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Aktueller Online-Flyer vom 03. November 2025  

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Krieg und Frieden
Großdemonstration "Für Frieden, für Neutralität, für ein souveränes Österreich" am 18. Oktober 2025 in Wien
Neutralität ist aktive Friedenspolitik
Reden von Sali Attia, Lubos Blaha und Shadi Abu Daher

"Wir aber sagen: Neutralität ist kein Rückzug. Sie ist kein Wegschauen. Neutralität ist aktive Friedenspolitik. Sie bedeutet, Brücken zu bauen, wo andere Mauern errichten. Sie bedeutet, zu vermitteln, wo andere drohen. Sie bedeutet, Hilfe zu leisten, wo andere Bomben schicken... Wir sagen: Neutralität ist kein Stillstand – sie ist Bewegung für den Frieden. Neutralität ist kein Schweigen – sie ist die Stimme der Vernunft. Neutralität ist kein Zaun – sie ist eine Brücke. Und solange wir diese Brücke gemeinsam tragen, solange wir uns nicht einreden lassen, Neutralität sei Schwäche, solange wir an den Frieden glauben – solange bleibt Österreich wirklich unabhängig." Mit diesen Sätzen beschreibt Sali Attia den Charakter echter Neutralität.


Rede von Sali Attia, Lehrerin, Politologin und Kandidatin der Liste Gaza:

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wir stehen heute hier, weil uns eines verbindet: die Liebe zu unserem Land – und die Überzeugung, dass Österreichs Neutralität kein Relikt der Vergangenheit ist, sondern ein Auftrag für die Zukunft. Unsere Neutralität ist mehr als nur ein Satz im Bundesverfassungsgesetz von 1955. Sie ist ein Versprechen – an uns selbst und an die Welt: Österreich mischt sich nicht in Kriege ein, sondern arbeitet für den Frieden. Wir stehen nicht auf der Seite der Waffen, sondern auf der Seite der Menschlichkeit.

Doch genau dieses Versprechen steht heute unter Druck. Immer öfter hören wir Stimmen, die sagen: „Neutralität ist naiv.“ „Neutralität ist veraltet.“ Oder gar: „Neutralität ist Feigheit.“ Aber das ist falsch! Diese Stimmen versuchen, unsere Neutralität neu zu framen – sie wollen sie umdeuten, als wäre sie ein Problem, das man endlich „modernisieren“ müsste.

Doch was sie in Wahrheit wollen, ist etwas anderes: Sie wollen eine Politik, die sich stärker militärischen Bündnissen unterordnet. Sie wollen, dass Österreich sich in Konflikten klar militärisch positioniert – und damit seine friedenspolitische Stimme verliert.

Wir aber sagen: Neutralität ist kein Rückzug. Sie ist kein Wegschauen. Neutralität ist aktive Friedenspolitik. Sie bedeutet, Brücken zu bauen, wo andere Mauern errichten. Sie bedeutet, zu vermitteln, wo andere drohen. Sie bedeutet, Hilfe zu leisten, wo andere Bomben schicken.

Als neutraler Staat haben wir eine einzigartige Rolle: Wir können Gesprächspartner sein, wenn andere sich nicht mehr an einen Tisch setzen. Wir können humanitäre Hilfe leisten, ohne verdächtigt zu werden, politische Interessen zu verfolgen. Wir können Räume öffnen für Diplomatie, Verhandlungen und Verständigung. Das ist keine Schwäche – das ist Stärke!

Doch diese Stärke braucht Mut. Mut, in einer lauten, polarisierenden Welt die leise Stimme des Friedens zu sein. Mut, Nein zu sagen, wenn alle Ja zum Krieg rufen. Mut, Neutralität nicht als bequemes Wegducken, sondern als bewusste Entscheidung zu verstehen.

Denn Neutralität verpflichtet uns. Sie verpflichtet uns, kritisch zu bleiben, wenn politische oder wirtschaftliche Interessen versuchen, uns in Konflikte hineinzuziehen. Sie verpflichtet uns, unsere Unabhängigkeit zu verteidigen – auch gegen Druck von außen. Und sie verpflichtet uns, Frieden zu fördern, nicht bloß zu fordern.

Und genau deshalb dürfen wir auch nicht schweigen, wenn vor unseren Augen schwerstes Unrecht geschieht – wie jetzt im Gazastreifen. Wenn tausende Zivilistinnen und Zivilisten, Familien, Kinder, unter Bomben, Hunger und Vertreibung leiden, dann darf Österreich – gerade als neutraler Staat – nicht still bleiben.

Neutralität heißt nicht Gleichgültigkeit. Sie heißt, das Völkerrecht zu verteidigen, wo es gebrochen wird. Sie heißt, Mitgefühl zu zeigen, wo Menschen entrechtet werden. Wir dürfen niemals zulassen, dass Neutralität als Vorwand benutzt wird, um über Leid hinwegzusehen. Gerade unsere Neutralität verpflichtet uns, laut zu sagen: Jedes Menschenleben zählt – überall.

Gerade heute, wo die Welt an so vielen Fronten brennt – in der Ukraine, in Gaza, im Nahen Osten, in Afrika – braucht es neutrale Stimmen. Stimmen, die sagen: „Es gibt keine militärische Lösung für politische Probleme.“ Stimmen, die an das Völkerrecht, an Dialog und an Menschlichkeit erinnern. Und diese Stimme kann und muss Österreich sein.

Liebe Freundinnen und Freunde, unsere Neutralität ist kein alter Zettel im Archiv der Geschichte. Sie ist ein lebendiger Teil unserer Identität – genau wie der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit oder der Schutz der Umwelt. Sie ist ein Versprechen an kommende Generationen: Dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Dass wir nie wieder Teil eines Angriffskrieges sein werden. Dass wir auf der Seite der Menschen, nicht der Mächte stehen. Darum sind wir heute hier.

Wir sagen: Neutralität ist kein Stillstand – sie ist Bewegung für den Frieden. Neutralität ist kein Schweigen – sie ist die Stimme der Vernunft. Neutralität ist kein Zaun – sie ist eine Brücke. Und solange wir diese Brücke gemeinsam tragen, solange wir uns nicht einreden lassen, Neutralität sei Schwäche, solange wir an den Frieden glauben – solange bleibt Österreich wirklich unabhängig.


Rede von Lubos Blaha, EU-Abgeordneter der slowakischen Smer:




Rede von Shadi Abu Daher, Präsident der Vereinigung der Palästinensischen Ärzte und Apotheker (verlesen von Noura Hashem)

Liebe Freunde und Freundinnen, als erstes begrüßen wir den aktuellen Waffenstillstand in Gaza – aber lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Dieser Waffenstillstand ist nur ein erster Schritt. Ein Anfang. Doch wirklicher Frieden beginnt nicht mit dem Verstummen der Waffen – sondern mit Gerechtigkeit, mit dem Ende des Tötens, mit Freiheit.

Erst ein Tag nach dem Waffenstillstand wurden erneut fünf Palästinenser in Gaza ermordet – nicht, weil sie kämpften, sondern weil sie den Mut hatten, zu ihren zerstörten Häusern zurückzukehren. Dort, wo einst ihr Leben war.

Noch immer sind Ärzte in Gaza gefangen, darunter der angesehene Kinderarzt Dr. Husam Abu Safiya. Solange humanitäres Personal verschleppt und inhaftiert wird, kann niemand ernsthaft von einem humanen Vorgehen sprechen.

Wer Frieden will, muss konsequent sein: Alle palästinensischen Geiseln – Männer, Frauen, Kinder – müssen freigelassen werden. Solange es keine Gerechtigkeit für die Opfer in Gaza gibt, bleibt jeder sogenannte „Friedensplan“ nichts weiter als politisches Theater.

Eine Waffenruhe ohne Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, ohne ein Ende der Besatzung, ohne Gerechtigkeit – das ist keine Lösung. Das ist nur ein Aufschub der Gewalt.

Wirklicher Frieden braucht Wahrheit. Wirklicher Frieden braucht Gerechtigkeit. Wirklicher Frieden braucht die Anerkennung der Rechte des palästinensischen Volkes – nicht irgendwann, sondern jetzt.

Was wir derzeit erleben, ist nicht Neutralität, wie sie in antifaschistischer Tradition die Verfassung vorsieht. Ein politischer Schulterschluss, um das internationale Schweigen gegenüber einem offensichtlichen Völkermord zu rechtfertigen.

Wenn Regierungschefs aus Ländern wie Ungarn und Italien sich offen an die Seite der israelischen Besatzung stellen – dann zeigt das nicht nur ihre politische Agenda, sondern auch ihre ideologische Nähe zur extremen Rechten.

Und das Schweigen – insbesondere auch unserer eigenen Regierung – ist mehr als Feigheit. Es ist eine Form der politischen Beteiligung an den Verbrechen in Gaza und ein glatter Bruch unserer Verfassung.

Wenn wirtschaftliche und politische Interessen über Menschenrechte gestellt werden, dann verliert das politische System seine moralische Glaubwürdigkeit.

Ein Schweigen, das schmerzt. Ein Schweigen, das mitschuldig macht. Und es war mehr als das: nicht nur geht die engste Kooperation Österreichs mit Israel auf allen Ebenen weiter, sondern die Bundesregierung hat sogar durch die zeitweilige Aussetzung der Zahlungen an das UNO-Palästinenserhilfswerk UNWRA sich direkt an der Aushungerung Gaza beteiligt.

Wir sagen heute klar und deutlich: Gaza braucht mehr als eine Waffenruhe. Gaza braucht Gerechtigkeit. Es braucht Freiheit. Und es braucht internationale Verantwortung. Denn solange Kinder in Trümmern schlafen, Ärzte verschleppt werden, Familien getötet und die Stimmen der Opfer ignoriert werden – solange bleibt Frieden nur ein Wort.


Siehe auch:

Aufruf zur Großdemonstration am 18. Oktober 2025 in Wien
Für Frieden, für Neutralität, für ein souveränes Österreich
Von Initiative 18. Oktober 2025
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29617


Online-Flyer Nr. 853  vom 31.10.2025

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