichsetzen mit der Stimmabgabe bei der Bundestagswahl oder bei der Wahl zum Bremischen Parlament, der Bürgerschaft?
Die Antwort lautet: Nein, nein, nein! Ungeachtet dessen, was man auch über die Wahlen zum Bundestag und zur Bürgerschaft Kritisches sagen kann, die Europawahlen sind noch eine Nummer krasser. Die Stimmabgabe für das Europäische Parlament ist absolut nicht das Gleiche als wenn wir den Bundestag oder den Bremer Landtag/Bürgerschaft wählen.
Wenn wir heute über die Europäische Union reden, dann sprechen wir über etwas, das sehr weit entfernt von uns ist: Die EU ist ein anonymer monströser Apparat von Bürokraten und Technokraten. An der Spitze scharwenzelt eine korrupte Impfdoseneinkäuferin, die bei der letzten Europawahl nicht einmal als Kandidatin auf einem Stimmzettel angekreuzt werden konnte. Leider: Viele haben das mit der damals von Frau Merkel als Kanzlerin aus dem Hut gezauberten Kommissionspräsidentin längst vergessen oder verdrängt. Also Schwamm drüber.
Wir sollen aber gefälligst auch noch etwas Anderes verdrängen und vergessen (… falls wir es überhaupt wissen und uns dessen bewusst sind). Die meisten wissen es nicht oder haben es verdrängt oder sind dabei, es zu verdrängen; nämlich, dass Europa aus verfassungsrechtlicher Sicht überhaupt nicht existiert. Das ist ebenso peinlich wie auch die Wahrheit.
Was wir „Europäische Union“ nennen, ist rechtstechnisch gesehen ein Pakt zwischen Staaten, ein völkerrechtlicher Vertrag. Der Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft getreten ist und der der Europäischen Union ihre heutige Form gegeben hat, schreibt die europäische Identität fest als ein zwischenstaatliches Abkommen. Ein solches Abkommen zwischen Staaten aber ist keine Demokratie. Die EU – ganz langsam zum Mitschreiben: –, die EU ist keine Demokratie.
Ziemlich peinlich. Nicht wahr? Ja, grotesk. Aber es ist die Wahrheit – eine Wahrheit, die uns vernebelt wird, die wir lieber nicht wissen sollten, über die wir uns keine Gedanken zu machen haben, keine Gedanken zu machen brauchen. Wir dürfen doch wählen, sogar ein Parlament. Wohlgemerkt: ein Fake-Parlament in einer Pseudo-Demokratie mit Scheinwahlen! Auf diese Leimrute wird die Bevölkerung gelockt.
Den Eurokraten in den Brüsseler Beamtensilos war und ist durchaus klar, dass die EU keine Demokratie ist. Sie haben deshalb den Entwurf einer Europäischen Verfassung ausgearbeitet. Dieser Verfassungs-Entwurf der Bürokraten wurde – ohne die Bevölkerung einzubeziehen – von einer Regierungskonferenz im Jahr 2004 angenommen. Das war vor zwanzig Jahren.
Im Jahr 2005 wurde der Verfassungsentwurf bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden mit großer Mehrheit abgelehnt. In der Bundesrepublik fand überhaupt keine Abstimmung darüber statt. Die Demoskopen witterten EU-weit eine Bruchlandung des Verfassungsentwurfs. Also: das Verfassungsthema wurde abgeblasen. Zurück auf Null.
Angesichts der fehlenden Zustimmung des Volkes, genauer: der Völker der EU-Mitgliedstaaten, verschwand der Entwurf in den Brüsseler Schubladen oder Papierkörben. Stattdessen wurde ein neuer internationaler Vertrag beschlossen, der sog. Vertrag von Lissabon: 2007 unterzeichnet, in Kraft seit 2009.
Der Vertrag von Lissabon war jedoch rechtlich gesehen wieder keine Verfassung, sondern einmal mehr eine Vereinbarung zwischen den Regierungen. Der Inhalt des Vertragstextes bezieht sich auf das Völkerrecht. Er musste deshalb nicht der Zustimmung des Volkes unterwerfen werden.
Die beschämende Wahrheit lautet deshalb: Das angeblich zu wählende sog. EU-Parlament ist in Wirklichkeit kein Parlament, kein demokratisches Gremium. Es ist ein Fake-Parlament. Und die sog. Europawahlen sind Scheinwahlen. Das sog. Parlament verfügt nicht über die Befugnis, Gesetze vorzuschlagen. Das obliegt allein der Europäischen Kommission. Die Mitglieder der Kommission, die EU-Kommissare, werden von den Regierungen der EU-Staaten nominiert. Sie sind nicht vom Volk gewählt. Sie können auch gar nicht vom Volk gewählt werden, denn ein europäisches Volk existiert nicht, weil keine gemeinsame europäische Verfassung existiert.
Was folgt daraus? Die Europäische Union hat keine Legitimität. Ich zitiere hier den italienischen Philosophen Giorgio Agamben, einen der bekanntesten Philosophen der Gegenwart. Er schreibt: „Es ist also durchaus verständlich, dass ein politisches Gebilde ohne legitime Verfassung keine eigene Politik machen kann. Der einzige Anschein von Einheit entsteht, wenn Europa als Vasall der Vereinigten Staaten agiert und sich an Kriegen beteiligt, die in keiner Weise den gemeinsamen Interessen und noch weniger dem Willen der Völker entsprechen. Die Europäische Union agiert heute als Zweigstelle der NATO (die selbst ein militärisches Abkommen zwischen Staaten ist).“
Ich wiederhole, weil es das zu bedenken gilt bei der Europawahl, und weil das in keiner Zeitung zu lesen ist, nicht im Fernsehen berichtet wird, und weil es angesichts des ernsthaft inszenierten Wahltheaters schier unglaublich ist: „Es ist also durchaus verständlich, dass ein politisches Gebilde ohne legitime Verfassung keine eigene Politik machen kann. Der einzige Anschein von Einheit entsteht, wenn Europa als Vasall der Vereinigten Staaten agiert“ – Europa als Vasall der Vereinigten Staaten! – „und sich an Kriegen beteiligt,“ – sich an Kriegen beteiligt! – „die in keiner Weise den gemeinsamen Interessen und noch weniger dem Willen der Völker entsprechen. Die Europäische Union agiert heute als Zweigstelle der NATO (die selbst ein militärisches Abkommen zwischen Staaten ist).“ :: Die EU agiert als Zweigstelle der Nato.
Das Europa der EU ist gleich = der Vasall der USA, = die Zweigstelle der Nato – das ist ein ganz anderes Kaliber der Wahrheit – der ganzen Wahrheit angesichts der Frage, worum es bei der Europawahl geht. Wenn der ver.di-Vorsitzende behauptet: „Europa braucht uns“, … dann heißt das: Die USA und die Nato brauchen die EU, ökonomisch, politisch und militärisch. Wenn Wernecke die Gewerkschaftsmitglieder beschwört: „Europa braucht unsere Stimme, die Stimme der Beschäftigten“, dann bedeutet das, die Kolleginnen und Kollegen einer fremden Macht auszuliefern, sie und uns den kriegsbesoffenen US-Machthabern und der Nato-Kriegsmaschine auszuliefern. – Merkt nur niemand; denn die USA sind bekanntlich unsere Partner, und die Nato ist bekanntlich unser Schutzpatron gegen die „gefährlichen Russen“ und die noch „gefährlicheren Chinesen“.
So wird Politik gemacht, so werden wir, so wird das Volks veräppelt. Allerdings – niemand merkt es. Und diejenigen, die es merken, halten besser die Klappe; siehe Robert Fico, den slowakischen Ministerpräsidenten, auf den ein lebensbedrohliches Attentat verübt wurde.
Die ver.di-Mitgliederzeitung schreibt dann auch noch: „Wir brauchen die EU als starke und solidarische Wertegemeinschaft, die an einem Strang zieht bei der Verteidigung unserer Demokratie und unserer Freiheit.“ „Stark“ im Interesse der USA und der Nato? Eine „solidarische Wertegemeinschaft“?
Warum spricht der Gewerkschaftsboss nicht von der Solidarität der Werktätigen und der Völker gegen die Konzerne? Meint er mit der Wertegemeinschaft die Klasse derer, die den Mehrwert, der von den Kolleginnen und Kollegen geschaffen wird, als Profit sich aneignen? Von welchem Strang redet er? Von den steigenden Mieten, Energiekosten und Lebensmittelpreisen, durch welche die Kolleginnen und Kollegen stanguliert werden?
„Unsere Demokratie“? „Unsere Freiheit“? Die Rede von unserer Demokratie und unserer Freiheit verkleistert, dass Demokratie kein Einheitsbrei ist und Freiheit permanent erkämpft werden muss – erkämpft werden muss gegen die Unterdrücker, gegen eine politische Justiz, gegen eine Ampelregierung, die uns im Namen der Demokratie das Maul verbietet – welch ein Hohn!
„Eine andere Idee von Europa“, so urteilt Giorgio Agamben, „wird erst dann möglich sein, wenn wir das Feld von diesem Schwindel freigeräumt haben. Um es ohne Scheu und Zurückhaltung zu sagen: Wenn wir wirklich über ein politisches Europa nachdenken wollen, müssen wir als erstes die Europäische Union aus dem Weg räumen – oder zumindest auf den Moment vorbereitet sein, in dem sie, wie es scheint, kurz vor dem Zusammenbruch steht.“
Das Thema meines Beitrags war: Europawahlen – was ist das? Meine Antwort und die von Giorgio Agamben: Es handelt sich um ein Täuschungsmanöver, einen Schwindel, eine Hochstapelei, einen Betrug. Das aufzudecken ist die Aufgabe der wahren Demokratinnen und Demokraten.
Wir müssen wach sein und uns vorbereiten auf eine andere Idee von Europa: ein souveränes Europa in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, ohne Kriege, ohne Ausbeutung, ohne Unterdrückung. Dieses Europa steht nicht zur Wahl. Es muss erstritten werden.
Videoaufzeichnung der Veranstaltung von Georg Maria Vormschlag - mit Reden von Isabel Graumann (ab 00:25), Anton Körner (ab 08:37), Bernd Helmert (ab 21:16), Rudolph Bauer (ab 26:51) und Florian Pfaff (ab 50:43):
Online-Flyer Nr. 831 vom 31.05.2024
Druckversion
Globales
Rede am 28. Mai 2024 auf dem Bremer Marktplatz bei einer Veranstaltung der Partei dieBasis zur EU-Wahl am 9. Juni 2024
Europawahlen – was ist das?
Von Rudolph Bauer
Liebe geschätzte Versammelte, ich grüße Sie. Ich grüße Euch hier auf dem Bremer Rathausplatz, nahe beim Roland, dem Symbol der Freiheit! Ich bin kein Europa-Politiker. Ich bin kein hochbezahlter Europa-Experte. Ich bin auch kein europa-wissenschaftlicher Fachidiot. Ich spreche hier als Politikwissenschaftler. Vor allem aber als Europäer, als Europäer mit deutschem Pass. Muss ich es betonen? Europa ist großartig. Die europäische Kultur hat einen unschätzbaren Beitrag zur Weltkultur geleistet. Darauf können wir stolz sein. Auf das, was an Europa, am gegenwärtigen Europa nicht schätzenswert ist, komme ich aber noch zu sprechen.
Die meisten derjenigen, die an den Europawahlen, an den sog. Europawahlen, teilnehmen, werden den entscheidenden Schritt, zur Wahl zu gehen oder per Briefwahl ihre Stimme abzugeben, nicht in Frage stellen. Kein Wunder. Denn von allen Seiten wird uns teils eingeflüstert, teils eingehämmert: „Deine Stimme für Europa. Europa braucht uns! Und wir brauchen die EU als starke und solidarische Wertegemeinschaft, die an einem Strang zieht bei der Verteidigung unserer Demokratie und unserer Freiheit.“ Klingt gut. Es ist Originalton Frank Wernecke, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
In der neuesten Ausgabe der ver.di-Mitgliederzeitung „publik“ beginnt der Wernecke-Beitrag auf der Titelseite wie folgt: „Liebe Kolleg*innen, am 9. Juni kommt es auf uns alle an: Europa braucht unsere Stimme, die Stimme der Beschäftigten, der ver.di-Mitglieder, die Stimme der Demokrat*innen.“ Usw. Der Beitrag endet wie folgt: „Das Projekt Europa ist zu wichtig, um es denen zu überlassen, die es zerstören wollen. Lasst uns das am 9. Juni zeigen!“
Wir sind also dazu aufgerufen, ein (nicht näher definiertes) „Europäisches Parlament“ zu wählen. Wir sind aufgerufen, etwas zu tun, was den Parlamentswahlen in denjenigen Ländern entspricht, deren Bürger wir sind. Sind die Europawahlen aber wirklich dasselbe? Kann man die Stimmabgabe für das EU-Parlament gleichsetzen mit der Stimmabgabe bei der Bundestagswahl oder bei der Wahl zum Bremischen Parlament, der Bürgerschaft?
Die Antwort lautet: Nein, nein, nein! Ungeachtet dessen, was man auch über die Wahlen zum Bundestag und zur Bürgerschaft Kritisches sagen kann, die Europawahlen sind noch eine Nummer krasser. Die Stimmabgabe für das Europäische Parlament ist absolut nicht das Gleiche als wenn wir den Bundestag oder den Bremer Landtag/Bürgerschaft wählen.
Wenn wir heute über die Europäische Union reden, dann sprechen wir über etwas, das sehr weit entfernt von uns ist: Die EU ist ein anonymer monströser Apparat von Bürokraten und Technokraten. An der Spitze scharwenzelt eine korrupte Impfdoseneinkäuferin, die bei der letzten Europawahl nicht einmal als Kandidatin auf einem Stimmzettel angekreuzt werden konnte. Leider: Viele haben das mit der damals von Frau Merkel als Kanzlerin aus dem Hut gezauberten Kommissionspräsidentin längst vergessen oder verdrängt. Also Schwamm drüber.
Wir sollen aber gefälligst auch noch etwas Anderes verdrängen und vergessen (… falls wir es überhaupt wissen und uns dessen bewusst sind). Die meisten wissen es nicht oder haben es verdrängt oder sind dabei, es zu verdrängen; nämlich, dass Europa aus verfassungsrechtlicher Sicht überhaupt nicht existiert. Das ist ebenso peinlich wie auch die Wahrheit.
Was wir „Europäische Union“ nennen, ist rechtstechnisch gesehen ein Pakt zwischen Staaten, ein völkerrechtlicher Vertrag. Der Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft getreten ist und der der Europäischen Union ihre heutige Form gegeben hat, schreibt die europäische Identität fest als ein zwischenstaatliches Abkommen. Ein solches Abkommen zwischen Staaten aber ist keine Demokratie. Die EU – ganz langsam zum Mitschreiben: –, die EU ist keine Demokratie.
Ziemlich peinlich. Nicht wahr? Ja, grotesk. Aber es ist die Wahrheit – eine Wahrheit, die uns vernebelt wird, die wir lieber nicht wissen sollten, über die wir uns keine Gedanken zu machen haben, keine Gedanken zu machen brauchen. Wir dürfen doch wählen, sogar ein Parlament. Wohlgemerkt: ein Fake-Parlament in einer Pseudo-Demokratie mit Scheinwahlen! Auf diese Leimrute wird die Bevölkerung gelockt.
Den Eurokraten in den Brüsseler Beamtensilos war und ist durchaus klar, dass die EU keine Demokratie ist. Sie haben deshalb den Entwurf einer Europäischen Verfassung ausgearbeitet. Dieser Verfassungs-Entwurf der Bürokraten wurde – ohne die Bevölkerung einzubeziehen – von einer Regierungskonferenz im Jahr 2004 angenommen. Das war vor zwanzig Jahren.
Im Jahr 2005 wurde der Verfassungsentwurf bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden mit großer Mehrheit abgelehnt. In der Bundesrepublik fand überhaupt keine Abstimmung darüber statt. Die Demoskopen witterten EU-weit eine Bruchlandung des Verfassungsentwurfs. Also: das Verfassungsthema wurde abgeblasen. Zurück auf Null.
Angesichts der fehlenden Zustimmung des Volkes, genauer: der Völker der EU-Mitgliedstaaten, verschwand der Entwurf in den Brüsseler Schubladen oder Papierkörben. Stattdessen wurde ein neuer internationaler Vertrag beschlossen, der sog. Vertrag von Lissabon: 2007 unterzeichnet, in Kraft seit 2009.
Der Vertrag von Lissabon war jedoch rechtlich gesehen wieder keine Verfassung, sondern einmal mehr eine Vereinbarung zwischen den Regierungen. Der Inhalt des Vertragstextes bezieht sich auf das Völkerrecht. Er musste deshalb nicht der Zustimmung des Volkes unterwerfen werden.
Die beschämende Wahrheit lautet deshalb: Das angeblich zu wählende sog. EU-Parlament ist in Wirklichkeit kein Parlament, kein demokratisches Gremium. Es ist ein Fake-Parlament. Und die sog. Europawahlen sind Scheinwahlen. Das sog. Parlament verfügt nicht über die Befugnis, Gesetze vorzuschlagen. Das obliegt allein der Europäischen Kommission. Die Mitglieder der Kommission, die EU-Kommissare, werden von den Regierungen der EU-Staaten nominiert. Sie sind nicht vom Volk gewählt. Sie können auch gar nicht vom Volk gewählt werden, denn ein europäisches Volk existiert nicht, weil keine gemeinsame europäische Verfassung existiert.
Was folgt daraus? Die Europäische Union hat keine Legitimität. Ich zitiere hier den italienischen Philosophen Giorgio Agamben, einen der bekanntesten Philosophen der Gegenwart. Er schreibt: „Es ist also durchaus verständlich, dass ein politisches Gebilde ohne legitime Verfassung keine eigene Politik machen kann. Der einzige Anschein von Einheit entsteht, wenn Europa als Vasall der Vereinigten Staaten agiert und sich an Kriegen beteiligt, die in keiner Weise den gemeinsamen Interessen und noch weniger dem Willen der Völker entsprechen. Die Europäische Union agiert heute als Zweigstelle der NATO (die selbst ein militärisches Abkommen zwischen Staaten ist).“
Ich wiederhole, weil es das zu bedenken gilt bei der Europawahl, und weil das in keiner Zeitung zu lesen ist, nicht im Fernsehen berichtet wird, und weil es angesichts des ernsthaft inszenierten Wahltheaters schier unglaublich ist: „Es ist also durchaus verständlich, dass ein politisches Gebilde ohne legitime Verfassung keine eigene Politik machen kann. Der einzige Anschein von Einheit entsteht, wenn Europa als Vasall der Vereinigten Staaten agiert“ – Europa als Vasall der Vereinigten Staaten! – „und sich an Kriegen beteiligt,“ – sich an Kriegen beteiligt! – „die in keiner Weise den gemeinsamen Interessen und noch weniger dem Willen der Völker entsprechen. Die Europäische Union agiert heute als Zweigstelle der NATO (die selbst ein militärisches Abkommen zwischen Staaten ist).“ :: Die EU agiert als Zweigstelle der Nato.
Das Europa der EU ist gleich = der Vasall der USA, = die Zweigstelle der Nato – das ist ein ganz anderes Kaliber der Wahrheit – der ganzen Wahrheit angesichts der Frage, worum es bei der Europawahl geht. Wenn der ver.di-Vorsitzende behauptet: „Europa braucht uns“, … dann heißt das: Die USA und die Nato brauchen die EU, ökonomisch, politisch und militärisch. Wenn Wernecke die Gewerkschaftsmitglieder beschwört: „Europa braucht unsere Stimme, die Stimme der Beschäftigten“, dann bedeutet das, die Kolleginnen und Kollegen einer fremden Macht auszuliefern, sie und uns den kriegsbesoffenen US-Machthabern und der Nato-Kriegsmaschine auszuliefern. – Merkt nur niemand; denn die USA sind bekanntlich unsere Partner, und die Nato ist bekanntlich unser Schutzpatron gegen die „gefährlichen Russen“ und die noch „gefährlicheren Chinesen“.
So wird Politik gemacht, so werden wir, so wird das Volks veräppelt. Allerdings – niemand merkt es. Und diejenigen, die es merken, halten besser die Klappe; siehe Robert Fico, den slowakischen Ministerpräsidenten, auf den ein lebensbedrohliches Attentat verübt wurde.
Die ver.di-Mitgliederzeitung schreibt dann auch noch: „Wir brauchen die EU als starke und solidarische Wertegemeinschaft, die an einem Strang zieht bei der Verteidigung unserer Demokratie und unserer Freiheit.“ „Stark“ im Interesse der USA und der Nato? Eine „solidarische Wertegemeinschaft“?
Warum spricht der Gewerkschaftsboss nicht von der Solidarität der Werktätigen und der Völker gegen die Konzerne? Meint er mit der Wertegemeinschaft die Klasse derer, die den Mehrwert, der von den Kolleginnen und Kollegen geschaffen wird, als Profit sich aneignen? Von welchem Strang redet er? Von den steigenden Mieten, Energiekosten und Lebensmittelpreisen, durch welche die Kolleginnen und Kollegen stanguliert werden?
„Unsere Demokratie“? „Unsere Freiheit“? Die Rede von unserer Demokratie und unserer Freiheit verkleistert, dass Demokratie kein Einheitsbrei ist und Freiheit permanent erkämpft werden muss – erkämpft werden muss gegen die Unterdrücker, gegen eine politische Justiz, gegen eine Ampelregierung, die uns im Namen der Demokratie das Maul verbietet – welch ein Hohn!
„Eine andere Idee von Europa“, so urteilt Giorgio Agamben, „wird erst dann möglich sein, wenn wir das Feld von diesem Schwindel freigeräumt haben. Um es ohne Scheu und Zurückhaltung zu sagen: Wenn wir wirklich über ein politisches Europa nachdenken wollen, müssen wir als erstes die Europäische Union aus dem Weg räumen – oder zumindest auf den Moment vorbereitet sein, in dem sie, wie es scheint, kurz vor dem Zusammenbruch steht.“
Das Thema meines Beitrags war: Europawahlen – was ist das? Meine Antwort und die von Giorgio Agamben: Es handelt sich um ein Täuschungsmanöver, einen Schwindel, eine Hochstapelei, einen Betrug. Das aufzudecken ist die Aufgabe der wahren Demokratinnen und Demokraten.
Wir müssen wach sein und uns vorbereiten auf eine andere Idee von Europa: ein souveränes Europa in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, ohne Kriege, ohne Ausbeutung, ohne Unterdrückung. Dieses Europa steht nicht zur Wahl. Es muss erstritten werden.
Videoaufzeichnung der Veranstaltung von Georg Maria Vormschlag - mit Reden von Isabel Graumann (ab 00:25), Anton Körner (ab 08:37), Bernd Helmert (ab 21:16), Rudolph Bauer (ab 26:51) und Florian Pfaff (ab 50:43):
Online-Flyer Nr. 831 vom 31.05.2024
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FOTOGALERIE