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Aktueller Online-Flyer vom 13. März 2025  

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Kultur und Wissen
Interview mit dem Sammler Dr. Gerhard Schneider
"Verfemte Kunst"
Georg Giesing und Peter Kleinert

Unser im April gestorbener Kollege Georg Giesing hatte in den NRhZ-Ausgaben 37, 39, 41 und 42 eine Serie über in der Nazi-Zeit "verfemte Kunst" begonnen. Kurz vor seinem Tod hatte er ein Interview mit dem Kunst-Sammler Dr. Gerhard Schneider vorbereitet, starb aber vier Tage vor der geplanten Reise nach Olpe. Das Interview hat nun stattgefunden - auch zu GEOs Angedenken. Die Redaktion.

NRhZ: Herr Dr. Schneider, wann und warum haben Sie angefangen, verfemte Kunst zu sammeln?

Dr. Schneider: Die Systematik, sich speziell um diese Kunst zu kümmern, die mit dieser Frage verbunden ist, ergab sich erst nach und nach. Mein Urerlebnis verbindet sich mit dem Namen Valentin Nagel (1891-1942) und fällt in die Zeit um 1985. Als Kunstantiquar stieß ich in Mainz auf seinen Nachlass, der mich spontan in seinen Bann zog. Faszinierend war die eigenwillige expressiv-kubistische Formensprache, die zugleich die Neue Sachlichkeit adaptiert hatte. Nagels Name fand sich jedoch in keinem Fachbuch oder Lexikon. Und hätten sich nicht Dokumente wie ein Studienausweis auf seinen Namen der berühmten "Kunstschule Hans Hofmann, München" von 1928 im Nachlass gefunden, man hätte dieses Werk einer Fiktion entstiegen zuordnen können.

Die Unbekanntheit dieses Künstlers hätte ich fast für ein singuläres Phänomen gehalten, wäre mir nicht fast gleichzeitig das Buch des Marburger Kunsthistorikers Rainer Zimmermann in die Hände gefallen: "Die Kunst der verschollenen Generation" (1980). In ihm fand sich zwar nicht der Name Valentin Nagel, aber der Autor befasst sich darin mit Verwerfungen in der Kunstgeschichte des 20.Jahrhunderts, die zumindest in Teilen Ursache für die mangelnde Bekanntheit einer Vielzahl von Künstlern ist, speziell der um 1900 Geborenen. Diese "jüngere oder zweite Generation der Moderne", wie sie in der Abfolge der Kunstgeschichte zu nennen ist, hatte unter den Folgen der kulturpolitischen Ansichten der Nazis oft noch nachhaltiger zu leiden als ihre um 1880 geborenen "expressionistischen Väter". Sie hatten sich bis 1933 in aller Regel noch keinen Namen machen können wie diese, wurden dennoch wie jene in ihrem künstlerischen Ausdruck als "entartet" gebrandmarkt, erhielten nicht selten Ausstellungs-, gelegentlich sogar Malverbot.

NRhZ: Können sie unsern Lesern die Begriffe der "Entartung" und der "Verfemung" näher erläutern?

Dr. Gerhard Schneider
Dr. Gerhard Schneider
Foto: Andreas Kretschel


Schneider: Der Nationalsozialismus sprach von "entarteter Kunst" und verstand darunter alle Formen modernen Gestaltens vom Expressionismus und Kubismus bis hin zu jeder Art von Abstraktion. Er sah darin ein Zerfallsprodukt, das nicht in seine Vorstellungswelt einer "arischen Herrenrasse" passte. Die durch den "verhinderten Maler" Adolf Hitler bestimmte nationalsozialistische Kunsttheorie übertrug einen aus der Biologie stammenden, auch dort höchst umstrittenen Begriff der "Entartung", perfide usurpiert, ins Völkisch-Rassische und dann auch auf das Kunstschaffen. Entsprechend sprach man von "verjudeter" und "bolschewisierter" Kunst.

Der Begriff der "Verfemung" kommt aus der altdeutschen Rechtsprache und bedeutet so viel wie "Ächtung". Bekannt ist noch der Ausdruck "In Acht und Bann tun". Verfemte Kunst bedeutet dann: "Unter bestimmten politischen Verhältnissen nicht geduldete, ausgegrenzte, unliebsame, weil im Hinblick auf die Ziele des herrschenden Systems non konforme oder kritische Kunst." Der Begriff "Verfemung" impliziert ein (von außen) erfolgtes Urteil. - Verfemte Kunst gab es analog auch in der DDR, als man den "sozialistischen Realismus" einforderte und Künstler, die einer künstlerischen Formensprache den Vorrang gaben gegenüber einer naiv realistischen Darstellung, die sich ausschließlich positiv auf eine sozialistisch geprägte Welt bezog, als "Formalisten" abqualifizierte. Ihr Schaffen diskriminierte man als überholten Ausdruck "bürgerlicher Dekadenz".

NRhZ: Nach diesen Information scheint das 20. Jahrhundert für viele Künstler manches Problem mit sich gebracht zu haben. In wieweit hinterlässt diese historische Dimension Spuren in Ihrer Sammlung?

Schneider: Die Anlage meiner Sammlung ist ausschließlich davon geprägt. Im Wesentlichen gruppiert sie sich um vier Themenbereiche, wie sie bereits in den Grundlagenwerken "Verfemt - Vergessen - Wiederentdeckt" (Köln - Wienand - 1999) und "Expressive Gegenständlichkeit. Schicksale figurativer Malerei und Graphik im 20. Jahrhundert" (Bönen - Kettler - 2001) zu finden sind.

Um das Jahrhundert kunst-historisch angemessen zu verstehen, gibt es zunächst den Bereich "Künstlerische Bilddokumente zum Zeitgeschehen des 20. Jahrhunderts". Mehr durch Zufall bin ich darauf gestoßen, dass sich eine Vielzahl von Künstlern mit ihrer Zeit auseinander gesetzt hat, und dass sie sich zu dem unmittelbar Erlebten auch in Kunstwerken geäußert haben. Im Laufe der Zeit war es mir möglich, eine Fülle von Bildern zur Geschichte des 20. Jahrhunderts zusammenzutragen, die eine Art Hintergrundwissen aufbauen, durch das man Vorgänge besser oder überhaupt erst versteht, die sich auf den Bereich der Kultur nachhaltig ausgewirkt und folglich auch das Kunstschaffens geprägt haben.

Neben Werken bekannter Namen wie Conrad Felixmüller, George Grosz, Käthe Kollwitz oder Max Pechstein findet sich eine Fülle von Arbeiten bislang kaum Bekannter, die die Besucher entsprechender Ausstellungen erstaunen lassen. Albert Birkle, Josef Eberz, Arnold Fiedler, Lea Grundig, Leo Haas, Wilhelm von Hillern-Flinsch, Willibald Krain, August Lange-Brock, Fritz Lederer, Carl Rabus, Hubert Rüther, Heinrich Stegemann oder Oscar Zügel sind nur einige Namen derer, die der Sammlung allein auf diesem Sektor mit mittlerweile über dreihundert Werken ein unverkennbares Profil geben.

Valentin Nagel - Italienischer Offizier, um 1928/32, Öl auf Leinwand
Valentin Nagel - Italienischer Offizier, um 1928/32, Öl auf Leinwand
Sammlung Gerhard Schneider


Der Erste Weltkrieg findet sich kritisch gesichtet mit Beispielen ebenso wie die Revolutionszeit von 1918 oder die Verhältnisse in der Weimarer Republik. Eine Fülle von Arbeiten bezieht sich auf die Zustände während der Nazidiktatur, die Verfolgung von Missliebigen, insbesondere ihre unmenschliche Behandlung in Konzentrationslagern. Beispiele von unmittelbar Betroffenen, die diese Zeit überlebt haben, verleihen den Bildern die Authentizität des persönlich Widerfahrenen. Schließlich ist der der Welt aufoktroyierte Zweite Weltkrieg mit seinen Grausamkeiten und seinem desaströsen Ende umfassend dokumentiert. Aber auch die Zeit nach 1945 bis hin zum Mauerbau und die kritische Sichtung der Verhältnisse in Ost und West fehlen nicht.

Ein nächster Bereich befasst sich mit "Wirkungen eines neuen Bildverständnisses durch Expressionismus und Kubismus bis 1925". Hier wie in der weiteren Sektion "Verfemte und übergangene figurative Kunst von den 1920er Jahren bis 1945" finden sich jene Kunstwerke, die der Nationalsozialismus aufgrund ihrer modernen Formensprache - Ausdruckssteigerung durch Deformation und Abrücken von der Lokalfarbigkeit - als "entartet" erklärte. In der Sammlung befinden sich allein Werke von 36 Künstlern, die auf der berüchtigten Münchner Ausstellung "Entartete Kunst" von 1937 diffamiert wurden. Auch hier geht es weniger um die allseits Bekannten wie die "Brücke"-Künstler, die Mitglieder des "Blauen Reiter" oder große Einzelpersönlichkeiten wie Max Beckmann oder Karl Hofer. In meiner Sammlung werden in erster Linie Künstler gewürdigt, die zur damaligen Zeit noch keinen bekannten Namen hatten wie Hans Feibusch, Xaver Fuhr, Hans Grundig, Hanns Ludwig Katz, Otto Lange, Ludwig Meidner, Otto Pankok, Werner Scholz oder Fritz Stukenberg, um wiederum nur einige der mindestens 113 auf der Münchner Ausstellung Diffamierten zu nennen.

Wie ungeheuerlich das Vorgehen der vermeintlichen Kultursäuberer der Nazis war, ergibt sich aus der Tatsache, dass nach heutigem Stand der Wissenschaft aus Museen und öffentlichen Galerien über 20.000 Kunstwerke von ca. 1.400 Künstlern als "mit dem gesunden Volksempfinden nicht vereinbar" beschlagnahmt wurden. Die Aktionen gegen private Galerien sind in diesen Zahlen nicht enthalten.

Teo Gebürsch - Berliner Gartenhäuser, 1930, Öl auf Holz
Teo Gebürsch - Berliner Gartenhäuser, 1930, Öl auf Holz
Sammlung Gerhard Schneider


Ab 1939 wurde ein Teil "international verwertbarer" Kunst in der Schweiz verauktioniert, überwiegend zu Spottpreisen, anderes durch "ausgewählte" Kunsthändler ins Ausland verkauft, schließlich der größte Teil der Beschlagnahmen vernichtet. Dieser Aderlass an deutscher Kunst des 20. Jahrhunderts wird nie wieder auszugleichen sein. Aus meiner Sicht aber ist entscheidend, dass die damals Diffamierten mit Werken, die es ihrem künstlerischen Rang nach verdienen, in unserem kulturellen Gedächtnis einen ehrenden Platz finden. - Von jenen Künstlern, die durch die Nazis vor allem in Konzentrationslagern umkamen, insbesondere Juden, oder jenen, die emigrierten, war bislang noch gar nicht die Rede. Auch ihnen gilt mein besonderes Interesse. So habe ich mittlerweile Werke von über zwanzig Künstlerinnen und Künstlern in der Sammlung, die durch die Machenschaften der Nazis zu Tode kamen oder in Einzelfällen auch KZs überlebt haben.

Aber auch nach dem Untergang des "Dritten Reiches" ist die Geschichte verfemter Kunst nicht zu Ende geschrieben. In den beiden deutschen Frontstaaten des Kalten Krieges herrschten jeweils eigene Gesetze, bald auch im Bereich der Kultur. Ab den frühen 1950er Jahren forderte man im Osten analog zu dem sich stabilisierenden kommunistisch-sozialistischen Staat für die Kunst einen "sozialistischen Realismus" ein. Er war im Bereich des östlichen Siegers von Stalin bereits seit den 1930er Jahren als staatstragend kreiert worden. Lediglich mit den Vorzeichen einer anderen Ideologie versehen, unterschied er sich formal kaum wesentlich von der "Blut- und Bodenkunst" des Nationalsozialismus. Beide Male handelte es sich um vordergründig-oberflächliche, um seichte Kunst als Mittel zum Zweck der Einflussnahme. Die Künstler sollten ihr Schaffen in den Dienst der kommunistischen Ideologie und den Aufbau und die Förderung der sozialistischen Gesellschaft stellen. Im Mittelpunkt hatte das Volk mit seinen "Helden der Arbeit" zu stehen. Wer sich in der DDR nicht an das Gebot eines abbildenden, z.T. auch die Wirklichkeit schönenden Realismus hielt, wurde als "Formalist" abqualifiziert. Das meint: künstlerisches Gestalten darf nie den Vorrang vor der darzustellenden Wirklichkeit eines "naiv-plakativen" Realismus haben. Auch dies ein Todesstoß für jede freie Entfaltung von Kunst! Und wiederum gab es auch hier selbstbewusste Künstler, die ihrem individuellen Schaffen einen höheren Rang beimaßen als dem verordneten Einerlei.

Im Westen verlief der Prozess anders, aber bei ihm kam auch wiederum eine große Gruppe, die oben erwähnte "zweite Generation der Moderne" ins Hintertreffen. In den "frühen Jahren" nach dem Krieg besann man sich verständlicherweise zunächst auf die älteren, bereits Arrivierten, die ab 1933 in erster Linie öffentlich Verfemten. Zudem rückten nach und nach Spielarten ungegenständlicher Malerei mehr und mehr in den Vordergrund, vor allem durch die nachfolgende Generation. Sie sind dem von Amerika kommenden "abstrakten Expressionismus", der bereits seit den 1930er Jahren arbeitenden "École de Paris" sowie dem Informel (Auflösung der tradierten Formensprachen) verpflichtet. Verständlicherweise sahen viele, vor allem Jüngere, in ihnen ein interessantes Experimentier- und häufig auch ein Provokationsfeld. Einige bedeutende Kunsthistoriker (u.a. Franz Roh, Will Grohmann oder Werner Haftmann) sprachen der an der konkreten Welt orientierten Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg ein Daseinsrecht im Sinne einer Bedeutung für die Kunstgeschichte ab. Teilweise setzte man gegenständliche Kunst undifferenziert wahrheitswidrig mit faschistischer Kunst gleich. Daran zerbrach z.B. ein Künstler wie Karl Hofer, der selbst die Härte der Verfemung während des Nationalsozialismus erdulden musste. Dies ist ein in Teilen bis heute noch unaufgearbeitetes, brisantes Feld, auf dem allerdings seit den 1980er Jahren ein Umdenken erfolgt ist. Auch dieser Problematik fühlt sich meine Sammlung verpflichtet.

Dabei stellt sich als erstaunliches Fazit heraus, dass Künstler, die sich den Innovationen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts verpflichtet fühlten und sie unter ihren Gegebenheiten eigenständig weiter geschrieben haben, in Ost- und Westdeutschland eine verblüffend homogene Formensprache fanden. Somit bezieht sich die Sammlung in einem vierten Bereich auf "Kunst expressiver Gegenständlichkeit in ihrer Behauptung nach 1945".

Hans Grundig - Vorstadtkind, 1932, Holzschnitt
Hans Grundig - Vorstadtkind, 1932, Holzschnitt
Sammlung Gerhard Schneider


NRhZ: Nun haben Sie uns eine Art kunstgeschichtliches Exposee geliefert, in dem Sie indirekt auch manche Frage beantwortet haben, die Aufschluss über Ihre Tätigkeit gibt, z.B. was Sie antreibt "verfemte Kunst" zu sammeln, nach welchen Kriterien Ihre Sammlung aufgebaut ist und welche Werke in Ihre Sammlung Eingang finden bzw. finden können. Es bleibt aber vor allem die Frage: Welche Ziele verfolgen Sie kurzfristig und vielleicht auch auf lange Sicht?

Schneider: Auch hier komme ich nicht umhin, wieder ausführlicher darzustellen. Persönlich fühle ich mich aufgrund der Vielzahl politischer Verwerfungen des 20. Jahrhunderts, die die Kultur wie kaum einen anderen Bereich in Mitleidenschaft gezogen hat, dem kulturellen Gedächtnis des vergangenen Jahrhunderts verpflichtet. György Konrad, der ehemalige Präsident der Deutschen Akademie der Künste und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels hat darauf hingewiesen: "Gedächtnis, Erinnerung sind das Wichtigste für die Kunst." Dem nachzukommen, verstehe ich als Maxime meines Handelns.

Zum Glück habe ich bei der Umsetzung dieses Ziel eine Reihe engagierter Mitstreiter gefunden, den Museumsdirektor des (Kunst)"Museum Baden" (Stiftername) in Solingen, durch dessen Anregung 1999/2000 die erste große Präsentation "Verfemt - Vergessen - Wiederentdeckt" mit über 400 Exponaten aus meiner Sammlung verwirklicht wurde. Von diesem Projekt und einer umfassenden Ausstellungstournee durch ganz Deutschland mit 8 Stationen in den Jahren 2001 bis 2004 ging eine Art Appell aus. Die Gründung der "Bürgerstiftung für verfemte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider" ist darauf zurückzuführen. Unter finanziellem Aspekt ist es vor allem meinen beiden Mitstiftern aus Solingen zu verdanken, dass wir seit Dezember 2004 im (Kunst)"Museum Baden" in Solingen das Obergeschoss mit ca. 500 qm bespielen können.

Zuvor schon gründete sich im Sommer 2003 durch meine Initiative die "Fördergesellschaft `Museum für verfemte Kunst´ e.V.". Nach Gründung der Stiftung und einer Zusammenarbeit mit der "Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft" (Sitz Wuppertal) und ihrer "Stiftung für verbrannte und verbannte Dichter- / Künstler/Innen", erfolgte die Umbenennung in "Fördergesellschaft `Zentrum für verfemte Künste´". Mittlerweile hat sie 140 Mitglieder von Dresden bis New York und von Kiel bis Genf. Weitere Mitglieder und Förderer sind jederzeit willkommen. - Die Zusammenarbeit mit der "Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft" bot sich an, weil sie sich insbesondere auf dem Gebiet des Schrifttums für alle politisch Verfolgten einsetzt. Insbesondere fühlt sie sich der Aufarbeitung und Pflege jener Schriftsteller verpflichtet, deren Werke den Nazis manchmal noch missliebiger waren als die der bildenden Künstler. Viele sahen ihre einzige Überlebensmöglichkeit nur in der Emigration. Vieles, was in dieser Zeit und unmittelbar davor an bedeutender Literatur entstand, blieb oft in gleicher Weise unbeachtet wie künstlerische Leistungen. Das belegt die Bücher- und Dokumentensammlung Jürgen Serke zu den verbrannten und verbannten Dichtern. Auch sie soll auf Dauer ihren Platz in einem "Zentrum für verfemte Künste" finden.

Da analog zu der Ausstellung "Entartete Kunst" 1937 in München 1938 in Düsseldorf eine Veranstaltung "Entartete Musik" stattfand, gehört auch dieser Bereich unter musikwissenschaftlichem Aspekt in den Zuständigkeitsbereich eines "Zentrum für verfemte Künste". Eine verunglimpfende Darstellung in dem Begleittext der Diffamierungskampagne gegen moderne Musik, insbesondere den Jazz, lautete damals, aber aus unserer Sicht passend: "Entartete Kunst und entartete Musik Hand in Hand".

Die Verwirklichung eines "Zentrum für verfemte Künste" ist eine eminent politische Aufgabe und wird als Institution der geistigen Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit vor allem für die nachfolgenden Generationen nachhaltiger wirken als steinerne Denkmale. Alle an dem Projekt Beteiligten wissen sich deshalb dem Engagement des "Landschaftsverbandes Rheinland" dankbar verpflichtet, der für die Arbeit der Stiftung in den nächsten fünf Jahren ein Anlagekapital (d.h. nur die erwirtschafteten Renditen dürfen ausgegeben werden) von bis zu 5 Mill. Euro (abhängig auch von weiterem privaten Stifterengagement) zur Verfügung stellt.

Ein "Zentrum für verfemte Künste" wird es sich auch zur Aufgabe machen, nicht nur vor Ort zu arbeiten, sondern auch mit Ausstellungen und einer Vielzahl von Veranstaltungen im Land zu wirken.

NRhZ: Bei der Umsetzung Ihrer Vorhaben wünschen wir viel Erfolg und bedanken uns vielmals für Ihre Ausführungen.

Sofern Sie mit dem Sammler, der zugleich Vorsitzender der Bürgerstiftung und der Fördergesellschaft ist, Kontakt aufnehmen möchten, ist er über Email gerhard.schneider@verfemte-kunst.de zu erreichen.
Die Bildbeispiele im Interview stammen aus der Sammlung Gerhard Schneider. Ein Teil dieser Kollektion ist bereits in die "Bürgerstiftung für verfemte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider, Solingen" überführt. Interessenten können eine Dauerausstellung und gelegentliche Wechselausstellungen im (Kunst)"Museum Baden" in Solingen, Wuppertaler Straße 160, besuchen.

  Gerhard Schneider, geboren 1938 in Marsberg/Westfalen, 1959 Abitur und Pflichtjahr bei der Bundeswehr, danach Studium der Philosophie, Germanistik, Theologie und Geschichte in Bonn, Wien und Münster. 1968 Promotion über den Gottesbegriff des Nicolaus von Kues, 1970 erste Heirat und Lehrer am Reismann-Gymnasium Paderborn, 1979 freiwillige Aufgabe des Schuldienstes.

   Ab 1975 Aufbau eines Kunstantiquariats, das nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst den Lebensunterhalt sichert, 1983 Wohnungswechsel nach Olpe, zweite Heirat und erste Begegnung mit dem Nachlass des 1942 verstorbenen Künstlers Valentin Nagel. Erwerb des fast gesamten Nachlasses. Beginn der Spurensuche nach der "verschollenen Künstler-Generation", 1988 erste Ausstellung mit dem Nachlass Valentin Nagels.

   1991 Mitbegründer des Kunstvereins Südsauerland, der auf seine Anregung Ausstellungen zu während der Nazizeit verfemten und später vergessenen Künstlern durchführt. 1997 Begegnung mit dem Solinger Museumsdirektor Dr. Rolf Jessewitsch, ab 1999 Ausstellungen im Solinger Museum Baden (Stiftername), im Kunstverein Südsauerland und an sieben weiteren Stationen mit Werken aus der eigenen Sammlung.

   2004 Anerkennung der "Bürgerstiftung für verfemte Künstler mit der Sammlung Gerhard Schneider, Solingen" durch die Bezirksregierung in Düsseldorf. Dezember 2005 Eröffnung der ersten Ausstellung der Stiftung mit einer Veranstaltung, die den Charakter als geplantes "Zentrum für verfemte Künste" widerspiegelt.

Online-Flyer Nr. 47  vom 06.06.2006

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