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Lokales
Tolle Premiere von Heinrich Pachls Realsatire "Köln ist Kasse"
Alfred: Arisierung "darf man nicht mehr sagen"
Von Emma Weiß
Die drei Hauptakteure: Jupp, der Technokrat, der als "Kurfürst" in der Verwaltung "sauber" bleibt und die Strippen zieht - gespielt von Axel Gottschick, Bates, der Lokalpolitiker, der trotz aller Skrupel Schecks zum Selbstausfüllen einsteckt - gespielt von Georg B. Lenzen, und Mölfes, der Investor, der sich und seine Firma durch verschiedene "Zuwendungen" nur vor Schaden schützen will - gespielt von Klaus Wildermuth, führen vor, wie man aus Köln Geld macht. Als unsichtbare vierte Figur erscheint Verleger "Alfred". "Die Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist quasi Sachzwang", so Heinrich Pachl in der Ankündigung zum Stück.
Klüngel mit System
In "Köln ist Kasse" werden keine konstruierten Skandale vorgeführt, von denen man sagen könnte: Zum Glück ist es ja nur Satire. Auch deckt Pachl keine bisher unbekannten Seilschaften oder Korruptionsfälle auf. Was das Theaterstück auszeichnet, das offenbar nicht nur mir einen anregenden Samstagabend bescherte, sind die Kombination und Kumulation einiger Skandale der letzten Jahre in 90 Minuten intensiv gespieltem Theater. Ihre Zusammenstellung macht deutlich, dass der Kölner Klüngel System hat und wie er funktioniert. Zu ihrem Mut, den Finger in diese Wunde zu legen, kann man Autor und Ensemble nur gratulieren. Eine wichtige Komponente ist dabei eine "Bereitschaft der Kölner Bevölkerung, sich verarschen zu lassen, die unbezahlbar ist", wie Jupp dankbar feststellt. Unbezahlbar für die Gewinne der Herren Mölfes, Bates und Co. und eigentlich nicht bezahlbar, aber doch immer wieder bezahlt von den Kölner BürgerInnen.
Anschaulich wird diese Rechnung in einer Szene zu den Kölner Messehallen. Mit Hilfe eines Maßbandes demonstrieren die Protagonisten, wie die realen, also harten Kosten von 140 Mio. Euro durch Ergänzungen von so genannten weichen Kosten, die in der Regel keinen Gegenwert haben, erweitert wurden, um die vereinbarte Investitionssumme von 260 Mio. Euro zu erreichen. Darunter konnte man nicht bleiben, sonst wäre die Miete, die sich nach der Investitionshöhe berechnet, gesunken und damit natürlich auch der Profit der Investoren. Angesichts der sozialen Missstände in der Stadt eigentlich eher ein Stoff für eine Tragödie. Aber Heinrich Pachl lässt keine Traurigkeit aufkommen. Im Gegenteil, das Stück hält, was es verspricht. Es bringt einen herzhaft zum Lachen, ohne in Klamauk zu verfallen und hält ALLEN einen Spiegel vor. Aufheiternde Unterhaltung wird mit tiefsinnigen Erkenntnissen verbunden - über politische Zusammenhänge und das eigene Zutun bzw. Wegschauen.
Politiker das Messe-Projekt dringlich ans Herz gelegt
Foto: Wolfgang Weimer
"Man kennt sich, man hilft sich"
Herzhaft gelacht wurde auch bei der Szene, in der einer der drei Herren, die stets die Aufdeckung ihrer Machenschaften fürchten müssen, mit Zeitungen unter dem Arm laut verkündet: "Die Kölner Presse deckt Skandal auf!" - "Das wäre neu!", ist die spontane Antwort der beiden anderen. In der gängigen Kölner Presse werden nämlich Skandale in der Regel erst dann aufgedeckt, wenn sie z.B. der Staatsanwaltschaft längst bekannt sind. Ansonsten gilt das Motto, das an diesem Abend oft zitiert wird: "Man kennt sich, man hilft sich." Ein Beweis, wie notwendig unabhängige Gegenöffentlichkeit wie Bürgerfunk und Neue Rheinische Zeitung sind.
Alfred hat immer Recht
Schön ist in diesem Zusammenhang auch die Szene zum Thema Arisierung. Mölfes, der Investor, mag nicht glauben, dass "Alfred" etwas gegen das Wort Arisierung haben könnte. Also greift er zum Handy und fragt bei ihm nach. Was Alfred gesagt haben soll, konnte das Publikum nicht verstehen. Umso unmissverständlicher ist die körperliche Reaktion von Mölfes - eine prächtige schauspielerische Leistung von Wildermuth. Der taumelt drei Schritte vom Telefon weg und nickt dann ganz kleinlaut: "Ja, natürlich, das darf man nicht mehr sagen, ..., ja, Neger sagt man auch nicht mehr zu Afroamerikanern..." Jupp, der Technokrat, sinniert weiter über den Begriff: "Was hätte man dann sagen sollen? Völkermord vorbereitende rassistische antisemitische Enteignungspolitik auf gesetzlicher Grundlage mit systematischer Methodik? Hätten die Journalisten dann keinen Ärger bekommen?"
Leider wird die NRhZ, auf deren Auseinandersetzung mit Neven DuMont diese Szene ja beruht (z.B. NRhZ-Flyer 45), nicht explizit genannt, während Stadt-Anzeiger und EXPRESS sowohl verbal als auch im Bühnenbild stets präsent sind - wenn auch in kritischer Auseinandersetzung.
Am Ende der Szene sind sich Jupp und Mölfes einig, dass man Alfred schon glauben müsse, wenn er behaupte, dass die Nazis 1944 seinem Vater aus reiner Bosheit eine Urkunde über diese Käufe ausgestellt hätten - gegen seinen Willen -, um ihn zu brandmarken. Ja, das müsse man glauben - beweisen kann man es nicht.
Unbedingt hingehen -
auch wenn es im KStA und EXPRESS totgeschwiegen werden sollte
Plakat-Gestaltung: Klaus Winterfeld
Eine schauspielerische Herausforderung
Ähnlich dicht und emotional stark ansprechend ging es den ganzen Abend ohne Pause weiter. Für die Schauspieler, die sich nach einem ruhigen Anfang warm gespielt hatten, eine echte Herausforderung, da für die Charaktere sehr unterschiedliche Personen - wie Antwerpes, Ruschmeier, Trienekens und Oppenheim - Modell gestanden haben. Pachl als Kabarettist ist es ja gewohnt, die Rollen zu wechseln und schnell umzuschalten. Am Ende sind die Figuren deutlich geworden, man musste sogar aufpassen, dass man kein Mitleid bekam mit dem armen, verzweifelten Lokalpolitiker, der Fritz Schramma ziemlich ähnlich ist: "Latein versteht er besser". Die kontrastreiche Umsetzung der Charaktere ist ein Verdienst der engagierten Schauspieler, die durch ihr gekonntes Zusammenspiel als Team gut miteinander harmonieren. So entsteht ein runder Gesamteindruck, der die Systeme von Industrie und Verwaltung zur Manipulation der Politik ins Visier nimmt und offen legt. Ein mitreißendes Stück, das man auf keinen Fall versäumen sollte.
Bleibt abzuwarten wie Stadt-Anzeiger und EXPRESS auf die gegen sie und ihren Aufsichtsratsvorsitzenden gerichteten Spitzen reagieren werden. Oder ob man dort versuchen wird, das Stück durch Totschweigen ins Abseits zu stellen. Gerhardt Haag, Leiter des Theaters am Bauturm, meinte zu einer entsprechenden Frage, ans Risiko dürfe man nicht denken, wenn man so ein Stück ins Programm nehme.
Weitere Aufführungen:
31. August, 1. bis 3., 7. bis 10., 14. bis 16., 20. bis 24.September und 5. bis 8. Oktober im Theater im Bauturm.
Tickets online: www.off-ticket.de
Online-Flyer Nr. 59 vom 29.08.2006
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Tolle Premiere von Heinrich Pachls Realsatire "Köln ist Kasse"
Alfred: Arisierung "darf man nicht mehr sagen"
Von Emma Weiß
Die drei Hauptakteure: Jupp, der Technokrat, der als "Kurfürst" in der Verwaltung "sauber" bleibt und die Strippen zieht - gespielt von Axel Gottschick, Bates, der Lokalpolitiker, der trotz aller Skrupel Schecks zum Selbstausfüllen einsteckt - gespielt von Georg B. Lenzen, und Mölfes, der Investor, der sich und seine Firma durch verschiedene "Zuwendungen" nur vor Schaden schützen will - gespielt von Klaus Wildermuth, führen vor, wie man aus Köln Geld macht. Als unsichtbare vierte Figur erscheint Verleger "Alfred". "Die Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist quasi Sachzwang", so Heinrich Pachl in der Ankündigung zum Stück.
Klüngel mit System
In "Köln ist Kasse" werden keine konstruierten Skandale vorgeführt, von denen man sagen könnte: Zum Glück ist es ja nur Satire. Auch deckt Pachl keine bisher unbekannten Seilschaften oder Korruptionsfälle auf. Was das Theaterstück auszeichnet, das offenbar nicht nur mir einen anregenden Samstagabend bescherte, sind die Kombination und Kumulation einiger Skandale der letzten Jahre in 90 Minuten intensiv gespieltem Theater. Ihre Zusammenstellung macht deutlich, dass der Kölner Klüngel System hat und wie er funktioniert. Zu ihrem Mut, den Finger in diese Wunde zu legen, kann man Autor und Ensemble nur gratulieren. Eine wichtige Komponente ist dabei eine "Bereitschaft der Kölner Bevölkerung, sich verarschen zu lassen, die unbezahlbar ist", wie Jupp dankbar feststellt. Unbezahlbar für die Gewinne der Herren Mölfes, Bates und Co. und eigentlich nicht bezahlbar, aber doch immer wieder bezahlt von den Kölner BürgerInnen.
Anschaulich wird diese Rechnung in einer Szene zu den Kölner Messehallen. Mit Hilfe eines Maßbandes demonstrieren die Protagonisten, wie die realen, also harten Kosten von 140 Mio. Euro durch Ergänzungen von so genannten weichen Kosten, die in der Regel keinen Gegenwert haben, erweitert wurden, um die vereinbarte Investitionssumme von 260 Mio. Euro zu erreichen. Darunter konnte man nicht bleiben, sonst wäre die Miete, die sich nach der Investitionshöhe berechnet, gesunken und damit natürlich auch der Profit der Investoren. Angesichts der sozialen Missstände in der Stadt eigentlich eher ein Stoff für eine Tragödie. Aber Heinrich Pachl lässt keine Traurigkeit aufkommen. Im Gegenteil, das Stück hält, was es verspricht. Es bringt einen herzhaft zum Lachen, ohne in Klamauk zu verfallen und hält ALLEN einen Spiegel vor. Aufheiternde Unterhaltung wird mit tiefsinnigen Erkenntnissen verbunden - über politische Zusammenhänge und das eigene Zutun bzw. Wegschauen.
Politiker das Messe-Projekt dringlich ans Herz gelegt
Foto: Wolfgang Weimer
"Man kennt sich, man hilft sich"
Herzhaft gelacht wurde auch bei der Szene, in der einer der drei Herren, die stets die Aufdeckung ihrer Machenschaften fürchten müssen, mit Zeitungen unter dem Arm laut verkündet: "Die Kölner Presse deckt Skandal auf!" - "Das wäre neu!", ist die spontane Antwort der beiden anderen. In der gängigen Kölner Presse werden nämlich Skandale in der Regel erst dann aufgedeckt, wenn sie z.B. der Staatsanwaltschaft längst bekannt sind. Ansonsten gilt das Motto, das an diesem Abend oft zitiert wird: "Man kennt sich, man hilft sich." Ein Beweis, wie notwendig unabhängige Gegenöffentlichkeit wie Bürgerfunk und Neue Rheinische Zeitung sind.
Alfred hat immer Recht
Schön ist in diesem Zusammenhang auch die Szene zum Thema Arisierung. Mölfes, der Investor, mag nicht glauben, dass "Alfred" etwas gegen das Wort Arisierung haben könnte. Also greift er zum Handy und fragt bei ihm nach. Was Alfred gesagt haben soll, konnte das Publikum nicht verstehen. Umso unmissverständlicher ist die körperliche Reaktion von Mölfes - eine prächtige schauspielerische Leistung von Wildermuth. Der taumelt drei Schritte vom Telefon weg und nickt dann ganz kleinlaut: "Ja, natürlich, das darf man nicht mehr sagen, ..., ja, Neger sagt man auch nicht mehr zu Afroamerikanern..." Jupp, der Technokrat, sinniert weiter über den Begriff: "Was hätte man dann sagen sollen? Völkermord vorbereitende rassistische antisemitische Enteignungspolitik auf gesetzlicher Grundlage mit systematischer Methodik? Hätten die Journalisten dann keinen Ärger bekommen?"
Leider wird die NRhZ, auf deren Auseinandersetzung mit Neven DuMont diese Szene ja beruht (z.B. NRhZ-Flyer 45), nicht explizit genannt, während Stadt-Anzeiger und EXPRESS sowohl verbal als auch im Bühnenbild stets präsent sind - wenn auch in kritischer Auseinandersetzung.
Am Ende der Szene sind sich Jupp und Mölfes einig, dass man Alfred schon glauben müsse, wenn er behaupte, dass die Nazis 1944 seinem Vater aus reiner Bosheit eine Urkunde über diese Käufe ausgestellt hätten - gegen seinen Willen -, um ihn zu brandmarken. Ja, das müsse man glauben - beweisen kann man es nicht.
Unbedingt hingehen -
auch wenn es im KStA und EXPRESS totgeschwiegen werden sollte
Plakat-Gestaltung: Klaus Winterfeld
Eine schauspielerische Herausforderung
Ähnlich dicht und emotional stark ansprechend ging es den ganzen Abend ohne Pause weiter. Für die Schauspieler, die sich nach einem ruhigen Anfang warm gespielt hatten, eine echte Herausforderung, da für die Charaktere sehr unterschiedliche Personen - wie Antwerpes, Ruschmeier, Trienekens und Oppenheim - Modell gestanden haben. Pachl als Kabarettist ist es ja gewohnt, die Rollen zu wechseln und schnell umzuschalten. Am Ende sind die Figuren deutlich geworden, man musste sogar aufpassen, dass man kein Mitleid bekam mit dem armen, verzweifelten Lokalpolitiker, der Fritz Schramma ziemlich ähnlich ist: "Latein versteht er besser". Die kontrastreiche Umsetzung der Charaktere ist ein Verdienst der engagierten Schauspieler, die durch ihr gekonntes Zusammenspiel als Team gut miteinander harmonieren. So entsteht ein runder Gesamteindruck, der die Systeme von Industrie und Verwaltung zur Manipulation der Politik ins Visier nimmt und offen legt. Ein mitreißendes Stück, das man auf keinen Fall versäumen sollte.
Bleibt abzuwarten wie Stadt-Anzeiger und EXPRESS auf die gegen sie und ihren Aufsichtsratsvorsitzenden gerichteten Spitzen reagieren werden. Oder ob man dort versuchen wird, das Stück durch Totschweigen ins Abseits zu stellen. Gerhardt Haag, Leiter des Theaters am Bauturm, meinte zu einer entsprechenden Frage, ans Risiko dürfe man nicht denken, wenn man so ein Stück ins Programm nehme.
Weitere Aufführungen:
31. August, 1. bis 3., 7. bis 10., 14. bis 16., 20. bis 24.September und 5. bis 8. Oktober im Theater im Bauturm.
Tickets online: www.off-ticket.de
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