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Deutschland: ein tributpflichtiger Vasallenstaat
WÜRDE UND SOUVERÄNITÄT – eine Fantasie von übermorgen?
Von Irene Eckert
Sollte die vor kurzem noch reiche und geachtete Industrienation Deutschland etwa wirklich auf einen Vasallenstatus herabgesunken sein, auf ein vordefiniertes Lakaiendasein reduziert? Manch einem gebildeten Deutschen (1) mag dies in Erinnerung an germanische Geistesgeschichte, an Einstein, Bach, Beethoven, Brecht, an Clara Schumann, Clara Zetkin, an Goethe, Schiller und die Gebrüder Mann geradezu absurd erscheinen (2). Andere mögen sich wegen des vormals angestrebten Herrenmenschentums in Stockholmsyndromstarre (3) befnden. Vasallen sind nun einmal ihren Herren hörig, also erbringen sie ehrerbietig die geforderten Hand- und Spanndienste, hinterfragen ihren angestammten Status nicht.
Solange wir Deutschen durch Fleiß und Strebsamkeit vorankommen konnten, hatten wir keinen Anlass über unseren Status als Volk, über unser Kolonialdasein nachzudenken. Da war zum einen die stacheldrahtgeschützte Systemgrenze, die uns lange zerteilte. Hüben und drüben wurden spiegelbildlich verkehrte Feindbilder geschürt. Für sozial bewusste Menschen im Westen galt es Verteilungskämpfe zu führen, Meinungs- bzw. Berufsfreiheit (8) zu erstreiten, auch für die Rechte italienischer oder türkischer Gastarbeiter einzutreten. In Ost und West galt Völker wie etwa Vietnam oder Kuba in ihren Befreiungskämpfen zu unterstützen. Zwar hätte es den DDR-Bürgern mit dem abrupten Ende ihrer Staatlichkeit dämmern können, dass sie weder vorher noch nachher souverän waren, denn mit ihren relativen Privilegien war es nach dem Mauerfall rasch vorbei. Allerdings überdeckte die Freude über neu gewonnenen Freiheiten, den eventuellen Schmerz über neue Fußfesseln. Aber auch die Westbürger hätten etwas merken können. Die Wiedervereinigung wurde hinter unser beider Rücken von ausländischen Mächten, den ehemaligen Kriegs-Alliierten eingefädelt und vertraglich fixiert. Die Aufrechterhaltung ihrer Vorbehaltsrechte schränken unsere Souveränität ausdrücklich weiterhin ein. (9)
Viele vermerkten immerhin bald schmerzlich das Ende der Jobgarantien und anderer Sicherheiten, aber noch gab es das Rundum-sorglos-Paket des Fürsorgestaates. Manch einem gelang sogar zunächst der Karrieresprung und es wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann aus ihm. Wir Westdeutschen nahmen mit von Amerika geborgter Überheblichkeit die DDR als Gratis-Geschenk an, nicht bedenkend, dass auch wir endlich dafür würden zahlen müssen.
Wiedergutmachungsleistungen und Kriegsbeteiligungen
Zwar trugen die DDR-Bürger den Löwenanteil der deutschen Kriegsschuld gegenüber den 'Russen', (10) während wir im Westen vor allem die israelische Aufrüstung gegen die Palästinenser finanzierten (11). Am US-Krieg gegen den Irak beteiligten wir uns mit 18 Milliarden zunächst noch zögerlich, aber gegen Afghanistan und Jugoslawien waren wir mit soldatischem Gehorsam dabei. All das galt als Wiedergutmachung für vergangene Verbrechen, als humanitäre Hilfe, diente der 'Aufklärung'. Zwar verlangte der wohlwollende Hegemon bereits 1966 einen Beitrag des 'Nato-Partners' Deutschland für den Vietnamkrieg, doch damals lehnte Kanzler Ludwig Erhard noch eine aktve Mitwirkung der Bundeswehr entschieden ab. Die Regierung schickte aber über 5 Jahre lang das 'neutrale' Sanitätsschiff „Helgoland“ (12) zur Unterstützung der US-Invasion. Mit dem Zwei-Plus Vier-Vertrag und dem Ende des Systemgegners UdSSR hofften man dann allerorten auf eine Friedensdividende, obwohl es doch keinen Friedensvertrag gab.
Kohl und Gorbatschow bzw. Jelzin, Merkel und Putin verstanden sich noch auf das Spiel der Diplomatie. Zwei Minsker Abkommen vom UN Sicherheitsrat völkerrechtlich abgesegnet, sollten die Ukrainefrage friedlich bereinigen, woraufhin neue, zukunftsträchtige Nordstromrohrleitungen vereinbart und schließlich auch realisiert wurden. Die Zukunft der deutschen und europäischen Energieversorgung schien gesichert.
Kriegsertüchtigung einüben
Der Schein trog allerdings. Der deutsche Mohr hatte vorläufig seine Schuldigkeit getan. Die einst auch für die US-amerikanische Lead-Nation gedeihliche Früchte tragende Wirtschaft des europäischen, prosperierenden Vasallen war als lästiger Konkurrenzfaktor herangewachsen. Die geopolitischen Ziele des Hegemons geboten nun die deutsch-russische Handels-Achse zu torpedieren. Der NATO-Krieg in der Ukraine wurde immer kostspieliger, die unterworfene Nation musste als strategischer 'Schlüsselpartner' mehr liefern, auch auf Kosten seiner eigenen Energiesicherheit, der Infrastruktur, der Wirtschaft, dem nationalen Wohlstand. Kriegstüchtig werden, Soldaten ins Feld schicken, Langstreckenraketen liefern, die wieder einmal russisches Kernland ruinieren würden, so lautet die jetzt auferlegte Bürde.
Stockholmsyndrom? (13)
In Anbetracht der inzwischen unübersehbaren Tatsache deutscher Untertanentreue gegenüber der US-Besatzungsmacht, zitieren geopolitische Analysten das Stockholmsyndrom. Ingeborg Bachmann (14) reflektierte bereits 1953 in poetischer Sprache über die nötig gewordene Tapferkeit gegenüber dem Freund. Heute meinen viele, uns seien die Hände gebunden, wir müssten uns fügen, wir hätten selber Schuld. Sie fragen, warum haben die Väter nicht NEIN gesagt zu den großen Verbrechen während des letzten Krieges? Und lamentieren: Jetzt müssen wir die Suppe auslöffeln. Mit über 40 US-amerikanischen Militärstützpunkten haben die Amis nun einmal die Macht über unser Land. Was aber können, was sollen wir tun? „Neutralität“ fordern, „Raus aus dem Militärbündnis NATO“ oder „die Kündigung des Truppenstatuts“ mt den Amerikanern? Andere wollen forsch aufs Ganze gehen und stellen das ganze System infrage, bevor sie noch den Versuch gewagt haben, grundgesetzlich verbriefte Rechte durchzusetzen zu helfen. (15)
Die Systemfrage ist nicht ausschlaggebend dafür, ob ein Volk, eine Nation mit Würde und Stolz seine Interessen zu verteidigen vermag, den nationalen Wohlstand zu mehren versteht. Das lehrt uns ein realistischenr Blick für das Gegebene, das Vorhandene, das Mögliche: Brasilien, Russland, der Iran, China und Südafrika, die BRICS-Gründer-Staaten und viele Neue arbeiten zusammen und stärken sich gegenseitig den Rücken, obwohl China eine kommunistisch-konfuzianische Führung hat, Russland heute ein kapitalistisches Land ist, der Iran von muslimischen Religionsführern geleitet wird und das schwarze Südafrika noch immer stark von der britischen Börse abhängt. Die Frage in welchem System wir leben wollen, ist Zukunftsmusik und wird sich auf dem Wege zur Identitätsfindung klären. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – unser Verfassungsersatz - schreibt kein bestimmtes Wirtschaftssystem fest und ist seit 1949 oft einschneidend geändert worden. Allerdings fallen Artikel 1 (Garantie der Menschenwürde) und Artikel 20 unter die so genannte Ewigkeitsklausel, wodurch das Demokratie-, Sozial- und Rechtsstaatsprinzip und das Widerstandsrecht festgeschrieben werden.
Diese Rechte als souveräne Nation zu verteidigen sollte uns vornehmste Pflicht sein. Dazu müssen wir das Grundgesetz kennen, übrigens ebenso wie die UN Charta. Die EU-Scheinverfassung dagegen kann kein Durchschnittsmensch kennen. Nicht einmal die Abgeordneten, die dem Lissabon-Vertrag, der sie ersetzte, zugestimmt haben, kannten den ganzen Text, der den Umfang eines Buches hat und ihnen nicht in gedruckter Form vorlag. (20)
Wir müssen uns als engagierte Mitglieder eines Gemeinwesens stets auf das Recht, auf das Legalitätsprinzip berufen. Nur die Macht kann sich Rechtlosigkeit leisten, aber auch sie behält am Ende nicht Recht und ist zum Verlieren verurteilt, wenn das Volk sich seiner Rechte bewusst erstarkt aufsteht. Erinnern wir uns an die große Thematik, die Friedrich Schiller in seinem letzten Stück aufwirft und in der Tiefe erörtert:
Das Souveränitätsprinzip ist die Grundlage für die UN-Charta. Alle Völker, die ihr koloniales Joch abgeschüttelt haben oder darum kämpfen es abzuschütteln, berufen sich auf dieses Recht. Rechte aber mussten in der Geschichte stets erkämpft werden. Es waren schwere Kämpfe dafür nötig, die zur Paraphrasierung von Rechten. Für die Einhaltung und Erweiterung geschriebener Rechte müssen immer wieder Kämpfe geführt werden. Ein bestimmter Rechtsstatus spiegelt nur das Kräfteverhältnis bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und Nationen zueinander zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Kolonisierte Völker haben in der Geschichte große Opfer gebracht, um sich aus der herrschenden Umklammerung zu befreien. Denken wir etwa an Vietnam, China, Kuba, Algerien, Iran, Südafrika oder an den großen Jahrhundertkampf des palästinensischen Volkes der sich gegenwärtig vor unseren Augen abspielt.
Wir müssen uns ins dies Gedächtnis rufen und uns damit vertraut machen, dass auch unsere Souveränität erkämpft werden muss, Schritt für Schritt. Erste Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf ist eine realistische Lagebeurteilung und Strategieentwicklung. Die Frage nach der inneren Verfassung, der Neutralität eines Landes kann erst angegangen werden nach Absicherung der eigenen Grenzen. Dafür bedarf es eines neu erwachenden Nationalbewusstseins, der Erinnerung an eigenen Stärken, an Kräfte, die aus der Kenntnis der Geschichte, insbesondere auch der des Widerstandes, etwa im 19. Jahrhundert gegen die Napoleonischen Besatzungskriege, im 20. Jahrhundert gegen den Hitler-Faschismus. Die Wiederbelebung der Erinnerung an Helden und Vorbilder, Denker, Dichter, Musiker, Wissenschaftler, Techniker, also die Kenntnis der eigenen Kultur sind ebenfalls unverzichtbare Stärkungsmittel. Ohne Kenntnis der Tradition, ohne Strategie, ohne Ziel verpuffen Abwehrkämpfe im täglichen Kleinkram und müssen schließlich kollabieren.
Voraussetzung für Einsatzbereitschaft für Abwehrwillen ist die Erkenntnis der eigenen Lage.
Fußnoten:
1 Ich wollte Patriot sagen, aber darf man als Deutscher sich denn überhaupt als 'Patriot' definieren oder verbietet der uns zugedachte Status auch bereits das? Ist ein 'Patriot' nicht zwangsläufig Unbelehrbarer, ein 'Rechter' und dann auch noch die „Zumutung“ einer ungegenderten Sprachform?
2 Der geneigte Leser verzeihe die Auswahl so weniger Namen
3 Die Opfer sympathisieren demnach mit den Tätern und kooperieren willig https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom
4 https://www.deutschlandfunk.de/zbigniew-brzezinski-rueckblick-in-die-konflikte-der-zukunft-100.html
5 Deutschland ist ein amerikanisches Protektorat und ein tributpflichtiger Vasallenstaat"; das bekannte Zitat des früheren US-Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski, „Die einzige Weltmacht“ stellt der ehemalige Fallschirmjäger-General Reinhard Uhle-Wettler an den Anfang seiner neuen Broschüre „Vasallen . Das Buch von Brzezinski war einige Jahre vergriffen
6 https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321134/souveraenitaet/
7 Eine Anspielung auf Brechts Lob der Dialektik, Brecht sagt: „Wer verloren ist, kämpfe! Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein? Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen Und aus Niemals wird: Heute noch!“ Ich sage, „wider den Stachel löcken“ und meine aufbegehren....
8 Berufsverbot im Westen, der Menschenrechtsanwalt Rolf Gössnrer erinnert sich noch, https://hinter-denschlagzeilen.de/berufsverbote-politik-der-1970er-80er-jahre-und-kein-ende
9 Im Einzelnen ging es um die Vorbehaltsrechte der Alliierten und die vollständige Souveränität Deutschlands, um seine Grenzen, seine Bündniszugehörigkeit und die auf seinem Staatsgebiet stationierten ausländischen Truppen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwei-plus-Vier-Vertrag
10 https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Reparationen_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg
11 WIEDERGUTMACHUNG IN EXPLOSIVER WÄHRUNG https://monde-diplomatique.de/artikel/!5675078
12 https://www.welt.de/geschichte/article169853096/Aerzte-und-Schwestern-trafen-sich-bei-den-Saergen.html
13 https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom
14 1953 erstmals im Druck erschienenen Gedicht „Alle Tage“ reflektiert die österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann (1926-1973) das weltpolitische Klima in der Zeit des „Kalten Krieges“ und wirbt aus einer pazifistischen Haltung für passiven Widerstand gegen die Logik des Wettrüstens und der militärischen Abschreckung. https://lyrik.antikoerperchen.de/ingeborg-bachmann-alle-tage,textbearbeitung,414.html#google_vignette
15 z.B. 1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angrifskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen. (2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.Art 26 GG
16 Wieder ein halbes Brechtzitat aus dem Lob der Dialektik: „Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt“
17 Aus „Alle Tage“ von Ingeborg Bachmann
18 https://lyricstranslate.com/en/franz-josef-degenhardt-befragung-eines-kriegsdienstverweigerers-lyrics.html
19 8. Mai: Der Parlamentarische Rat beschließt mit 53 gegen 12 Stimmen das Grundgesetz. CSU-und KPD-Abgeordnete verweigern aus entgegengesetzten Gründen ihre Zustimmung. Max Reimann, Gründungsmitglied der VVN, Mitglied des NRW-Landesvorstandes der VVN und Vertreter der KPD im Parlamentarischen Rat erklärte: "Sie meine Damen und Herren, haben diesem Grundgesetz, mit dem die Spaltung Deutschlands festgelegt ist, zugestimmt. Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben! (aus: Max Reimann, Aus Reden und Aufsätzen 1946-1963, Berlin 1963, S. 147 https://nrw-archiv.vvnbda.de/texte/0600_reimann.htm
20 Der Entwurf für eine E. V. wurde 2004 von den EU-Staats- und Regierungschefs unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Die Reform der EU erfolgte durch den Vertrag von Lissabon 2009. https://www.bpb.de/kurzknapp/lexika/politiklexikon/17376/europaeische-verfassung/
Online-Flyer Nr. 843 vom 27.02.2025
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Inland
Deutschland: ein tributpflichtiger Vasallenstaat
WÜRDE UND SOUVERÄNITÄT – eine Fantasie von übermorgen?
Von Irene Eckert
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- Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Toren.
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.
(F. Schiller)
“Deutschland ist ein amerikanisches Protektorat und ein tributpflichtiger Vasallenstaat”
(US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski in 'Die einzige Weltmacht', 1997) (4)
Solange wir Deutschen durch Fleiß und Strebsamkeit vorankommen konnten, hatten wir keinen Anlass über unseren Status als Volk, über unser Kolonialdasein nachzudenken. Da war zum einen die stacheldrahtgeschützte Systemgrenze, die uns lange zerteilte. Hüben und drüben wurden spiegelbildlich verkehrte Feindbilder geschürt. Für sozial bewusste Menschen im Westen galt es Verteilungskämpfe zu führen, Meinungs- bzw. Berufsfreiheit (8) zu erstreiten, auch für die Rechte italienischer oder türkischer Gastarbeiter einzutreten. In Ost und West galt Völker wie etwa Vietnam oder Kuba in ihren Befreiungskämpfen zu unterstützen. Zwar hätte es den DDR-Bürgern mit dem abrupten Ende ihrer Staatlichkeit dämmern können, dass sie weder vorher noch nachher souverän waren, denn mit ihren relativen Privilegien war es nach dem Mauerfall rasch vorbei. Allerdings überdeckte die Freude über neu gewonnenen Freiheiten, den eventuellen Schmerz über neue Fußfesseln. Aber auch die Westbürger hätten etwas merken können. Die Wiedervereinigung wurde hinter unser beider Rücken von ausländischen Mächten, den ehemaligen Kriegs-Alliierten eingefädelt und vertraglich fixiert. Die Aufrechterhaltung ihrer Vorbehaltsrechte schränken unsere Souveränität ausdrücklich weiterhin ein. (9)
Viele vermerkten immerhin bald schmerzlich das Ende der Jobgarantien und anderer Sicherheiten, aber noch gab es das Rundum-sorglos-Paket des Fürsorgestaates. Manch einem gelang sogar zunächst der Karrieresprung und es wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann aus ihm. Wir Westdeutschen nahmen mit von Amerika geborgter Überheblichkeit die DDR als Gratis-Geschenk an, nicht bedenkend, dass auch wir endlich dafür würden zahlen müssen.
Wiedergutmachungsleistungen und Kriegsbeteiligungen
Zwar trugen die DDR-Bürger den Löwenanteil der deutschen Kriegsschuld gegenüber den 'Russen', (10) während wir im Westen vor allem die israelische Aufrüstung gegen die Palästinenser finanzierten (11). Am US-Krieg gegen den Irak beteiligten wir uns mit 18 Milliarden zunächst noch zögerlich, aber gegen Afghanistan und Jugoslawien waren wir mit soldatischem Gehorsam dabei. All das galt als Wiedergutmachung für vergangene Verbrechen, als humanitäre Hilfe, diente der 'Aufklärung'. Zwar verlangte der wohlwollende Hegemon bereits 1966 einen Beitrag des 'Nato-Partners' Deutschland für den Vietnamkrieg, doch damals lehnte Kanzler Ludwig Erhard noch eine aktve Mitwirkung der Bundeswehr entschieden ab. Die Regierung schickte aber über 5 Jahre lang das 'neutrale' Sanitätsschiff „Helgoland“ (12) zur Unterstützung der US-Invasion. Mit dem Zwei-Plus Vier-Vertrag und dem Ende des Systemgegners UdSSR hofften man dann allerorten auf eine Friedensdividende, obwohl es doch keinen Friedensvertrag gab.
Kohl und Gorbatschow bzw. Jelzin, Merkel und Putin verstanden sich noch auf das Spiel der Diplomatie. Zwei Minsker Abkommen vom UN Sicherheitsrat völkerrechtlich abgesegnet, sollten die Ukrainefrage friedlich bereinigen, woraufhin neue, zukunftsträchtige Nordstromrohrleitungen vereinbart und schließlich auch realisiert wurden. Die Zukunft der deutschen und europäischen Energieversorgung schien gesichert.
Kriegsertüchtigung einüben
Der Schein trog allerdings. Der deutsche Mohr hatte vorläufig seine Schuldigkeit getan. Die einst auch für die US-amerikanische Lead-Nation gedeihliche Früchte tragende Wirtschaft des europäischen, prosperierenden Vasallen war als lästiger Konkurrenzfaktor herangewachsen. Die geopolitischen Ziele des Hegemons geboten nun die deutsch-russische Handels-Achse zu torpedieren. Der NATO-Krieg in der Ukraine wurde immer kostspieliger, die unterworfene Nation musste als strategischer 'Schlüsselpartner' mehr liefern, auch auf Kosten seiner eigenen Energiesicherheit, der Infrastruktur, der Wirtschaft, dem nationalen Wohlstand. Kriegstüchtig werden, Soldaten ins Feld schicken, Langstreckenraketen liefern, die wieder einmal russisches Kernland ruinieren würden, so lautet die jetzt auferlegte Bürde.
Stockholmsyndrom? (13)
In Anbetracht der inzwischen unübersehbaren Tatsache deutscher Untertanentreue gegenüber der US-Besatzungsmacht, zitieren geopolitische Analysten das Stockholmsyndrom. Ingeborg Bachmann (14) reflektierte bereits 1953 in poetischer Sprache über die nötig gewordene Tapferkeit gegenüber dem Freund. Heute meinen viele, uns seien die Hände gebunden, wir müssten uns fügen, wir hätten selber Schuld. Sie fragen, warum haben die Väter nicht NEIN gesagt zu den großen Verbrechen während des letzten Krieges? Und lamentieren: Jetzt müssen wir die Suppe auslöffeln. Mit über 40 US-amerikanischen Militärstützpunkten haben die Amis nun einmal die Macht über unser Land. Was aber können, was sollen wir tun? „Neutralität“ fordern, „Raus aus dem Militärbündnis NATO“ oder „die Kündigung des Truppenstatuts“ mt den Amerikanern? Andere wollen forsch aufs Ganze gehen und stellen das ganze System infrage, bevor sie noch den Versuch gewagt haben, grundgesetzlich verbriefte Rechte durchzusetzen zu helfen. (15)
- „Währenddessen aber schreitet das Unrecht ... einher
mit großem Schritt“
(B. Brecht) (16)
- „Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt.
Das Unerhörte ist alltäglich geworden.
Der Held bleibt den Kämpfen fern.
Der Schwache ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld...“
(Ingeborg Bachmann „Alle Tage“, 1953) (17)
- Grundgesetz? Sie berufen sich da fortgesetzt aufs Grundgesetz,
Sagen sie mal, sind sie eigentlich Kommunist?
(F.J. Degenhart) (18)
Die Systemfrage ist nicht ausschlaggebend dafür, ob ein Volk, eine Nation mit Würde und Stolz seine Interessen zu verteidigen vermag, den nationalen Wohlstand zu mehren versteht. Das lehrt uns ein realistischenr Blick für das Gegebene, das Vorhandene, das Mögliche: Brasilien, Russland, der Iran, China und Südafrika, die BRICS-Gründer-Staaten und viele Neue arbeiten zusammen und stärken sich gegenseitig den Rücken, obwohl China eine kommunistisch-konfuzianische Führung hat, Russland heute ein kapitalistisches Land ist, der Iran von muslimischen Religionsführern geleitet wird und das schwarze Südafrika noch immer stark von der britischen Börse abhängt. Die Frage in welchem System wir leben wollen, ist Zukunftsmusik und wird sich auf dem Wege zur Identitätsfindung klären. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – unser Verfassungsersatz - schreibt kein bestimmtes Wirtschaftssystem fest und ist seit 1949 oft einschneidend geändert worden. Allerdings fallen Artikel 1 (Garantie der Menschenwürde) und Artikel 20 unter die so genannte Ewigkeitsklausel, wodurch das Demokratie-, Sozial- und Rechtsstaatsprinzip und das Widerstandsrecht festgeschrieben werden.
Diese Rechte als souveräne Nation zu verteidigen sollte uns vornehmste Pflicht sein. Dazu müssen wir das Grundgesetz kennen, übrigens ebenso wie die UN Charta. Die EU-Scheinverfassung dagegen kann kein Durchschnittsmensch kennen. Nicht einmal die Abgeordneten, die dem Lissabon-Vertrag, der sie ersetzte, zugestimmt haben, kannten den ganzen Text, der den Umfang eines Buches hat und ihnen nicht in gedruckter Form vorlag. (20)
Wir müssen uns als engagierte Mitglieder eines Gemeinwesens stets auf das Recht, auf das Legalitätsprinzip berufen. Nur die Macht kann sich Rechtlosigkeit leisten, aber auch sie behält am Ende nicht Recht und ist zum Verlieren verurteilt, wenn das Volk sich seiner Rechte bewusst erstarkt aufsteht. Erinnern wir uns an die große Thematik, die Friedrich Schiller in seinem letzten Stück aufwirft und in der Tiefe erörtert:
- Wir wollen sein
ein einzig Volk von Brüdern
In keiner Not uns trennen und Gefahr.
Wir wollen frei sein,
wie die Väter waren
eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.
(Wilhelm Tell, F. Schiller)
Das Souveränitätsprinzip ist die Grundlage für die UN-Charta. Alle Völker, die ihr koloniales Joch abgeschüttelt haben oder darum kämpfen es abzuschütteln, berufen sich auf dieses Recht. Rechte aber mussten in der Geschichte stets erkämpft werden. Es waren schwere Kämpfe dafür nötig, die zur Paraphrasierung von Rechten. Für die Einhaltung und Erweiterung geschriebener Rechte müssen immer wieder Kämpfe geführt werden. Ein bestimmter Rechtsstatus spiegelt nur das Kräfteverhältnis bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und Nationen zueinander zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Kolonisierte Völker haben in der Geschichte große Opfer gebracht, um sich aus der herrschenden Umklammerung zu befreien. Denken wir etwa an Vietnam, China, Kuba, Algerien, Iran, Südafrika oder an den großen Jahrhundertkampf des palästinensischen Volkes der sich gegenwärtig vor unseren Augen abspielt.
Wir müssen uns ins dies Gedächtnis rufen und uns damit vertraut machen, dass auch unsere Souveränität erkämpft werden muss, Schritt für Schritt. Erste Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf ist eine realistische Lagebeurteilung und Strategieentwicklung. Die Frage nach der inneren Verfassung, der Neutralität eines Landes kann erst angegangen werden nach Absicherung der eigenen Grenzen. Dafür bedarf es eines neu erwachenden Nationalbewusstseins, der Erinnerung an eigenen Stärken, an Kräfte, die aus der Kenntnis der Geschichte, insbesondere auch der des Widerstandes, etwa im 19. Jahrhundert gegen die Napoleonischen Besatzungskriege, im 20. Jahrhundert gegen den Hitler-Faschismus. Die Wiederbelebung der Erinnerung an Helden und Vorbilder, Denker, Dichter, Musiker, Wissenschaftler, Techniker, also die Kenntnis der eigenen Kultur sind ebenfalls unverzichtbare Stärkungsmittel. Ohne Kenntnis der Tradition, ohne Strategie, ohne Ziel verpuffen Abwehrkämpfe im täglichen Kleinkram und müssen schließlich kollabieren.
Voraussetzung für Einsatzbereitschaft für Abwehrwillen ist die Erkenntnis der eigenen Lage.
- Wer seine Lage erkannt hat, wie sollte der aufzuhalten sein?
(B. Brecht)
Fußnoten:
1 Ich wollte Patriot sagen, aber darf man als Deutscher sich denn überhaupt als 'Patriot' definieren oder verbietet der uns zugedachte Status auch bereits das? Ist ein 'Patriot' nicht zwangsläufig Unbelehrbarer, ein 'Rechter' und dann auch noch die „Zumutung“ einer ungegenderten Sprachform?
2 Der geneigte Leser verzeihe die Auswahl so weniger Namen
3 Die Opfer sympathisieren demnach mit den Tätern und kooperieren willig https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom
4 https://www.deutschlandfunk.de/zbigniew-brzezinski-rueckblick-in-die-konflikte-der-zukunft-100.html
5 Deutschland ist ein amerikanisches Protektorat und ein tributpflichtiger Vasallenstaat"; das bekannte Zitat des früheren US-Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski, „Die einzige Weltmacht“ stellt der ehemalige Fallschirmjäger-General Reinhard Uhle-Wettler an den Anfang seiner neuen Broschüre „Vasallen . Das Buch von Brzezinski war einige Jahre vergriffen
6 https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321134/souveraenitaet/
7 Eine Anspielung auf Brechts Lob der Dialektik, Brecht sagt: „Wer verloren ist, kämpfe! Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein? Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen Und aus Niemals wird: Heute noch!“ Ich sage, „wider den Stachel löcken“ und meine aufbegehren....
8 Berufsverbot im Westen, der Menschenrechtsanwalt Rolf Gössnrer erinnert sich noch, https://hinter-denschlagzeilen.de/berufsverbote-politik-der-1970er-80er-jahre-und-kein-ende
9 Im Einzelnen ging es um die Vorbehaltsrechte der Alliierten und die vollständige Souveränität Deutschlands, um seine Grenzen, seine Bündniszugehörigkeit und die auf seinem Staatsgebiet stationierten ausländischen Truppen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwei-plus-Vier-Vertrag
10 https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Reparationen_nach_dem_Zweiten_Weltkrieg
11 WIEDERGUTMACHUNG IN EXPLOSIVER WÄHRUNG https://monde-diplomatique.de/artikel/!5675078
12 https://www.welt.de/geschichte/article169853096/Aerzte-und-Schwestern-trafen-sich-bei-den-Saergen.html
13 https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom
14 1953 erstmals im Druck erschienenen Gedicht „Alle Tage“ reflektiert die österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann (1926-1973) das weltpolitische Klima in der Zeit des „Kalten Krieges“ und wirbt aus einer pazifistischen Haltung für passiven Widerstand gegen die Logik des Wettrüstens und der militärischen Abschreckung. https://lyrik.antikoerperchen.de/ingeborg-bachmann-alle-tage,textbearbeitung,414.html#google_vignette
15 z.B. 1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angrifskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen. (2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.Art 26 GG
16 Wieder ein halbes Brechtzitat aus dem Lob der Dialektik: „Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt“
17 Aus „Alle Tage“ von Ingeborg Bachmann
18 https://lyricstranslate.com/en/franz-josef-degenhardt-befragung-eines-kriegsdienstverweigerers-lyrics.html
19 8. Mai: Der Parlamentarische Rat beschließt mit 53 gegen 12 Stimmen das Grundgesetz. CSU-und KPD-Abgeordnete verweigern aus entgegengesetzten Gründen ihre Zustimmung. Max Reimann, Gründungsmitglied der VVN, Mitglied des NRW-Landesvorstandes der VVN und Vertreter der KPD im Parlamentarischen Rat erklärte: "Sie meine Damen und Herren, haben diesem Grundgesetz, mit dem die Spaltung Deutschlands festgelegt ist, zugestimmt. Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben! (aus: Max Reimann, Aus Reden und Aufsätzen 1946-1963, Berlin 1963, S. 147 https://nrw-archiv.vvnbda.de/texte/0600_reimann.htm
20 Der Entwurf für eine E. V. wurde 2004 von den EU-Staats- und Regierungschefs unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Die Reform der EU erfolgte durch den Vertrag von Lissabon 2009. https://www.bpb.de/kurzknapp/lexika/politiklexikon/17376/europaeische-verfassung/
Online-Flyer Nr. 843 vom 27.02.2025
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